Trumps Liebling

  25 April 2018    Gelesen: 1507
Trumps Liebling

Donald Trump und Emmanuel Macron zelebrieren in Washington ihre neue Freundschaft. Doch der US-Präsident bleibt auch für den Franzosen ein unberechenbarer Partner.

Was wird von diesem Besuch bleiben? Ist es die Erinnerung an Melania Trumps weißen Hut? Der Moment, in dem Donald Trump Emmanuel Macron wie einen kleinen Bruder liebevoll an der Hand ins Weiße Haus führt?

Oder ist es diese Szene im Oval Office? Trump macht dem Franzosen den Kragen sauber. Er zupft mit den Fingern an Macrons Schulter und sagt dann fröhlich: "Ich wische nur eine kleine Schuppe weg."

Wahrscheinlich sind es am Ende dann doch die Küsse. Sie sagen alles über diesen Besuch. Bei seiner Ankunft gibt Macron dem amerikanischen Freund nach französischer Tradition zwei "bises" auf die Wangen. Später revanchiert sich Trump: Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz im East Room zieht er den Franzosen plötzlich zu sich herüber und drückt ihm völlig überraschend einen Schmatzer auf die Backe: "Ich mag ihn sehr", ruft Trump verzückt. Man ahnt: Er meint das wirklich so.

Mehr Wärme, mehr Harmonie, mehr Freundschaft geht nicht im Hause Trump. Der dreitägige Besuch von Emmanuel Macron in Washington nennt sich offiziell "state visit", ist aber wohl eher das, was die Amerikaner eine "bromance" nennen, eine wahre Männerfreundschaft.


Donald Trump rollt für den Gast aus Frankreich die roten Teppiche aus. Er lobt ihn mehrfach als "großen Präsidenten", lässt Macron und seine Gattin Brigitte beim Staatsbankett hochleben, die Armee feuert Salutschüsse. Der Gast aus Frankreich revanchiert sich seinerseits, indem er Trump immer wieder freundschaftlich die Hand auf die Schulter legt und sich ausführlich für den "warmen Empfang" bedankt.

Es ist ein bemerkenswertes politisches Schauspiel, das sich da auf offener Bühne vollzieht. Einmal mehr zeigt sich bei dem Staatsbesuch des Franzosen in den USA, dass Trump davon überzeugt ist, in Macron einen wahren Freund gefunden zu haben - und Macron nimmt die Charmeoffensive bereitwillig hin.

Das Kalkül hinter den Freundschaftsbekundungen

Dass es beiden auch um eine kühle politische Kosten-Nutzen-Rechnung geht, versteht sich von selbst. Durch die Freundschaft mit Macron kann Trump dem heimischen Publikum beweisen, dass er auf der internationalen Bühne von den wichtigen Staatschefs respektiert und geschätzt wird. Zugleich sieht Trump in Macron einen zentralen Partner und Vermittler bei außenpolitischen Konflikten, zum Beispiel beim Zollstreit mit den Europäern oder beim Ringen um das Atomabkommen mit Iran.

Macron wiederum nutzt seine besondere Beziehung zu Trump, um sich als Sprecher und Wortführer Europas zu inszenieren. Er setzt offenkundig darauf, dass sein kurzer Draht ins Oval Office dabei hilft, dass Frankreich nach der glücklosen Präsidentschaft von François Hollande wieder jene Bedeutung in der weiten Welt der Diplomatie erlangt, die dem Land aus Sicht vieler Franzosen zusteht.

spiegel


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