Raabs letzte Folge “TV total“: Schluss mit lustig
Aber der Reihe nach: Die Sendung begann damit, dass auf einer Videokassette einige Sekunden der allerersten "TV total"-Sendung zu sehen waren. Am 8. März 1999 trat Raab mit einem schlecht sitzenden Jackett vor das Publikum und versprach: "Sie brauchen nur noch eine einzige Sendung in der Woche sehen: nämlich diese." Er sollte lange recht behalten. Kaum jemand konnte seiner entlarvenden TV-Kritik und dem subversiven Guerilla-Humor etwas entgegensetzen.
Bei seinem Haussender ProSieben durfte Raab daraufhin machen, was er wollte. Denn der ehemalige Messdiener und Metzgerlehrling hatte nicht nur Mut, sondern auch Talent: Er singt, spielt mehrere Instrumente, komponiert und produziert. Stefan Raab, das kann man nicht oft genug betonen, war für das deutsche Fernsehen die größte Innovationskraft der vergangenen 20 Jahre.
Neben seiner Late-Night-Sendung erfand er die Wok-WM, die Stock Car Crash Challenge, eine Karneval Prunksitzung. Er spielte im Fernsehen Poker und Autoball, ritt mit Pferden um die Wette, sprang vom Zehn-Meter-Brett und boxte mit Weltmeisterin Regina Halmich. Mit "Schlag den Raab" bündelte er schließlich alles in einer ultimativen Wettkampf-Show. Mit dem Bundesvision Song Contest machte er sich auch noch an die Rettung der deutschsprachigen Musik.
An seinen besten Tagen war er ehrgeiziger als Joko und Klaas zusammen und kreativer als eine ganze Bild und Tonfabrik. Raab hat die TV-Landschaft verändert. Erst war er wach und knallhart. Doch dann wurde er müde und wurstig.
Nicht mal ein richtiger Abschied
Gern hätte man sich das alles noch mal vor Ort angeschaut: die Holz-Kulisse im Studio, vor der Raab sich jeden Abend mühevoll seine Gags zimmerte oder die rissigen Ledersitze, auf denen so gut wie alle wichtigen Stars in den vergangenen Jahren Platz genommen haben. Aber Raab wollte für die finale Show keine Presse im Studio. Nun ist klar: Er wollte nicht mal einen richtigen Abschied.
Denn Ego-Entertainer Raab stellte in seiner letzten Sendung andere Menschen in den Mittelpunkt. Fast die ganze Sendezeit widmete er einem einzigen Gast: seinem ewigen Show-Praktikanten Elton. Gemeinsam schauten sie so viele Best-of-Clips des ehemaligen Sidekicks an, dass man sich kurz fragen konnte, wer hier eigentlich verabschiedet wird. Schließlich sang Raab für Elton "That`s What Friends Are For", während sie zusammen den Studioboden putzten.
Überhaupt ließ Raab keine Gelegenheit aus, gemeinsam mit der Studioband "Heavytones" zu musizieren. Er nahm sich sogar die Zeit, jeden einzelnen Musiker mit Namen vorzustellen. Ein sichtbares Zeichen, nachdem die Produktionsfirma Brainpool, an der Raab mit zehn Prozent beteiligt ist, angekündigt hatte, bis zum Jahresende 80 Mitarbeiter zu entlassen.
Ramsch-Show: "TV total"
Das alles soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch die Ankündigung vom Ende von "TV total" keinen neuen Schwung in die Sendung gebracht hat. Das Format hat sich nach heutigen Standards überholt.
Die letzte große Innovation hat Raab vor einigen Jahren einfach nicht mehr mitgemacht. Als das Fernsehen begann, sich auf eine digitale Community zu konzentrieren, TV-Sendungen auf Facebook und in viralen Clips weiterzuerzählen, da blieb Raab erstaunlich teilnahmslos. Wer weiß, wenn der Ehrgeiz groß genug gewesen wäre, vielleicht hätte er auch noch das Internet neu erfunden.
Noch am Montag konnte man recht eindrucksvoll sehen, zu was für einer Ramsch-Show "TV total" verkommen ist: Der Komiker Bülent Ceylan durfte darin mehrere Clips seiner neuen RTL-Sendung zeigen, als sei dies ein offiziell gekaufter Werbeblock. Statt den aufdringlichen Gast zu entlarven, ließ Raab sich von Ceylan sogar noch tadeln, seine kommende Tour nicht richtig erwähnt zu haben. So zahnlos hat man Raab selten gesehen.
Die Hoffnung bleibt, dass Raab als erster großer TV-Entertainer den perfekten Abschied hinlegt. Vieles spricht dafür: Fast alle Ziele, die Raab öffentlich geäußert hat, sind erreicht - bis auf den etwas ratlosen Ausflug in den Politik-Talk. Raab will nicht wie Schmidt durch die Digital-Kanäle tingeln, wie Gottschalk den Vorabend revolutionieren oder wie Elstner an seiner TV-Präsenz kleben.
Eine ehemalige Mitarbeiterin erzählt, dass Raab vor vielen Jahren einmal gesagt haben soll, er wolle niemals, dass seine Kinder ihn später mal als abgehalfterten Spaßonkel im Fernsehen erleben. Damals gab es diese Kinder noch nicht, heute schon. Wenn am Samstag also noch einmal "Schlag den Raab" läuft und Raab live seinen allerletzten TV-Auftritt zelebriert, dann hat er die einmalige Chance, sich würdevoll von seinem Publikum zu verabschieden.
Er wäre dann auf ewig unschlagbar.