Viele User in Chinas sozialen Medien waren sich nach dem Gipfel von US-Präsident Donald Trump und Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un einig, wer der große Gewinner des Gipfels ist: chinesisches Essen. Diese Meinung, zusammen mit einem Foto des beim Gipfel-Mittagessen servierten Reisgerichts, machte noch am selben Tag die Runde.
Experten in der Volksrepublik sehen nicht nur die Kochkunst des Landes als Gewinner des Gipfels, sondern vor allem die chinesische Führung. Trump und Kim schrieben eine "komplette Entnuklearisierung" der koreanischen Halbinsel als Ziel in ihr gemeinsames Abschlussdokument. Der US-Präsident sagte, er würde eine Teilnahme Chinas an Friedensgesprächen beider Staaten und Südkoreas unterstützen. Auch Trumps überraschende Absage an künftige Manöver mit Südkorea spielt Peking in die Karten: China wirbt schon lange dafür, die Übungen einzufrieren, im Austausch gegen einen Atomteststopp des Nordens. Seoul und Washington hatten dies stets abgelehnt.
Heute ist nun US-Außenminister Mike Pompeo in Peking, um Gespräche über den Gipfel und die Folgen zu führen. Gestern in Seoul sagte er, die USA gingen von einer "maßgeblichen atomaren Abrüstung Nordkoreas bis zum Jahr 2020 oder 2021" aus. "Ich bin sicher, dass sie verstehen, dass dies auch gründlich verifiziert werden muss." Da kommt China ins Spiel, das von allen Nachbarstaaten in Pjöngjang noch das größte Vertrauen genießt. Und Peking will mitreden, wenn diese Abrüstungskontrollen ausgestaltet oder die Umsetzung anderer Vereinbarungen wie wirtschaftlicher Hilfen verabredet werden, damit es seine strategischen Interessen wahren kann.
Peking fürchtet eine Flüchtlingswelle
Chinas Interessen in dem Konflikt sind komplex. Peking will eine atomwaffenfreie koreanische Halbinsel, fürchtet aber den Zusammenbruch des Kim-Regimes und die dann drohende Flüchtlingswelle. Auch würde Peking gern Einfluss und Militärpräsenz der USA in Südkorea und ganz Ostasien vermindern. Peking strebt selbst nach mehr Einfluss in der Region.
China als nominell sozialistischer Bruderstaat gilt gemeinhin als einziger Verbündeter Nordkoreas. Doch auch das ist nicht so einfach. Peking ist zwar Nordkoreas wichtigster Lieferant für alles, vom Alltagsgut bis hin zu Energie. Damit erhält es das Regime am Leben. Doch war die Regierung stets verärgert über die Atomtests und konnte schon Kims Vater Kim Jong Il nicht dazu bewegen, Wirtschaftsreformen nach chinesischem Muster einzuleiten. Experten chinesischer Universitäten betonen seit Jahren, dass Chinas Einfluss auf Nordkorea im Westen überschätzt werde.
Anfang des Jahres trug Peking die Verschärfung der Sanktionen gegen Nordkorea mit. Nach dem Treffen Kims mit Südkoreas Präsident Moon Jae-in schien alles zunächst auf Dreiergespräche der USA mit Nord- und Südkorea hinauszulaufen. China wäre außen vor gewesen. Die Regierung beobachtete das Hin und Her um die Absage und Wieder-Zusage des Treffens in Singapur; schließlich traf sich Präsident Xi Jinping gleich zweimal mit Kim, zuletzt im Mai. Das war ein Zeichen, dass Xi sich wieder mehr Einfluss erkämpfte. Wohlhabende Chinesen strömten in dieser Phase in die Grenzstadt Dandong, um dort Wohnungen zu kaufen: mit Blick über den Grenzfluss Yalu nach Nordkorea. Sie hofften auf Tauwetter und eine Belebung des Handels, der durch Dandong fließt, wo die einzige Brücke steht.
"Nordkorea Anreize geben"
Kim durfte mit einer Boeing 747 von Air China nach Singapur fliegen. Und Peking wusste am Dienstag bereits vor der Regierung in Seoul von der Absage künftiger Manöver der USA mit Südkorea. Die Regierung muss die Information also direkt von der nordkoreanischen Delegation in Singapur erhalten haben.
Unmittelbar nach dem Gipfel schlug der chinesische Außenamtssprecher Geng Shuang vor, die Sanktionen gegen Nordkorea zu lockern. Er betonte aber, China werde sich an internationale Abmachungen halten und weiter eine konstruktive Rolle spielen. "China wird nach Wegen suchen, Nordkorea Anreize zu geben, ohne die Sanktionen zu verletzen", erwartet Michael Kovrig, Nordostasien-Experte der International Crisis Group. Dafür komme etwa humanitäre Hilfe infrage.
Die USA müssen sich derweil den Vorwurf gefallen lassen, Nordkorea zu weit entgegen gekommen zu sein, ohne dafür handfeste Zusagen zu bekommen. Kritische Nordkorea-Experten wie Andrei Lankov von der Kookmin-Universität in Seoul warnen, dass es schwierig werde, dauerhaft Druck auf Pjöngjang auszuüben, auch wegen China. "China ist zunehmend unzufrieden über den Handelskonflikt mit den USA und erwägt, ob es mit den USA in Sachen Nordkorea weiter an einem Strang ziehen soll", sagt Lankov. An diesem Freitag will die US-Regierung eine Liste von Produkten veröffentlichen, auf die ab der kommenden Woche Strafzölle in Höhe von 25 Prozent gegen China fällig werden könnten. Chinas Kooperation mit den USA mit Blick auf Nordkorea dürfte kein Selbstgänger sein.
Quelle: n-tv.de
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