Unter dem Vorwand des organisierten Wiederaufbaus des vom Krieg zerstörten Landes schafft sich Syriens Regime die Möglichkeit massenhafter Enteignungen. Nach einem Bericht der "Welt" fallen sämtliche private Grundstücke, Häuser und Wohnungen dem Staat zu, wenn sich ihre Eigentümer nicht innerhalb eines Monats urkundlich bei einer neu installierten Behörde ausweisen.
Ein neues Gesetz sei demnach darauf zugeschnitten, das Assad-Regime am Eigentum von Kritikern, tatsächlichen und angeblichen Oppositionellen und Geflüchteten zu bereichern. Damit könnten linientreue Generäle und Milizenführer belohnt werden und dem eigentlich bankrotten Land neues Anlagevermögen zur Finanzierung des Wiederaufbaus verschafft werden. Außerdem könnten in den Immobilien ausländische Kämpfer untergebracht werden, schreibt "Die Welt". Durch diese Maßnahmen wäre rund elf Millionen vor Krieg und Folter geflohenen Syrern möglicherweise die Rückkehr in ihre Heimat verbaut.
"Bauliche Neustrukturierung"
Nach Angaben der Regierung diene das neue Gesetz nur dazu, das Problem besetzter Häuser in den Griff zu bekommen, berichtet die "Welt" weiter. Dazu würden in allen Gemeinden administrative Einheiten gebildet, wodurch der Wiederaufbau der vom Regime kontrollierten Gebiete beschleunigt werden solle. Alle Syrer seien demnach aufgerufen, sich bei der neu geschaffenen Behörde zu melden und persönlich oder durch einen Verwandten Besitzdokumente für Immobilien oder Grundstücke vorzulegen. Objekte ohne zugewiesenen Eigentümer würden dem Artikel zufolge Teil einer baulichen Neustrukturierung und fielen somit dem Staat zu.
Besonders für etwa fünf Millionen Syrer, die auf der Flucht das Land verlassen haben und weitere sechs Millionen, die innerhalb des Landes vertrieben sind, ist der geforderte Nachweis praktisch unmöglich zu erbringen. Vielen von ihnen drohen im Falle einer Rückkehr Verhaftung, Folter oder Tod. Hinzu kommt, dass laut einer Studie des Norwegian Refugee Council nur 17 Prozent der ins Ausland Geflohenen Eigentumsdokumente bei sich haben. Innerhalb Syriens sollen es laut der Vereinten Nationen nur neun Prozent sein.
Nach Schätzungen der Weltbank sind für den Wiederaufbau Syriens 200 Milliarden Dollar nötig. Die Verbündeten Russland und Iran wollen zusätzlich zu ihren kostspieligen Militäreinsätzen nicht noch mehr Geld ausgeben. Die EU und die USA sind zu finanzieller Unterstützung des Wiederaufbaus nur unter der Bedingung tiefgreifender politischer Veränderungen in Syrien bereit. Eine bereits beschlossene UN-Resolution verpflichtet den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad eigentlich dazu, die Rückkehr Geflüchteter zu erleichtern. Das "Gesetz Nr. 10" steht dem Bericht zufolge in direktem Konflikt dazu.
Quelle: n-tv.de
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