Nachdem der französische Präsident Emmanuel Macron im Herbst vergangenen Jahres seine Reformanstöße für die Europäische Union vorgelegt hatte, kam er in der vergangenen Woche erstmalig nach der Regierungsbildung nach Berlin - mit mäßigem Erfolg. Für die künftige Finanzarchitektur der EU finden sich in Macrons Vorschlägen vor allem zwei Ansatzpunkte: der EU-Haushalt und ein EU-Finanzminister. Punkte, die bei europäischen Nachbarn - insbesondere in Deutschland - auf Skepsis stoßen.
Handlungsbedarf besteht in der Tat. Die Wirtschafts- und Währungsunion ist noch lange nicht fertig, eine Bankenunion genau wie eine Finanzunion noch immer nicht vollendet. Vor allem die fiskalpolitische Ausgestaltung der EU ist institutionell nach wie vor ungenügend. Sie war zu keiner Zeit gut genug, um unerwünschte Entwicklungen zu verhindern. In vielen nationalen Budgets wurde das drei-Prozent-Kriterium nicht eingehalten noch gar ein annähernd ausgeglichener struktureller Haushalt vorgelegt. Hohe Schuldenstände waren für viele Mitgliedsländer normal und nach dem Jahr 2008 wuchsen sich die Fehlentwicklungen in den Budgets einiger Mitgliedsländer zu Staatsschuldenkrisen aus.
Das EU-Budget spielt in diesem Zusammenhang bisher eine eher begrenzte Rolle: Mit einem Fehlbetrag darf es nicht abschließen, und sein Volumen ist mit etwas über einem Prozent des Bruttonationaleinkommens eher gering. Dies verhindert aber nicht, dass immer wieder heftig gestritten wird darüber, wer wieviel zahlt und wer was bekommt - gerade auch in Deutschland, dem größten Beitragszahler.
Gemeinsamer Haushalt oder Investitionsfonds?
Es geht aber nicht nur um den Widerstand der reicheren Länder gegen zusätzliche Ausgaben. Es muss ökonomisch begründet werden, welche Aufgaben auf europäischer Ebene angesiedelt sein sollten. Bisher werden hier - neben der ursprünglichen Agrarpolitik - vor allem struktur- und regionalpolitische Aufgaben wahrgenommen. Damit ist es in den vergangenen Jahr(zehnt)en aber nicht wirklich gelungen, die wirtschaftliche Entwicklung in den Ländern einander anzunähern.
Eine automatische Stabilisierungsfunktion, wie sie auf nationaler Ebene besteht, kann auf EU-Ebene nur bedingt funktionieren. Diese geht größtenteils auf die konjunkturell stark schwankenden Steuern zurück. Steuern, die sich für die gemeinschaftliche Ebene eignen würden, wie eine europäische Finanztransaktionssteuer oder eine Googlesteuer, können dies nicht leisten. Damit bleiben aber nur - andere oder weitere - strukturelle Ausgaben zum Abbau von Wachstumsdivergenzen und zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Volkswirtschaften: statt eines "gemeinsamen Haushalts für die Eurozone" also ein "EU-Fonds für gezielte Investitionen zur Annäherung der Wirtschaftskraft".
In Deutschland stößt auch die Schaffung eines europäischen Finanzministers auf Befremden. Der deutsche Finanzminister hat traditionell eine besondere Stellung. Es ist wohl nicht nur die Befürchtung, nationale Autonomie an die Brüsseler Bürokratie abzugeben, es ist vor allem auch die mit einem "Finanzminister" assoziierte Machtfülle. Die Vorstellung, dass ein europäischer Finanzminister ohne demokratische Legitimierung, der sich vor der Wählerschaft nicht verantworten muss, weitreichende politische Entscheidungen trifft, die nationale Politik sich dafür aber gegenüber ihren Bürgerinnen und Bürgern rechtfertigen muss, stößt auf Ablehnung.
In Frankreich ist die Stellung eines Finanzministers aber eine andere, er ist zwar Wirtschafts- und Finanzminister in einer Person, aber von der Machtfülle seines deutschen Kollegen weit entfernt. Möglicherweise ist der französische Vorschlag also ganz anders zu interpretieren und es geht vielmehr um eine administrative Aufgabe, um "einen europäischen Fiskalrat", der die Haushaltspolitik der Mitgliedsländer überwachen, anmahnen und die europäischen Gelder gezielt für wirtschaftspolitische Vorhaben verwenden kann. Möglicherweise liegen die Positionen also gar nicht so weit auseinander - und wie so oft in Europa wird aneinander vorbeigeredet.
Quelle: n-tv.de
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