Netanjahu scheitert krachend

  03 April 2018    Gelesen: 1096
Netanjahu scheitert krachend

Am Montag verkündete Israels Premier Netanjahu einen Deal: Tausende Migranten wollte er in den Westen abschieben. Dort wusste man nichts davon. Doch viel verheerender für ihn ist die Kritik aus den eigenen Reihen. Nun steht er vor einem Scherbenhaufen.

 

Der Plan brach so überraschend in sich zusammen, wie er verkündet worden war: Am Montagnachmittag noch teilte das Büro von Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu mit, man habe sich mit dem UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR auf die Umsiedlung Tausender afrikanischer Flüchtlinge in westliche Länder geeinigt. Nur Stunden später setzte er das Abkommen schon wieder aus, nur um es nun ganz zu begraben.

Es war eine Volte, die vor allem innenpolitische Gründe hat, und eine politische Blamage für den Premierminister ist. Denn nicht nur wussten die von Netanjahu als mögliche Ziele genannten westlichen Staaten nichts von dem Plan, darunter Deutschland. Hinzu kam vor allem scharfe Kritik aus dem eigenen Lager - aus Netanjahus Parteienbündnis Likud und von seinen Koalitionspartnern. Dem musste sich der Premier schließlich beugen.

Dabei klang die Lösung, die Netanjahu am Montag verkündete, wie ein großer Wurf, der auch Kritiker besänftigte: 16.250 Migranten sollten demnach vom UNHCR aus Israel in westliche Länder umgesiedelt werden. Auf einer Pressekonferenz nannte Netanjahu als Beispiele Kanada, Italien und Deutschland. Dort sorgte die Aussage allerdings für Verwunderung. Das Bundesinnenministerium teilte mit, es wisse nichts von einer entsprechenden Anfrage Israels. Die italienische Regierung äußerte sich ähnlich.

Auch aus dem UNHCR hieß es, dass es kein Abkommen mit Deutschland über die Aufnahme von Flüchtlingen gebe. Vielmehr suche man derzeit nach Ländern, die die Migranten aufnehmen würden. Eine Möglichkeit sei ein sogenanntes Umsiedlungs-Programm - auch Deutschland hat bereits in diesem Rahmen Flüchtlinge aufgenommen.

"Paradies für Migranten"

Doch was Netanjahus Plan scheitern ließ, war nicht die Reaktion im Ausland. Vielmehr schlug ihm scharfe Kritik im Inland entgegen. Denn das UNHCR-Abkommen hatte noch eine zweite Seite: Israel sollte demnach nicht nur Flüchtlinge abschieben, sondern genauso vielen einen zumindest vorübergehenden legalen Aufenthaltsstatus verleihen. Das Schicksal Tausender weiterer Migranten war darüber hinaus noch völlig unklar.

Während Politiker linksgerichteter Parteien Netanjahu für das Abkommen lobten, liefen politische Hardliner dagegen Sturm. Minister seiner eigenen Regierung forderten Nachbesserungen. Sie kritisierten, im Vorfeld nicht über den Deal informiert worden zu sein. Tatsächlich hatte der Premier diesen weder mit dem Kabinett noch mit den Koalitionsspitzen besprochen. Nur Innenminister Arye Deri war eingeweiht, und der Generalstaatsanwalt, der die juristischen Aspekte absegnete. Andere Kabinettsmitglieder blieben außen vor - und protestierten scharf.

Neftali Bennett, Bildungsminister und Chef der nationalreligiösen Koalitionspartei Jüdisches Heim, nannte das Abkommen deshalb eine "Kapitulation", die Israel zu einem "Paradies für Migranten" mache. "Wenn wir das Abkommen unterzeichnen, senden wir ein gefährliches Signal in die Welt: Wer auch immer illegal nach Israel kommt, wird belohnt mit einem legalen Aufenthaltsstatus hier oder in einem westlichen Land", zitierte ihn die Zeitung "Jerusalem Post". Als Netanjahu am Montagabend das Abkommen aussetzte, gratulierte ihm Bennett zu diesem Schritt. Nun müsse die Regierung einen neuen Weg finden, um die Migranten abzuschieben, schrieb er auf Twitter. "Israel ist nicht das Arbeitsamt der Welt."

Gefahr für den Zusammenhalt?

Kritik kam zudem vom Koalitionspartner Kulanu um Finanzminister Mosche Kachlon, aber auch aus Netanjahus Likud: Kulturministerin Miri Regev, die illegale Migranten einst als "Krebsgeschwür" bezeichnete, sieht die Identität und den sozialen Zusammenhalt Israels bedroht - so wie andere religiöse und konservative Politiker, die im Zuzug muslimischer oder christlicher Afrikaner eine Gefahr für den jüdischen Charakter des Landes sehen. Die 40.000 illegalen Einwanderer aus Afrika kommen vor allem aus Eritrea und dem Sudan. Trotz der dortigen prekären Menschenrechtslage haben sie in Israel kaum Aussicht auf Asyl, die Regierung bezeichnet sie als Wirtschaftsflüchtlinge.

Nicht zuletzt schlug Netanjahu aber auch Kritik aus Tel Aviv entgegen. Im ärmlichen Süden der Stadt leben viele der illegalen Einwanderer, immer wieder kommt es zu Spannungen. Im vergangenen Jahr hatte der Premier deshalb versprochen, er werde "den Süden von Tel Aviv den Bürgern Israels zurückgeben". Angesichts des Abkommens mit dem UNHCR fühlte man sich dort übergangen. "Die Bewohner von Süd Tel Aviv werden den Kampf so lange fortsetzen, bis der letzte Eindringling die Nachbarschaft verlässt", sagte Scheffi Paz, eine prominente Gegnerin der Flüchtlinge, laut der Zeitung "Haaretz". Man werde den Versicherungen der Regierung keinen Glauben mehr schenken.

Netanjahu kündigte zwar umgehend an, sich mit Anwohnern in den betroffenen Vierteln treffen zu wollen, er dürfte aber trotzdem politisch geschwächt aus dem Hin und Her um das Abkommen hervorgehen. Statt die Debatte um die illegalen Migranten mit einem Schlag zu beenden, wird sie nun erst recht angefacht. Die Koalitionspartner sind sauer, weil sie außen vor blieben. Auch Netanjahus Glaubwürdigkeit dürfte unter seinem Zickzack-Kurs leiden. Es ist ja nicht der erste Fehlschlag bei dem Thema. Die Regierung war bereits mit ihrem Plan gescheitert, Tausende Flüchtlinge in afrikanische Länder abzuschieben. Nach Angaben Netanjahus machte Ruanda einen Rückzieher, wofür der Premier auch politischen Druck aus der EU verantwortlich macht.

Nun braucht Netanjahu eine neue Strategie. Loswerden will er die Flüchtlinge, die er und andere Politiker als "Eindringlinge" bezeichnen, in jedem Fall. Israel werde sich weiter darum bemühen, sie aus dem Land zu bekommen, sagte er, als er den UNHCR-Deal endgültig zu Grabe trug.

Quelle: n-tv.de

 


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