Ob im Schulsport, im Vereinstraining oder bei Volksläufen: Immer wieder sind Sportler zu sehen, die das Gesicht schmerzhaft verziehen und sich an die linke oder rechte Seite des Bauches fassen. Fast jeder kennt Seitenstechen. Die Ursache allerdings ist wissenschaftlich bis heute nicht geklärt. Dafür lässt sich recht einfach vorbeugen und gegensteuern, wenn es doch plötzlich schmerzt.
Seitenstechen tritt nur kurz unter Belastung auf - das macht es schwer zu erforschen. "Wenn man das Seitenstechen dann untersuchen will, ist es schon weg", erklärt Klaus Völker aus Münster die fehlenden Erkenntnisse der Medizin. Klar sei aber, dass meistens Ausdauersportler unter den Schmerzen leiden, vor allem Läufer. "Eher selten kommt es auch beim Schwimmen oder Radfahren vor", sagt Völker, der Weiterbildungsbeauftragter der Deutschen Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention (DGSP) ist.
Wie entsteht Seitenstechen?
Weil die Forschung bisher nicht abschließend nachweisen konnte, woher das Seitenstechen kommt, gibt es verschiedene Erklärungsansätze. Möglich ist, dass auch mehrere der Ursachen infrage kommen und sich sogar gegenseitig ergänzen.
1. Die Bluttheorie
Völker hält eine Hypothese für am wahrscheinlichsten, die mit der Umverteilung des Blutes während des Sports zu tun hat. Unter Belastung steige die Durchblutung der arbeitenden Muskulatur um das bis zu Zwanzigfache, sagt der Experte. Gleichzeitig sinkt die Blutversorgung von Leber und Milz, wodurch sich die Organe verformen.
Dadurch kommt es - so die Theorie - zum Zug auf die bindegewebsartigen Strukturen, an denen die Organe aufgehängt sind. Leber und Milz hätten außerdem empfindliche Kapseln. "Beides erzeugt wahrscheinlich die Schmerzen", sagt Völker.
2. Die Gasblasentheorie
Ein anderer Ansatz, der laut Völker überzeugend wirkt, ist die Gasblasen-Theorie. Auf gut Deutsch "ein verklemmter Furz", sagt Völker. Der Mensch produziert täglich etwa drei Liter Gas. Durch die Erschütterungen beim Laufen kann sich in den Ecken des Dickdarms eine Gasblase bilden, die den Darm ausdehnt und Schmerzen erzeugt.
3. Die Zwerchfelltheorie
Laut Daniel Lay von der Deutschen Sporthochschule in Köln könnte auch das Zwerchfell die Schmerzen auslösen. Dieser Atemmuskel wird unter starker Belastung zu wenig mit sauerstoffreichem Blut versorgt, was krampfartige Schmerzen verursachen könnte. Dieser Meinung ist auch Florian Bauder, Landestrainer Mehrkampf der Leichtathletik Baden-Württemberg in Stuttgart. Sei die umliegende Bauchmuskulatur nicht gut trainiert, könne sie unter hoher Belastung verkrampfen, erklärt er. "Daher kann sich das Zwerchfell nicht mehr so frei bewegen."
4. Die Haltungstheorie
Auch eine schlechte Körperhaltung kommt laut Lay als Auslöser für Seitenstechen infrage. Läuft der Mensch gekrümmt, kann beim Laufen Druck auf die Interkostalnerven - also auf die Nerven zwischen den Rippen - entstehen.
5. Die Essenstheorie
Als letzte Erklärung hält Lay eine weitere Verdauungsursache für plausibel: Wer kurz vor dem Laufen isst, bei dem könnte der Magen gereizt werden. "Ich vermute, dass es eine Kombination aus mehreren Ursachen ist", sagt er.
Immerhin steht eins fest: Gesundheitsgefährdende Auswirkungen sind nicht bekannt, Seitenstechen ist nichts Schlimmes. "Es geht nach dem Sport wieder weg und verursacht keine bleibenden Schäden".
Wie lässt sich Seitenstechen vermeiden?
Seitenstechen tritt häufiger auf, wenn Menschen schlecht trainiert sind oder eine längere Sportpause eingelegt haben, ergänzt Völker. Lay kennt zwar auch Spitzensportler, die gelegentlich von den Schmerzen betroffen sind, diese Fälle seien jedoch deutlich seltener als bei Freizeitsportlern. "Sie sind körperlich viel besser an die Belastung angepasst", erklärt Lay.
Wer Seitenstechen vermeiden will, sollte das Sportprogramm also den eigenen Fähigkeiten anpassen - und sich nicht überfordern. Ebenfalls hilfreich: sich gut aufwärmen und die Belastung danach nur langsam steigern. Bauder rät auch dazu, die Rumpfmuskulatur mit gezielten Übungen zu stärken, um Verkrampfungen im Bauchbereich vorzubeugen.
Eine komplette Mahlzeit sollten Sportler spätestens etwa zwei bis drei Stunden vor dem Sport essen, um der Verdauung genügend Zeit einzuräumen. "Und man sollte weniger blähende Kost zu sich nehmen", sagt Völker. Dann ist die Gefahr einer Gasblase geringer.
Was lässt sich bei Seitenstechen tun?
Schießt dann doch mal der Schmerz in die Seite, hilft es, einen Gang herunterzuschalten. Bauder rät, langsamer zu laufen oder kurz stehenzubleiben, um den Druck zu reduzieren und das Zwerchfell zu entlasten. Auch ein langes kontrolliertes Ausatmen kann schmerzlindernd wirken.
Lay empfiehlt, die Arme nach oben zu strecken, den Körper in eine aufrechte Haltung zu bringen und die an der Atmung beteiligten Muskeln damit zu dehnen.
spiegel
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