Nach wie vor kommen Flüchtlinge als "blinde Passagiere" auf Güterzügen nach Deutschland. Mit dem Rückgang der Migrantenzahlen geht allerdings auch die Zahl der auf diesem gefährlichen Einreiseweg gestoppten Flüchtlinge deutlich zurück. Der Bundespolizeidirektion München zufolge, die für ganz Bayern Zahlen erhebt, wurden von Januar bis einschließlich 25. Mai 115 Migranten auf Güterzügen entdeckt.
2017 waren es im ganzen Jahr fast 900 Migranten, die auf diese Weise Bayern zu erreichen versuchten und dabei gestoppt wurden. Wie hoch die Dunkelziffer der nicht entdeckten Einreisenden angesetzt werden muss, ist unklar.
Die Kontrollen fallen allerdings immer schärfer aus: In den ersten vier Monaten dieses Jahres griffen allein Beamte der Bundespolizeiinspektion Rosenheim auf Güterzügen aus Italien rund 20 Migranten auf, wie Behördensprecher Rainer Scharf berichtete. Im gesamten vergangenen Jahr waren es in diesem Bereich 320 aufgegriffene Personen.
Ein weiterer Grund für den deutlichen Rückgang bei den Fallzahlen seien die verstärkten Kontrollen der Züge am Brenner auf italienischer Seite, erklärte Scharf. Die Fahrt - meist zwischen Lastwagen-Anhängern, die auf der Schiene den Brenner überqueren - sei hochriskant, sagte Scharf. Erst vor einem Jahr sei ein Flüchtling tot auf den Gleisen im Landkreis Rosenheim entdeckt worden. Wahrscheinlich habe er den Halt verloren und sei vom Zug gefallen.
Hochschwanger über die Alpen
Meist seien es junge Männer aus Nigeria, Eritrea, Gambia und Guinea, die auf diese Weise einzureisen versuchten, heißt es. Die gefährliche Route über das europäische Schienenverkehrssystem scheint aus Sicht von Migranten jedoch immer attraktiver zu werden: Ende Mai war eine hochschwangere Frau aus Nigeria auf einem Güterzug aus Italien nach Bayern gelangt. Beamte der Bundespolizei nahmen die 26-Jährige im Gleisbereich des S-Bahn-Halts Zorneding bei München fest.
Während das Aufkommen illegaler Einreiseversuche über die Brennerroute zurückgeht, verzeichnen Scharfs Kollegen in Baden-Württemberg steigende Zahlen. In dem Bundesland, das sich mit Bayern die Südgrenze der Bundesrepublik teilt, wurden seit Jahresbeginn mehr als 180 Einreisende auf Güterzügen entdeckt, teilte die zuständige Polizeidirektion Böblingen mit. Über die Schweiz und den Gotthard-Tunnel führt die - neben dem Brenner - wichtigste Nord-Süd-Verbindung im europäischen Güterverkehrsnetz.
Neue Route nach Sachsen
An der Ostgrenze Deutschlands ist die Zahl der nach Sachsen eingeschleusten Menschen in den ersten vier Monaten des Jahres ebenfalls deutlich gestiegen. Von Januar bis April verzeichnete die für die dortige Grenzregion zuständige Bundespolizeidirektion Pirna einen Zuwachs von 56 Prozent auf 266 illegal eingereiste Personen.
Vor allem Menschen aus Moldau und der Ukraine versuchten demnach vermehrt, mit der Hilfe zum Teil professioneller Schleuser, illegal über die Grenze nach Sachsen zu kommen. Die Ermittler konnten zuletzt auch mehr mutmaßliche Schleuser festnehmen. Während es im gesamten vergangenen Jahr 167 Tatverdächtige waren, gingen den Beamten von Januar bis April bereits 71 mutmaßliche Schleuser ins Netz.
Professionelle Schleuser am Werk
Grund sei der gestiegene Fahndungsdruck durch vermehrte Kontrollen auf der Straße und in Zügen, betonte ein Sprecher der Bundespolizei. Die zumeist gut organisierten Schleusernetzwerke nutzen die Ost-Route, was den hohen Anteil der hier festgestellten unerlaubt eingereisten Migranten und Schleuser aus osteuropäischen Staaten erklärt. Zugenommen hat hier vor allem die Zahl der in Kleintransportern und Lastwagen geschleusten Menschen. Dabei sind diese oft stundenlang unterwegs, ungesichert eingepfercht zwischen der Ladung.
Auf vergleichsweise niedrigem Niveau zeichnet sich damit auch hier ein Trend ab, den Experten schon länger beobachten: Bei der Suche nach einem aussichtsreichen Weg nach Deutschland hat die sogenannte Balkan-Route aus der Sicht der Flüchtlinge mittlerweile an Bedeutung verloren. Zäune und massiv ausgeweitete Grenzkontrollen führen dazu, dass sich die Menschen aus Krisenstaaten neue Routen suchen - zur Not auch versteckt in Transportern oder in Güterzügen über die Alpen.
Quelle: n-tv.de
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