Der Asylstreit zwischen den beiden Unionsparteien CSU und CDU beansprucht zunehmend auch die Geduld der sozialdemokratischen Koalitionspartner: SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil erklärte mit Blick auf das am Abend anstehende Treffens der Parteispitzen im Kanzleramt, im Koalitionsausschuss werde "Klartext" geredet. "Wir wollen ein Gefühl dafür entwickeln, wie handlungsfähig der Koalitionspartner ist", sagte Klingbeil wörtlich.
Die SPD erwarte zudem, so Klingbeil, dass Bundesinnenminister Horst Seehofer endlich seinen bereits vor Wochen angekündigten "Masterplan Migration" vorlegt, den niemand wirklich kenne, der aber für eine Regierungskrise sorge. "Und dann werden wir Tacheles drüber reden", sagte Klingbeil. Die SPD wirft der CSU vor, sich im Streit mit der CDU "unanständig" zu verhalten und das Land in "Geiselhaft" wegen der bayerischen Landtagswahl zu nehmen.
Die SPD wolle keinen Entscheidungen zustimmen, die europäische Lösungen behinderten, sagte Klingbeil weiter. Die Zurückweisung von Flüchtlingen an den Grenzen, ohne die jeweiligen Umstände zu prüfen, verstoße gegen europäisches Recht. Ungeklärt ist noch, welche Folgen eine solche Zurückweisung in der Praxis hätte und wie die europäischen Nachbarn mit den Zurückgewiesenen an der Grenze umgehen. Experten fürchten eine Kaskade an Grenzschließungen in den Nachbarstaaten, was letztlich zu einem Ende der im Schengen-Abkommen vereinbarten Aufhebung von Grenzkontrollen führen könnte.
Innenminister Seehofer hält an der umstrittenen Zurückweisung von Flüchtlingen an der deutschen Grenze unterdessen fest. Vor dem Treffen der Spitzen von CDU, CSU und SPD am Abend im Kanzleramt bekräftigte er erneut seine Forderungen. Zwar hoffe er "ehrlich, dass eine europäische Lösung gelingt", sagte der CSU-Chef, der neben seinen Geschäften als Bundesminister des Inneren auch an der Spitze der kleineren Unions-Schwesterpartei CSU steht. Allerdings könne man "von der Hoffnung allein nicht leben", fügte er im Gespräch mit der "Süddeutschen Zeitung" hinzu.
Seehofer wies zudem erneut zurück, dass die CSU Bundeskanzlerin Angela Merkel ein Ultimatum gestellt habe. "Die Kanzlerin hat um 14 Tage Zeit für eine europäische Lösung gebeten, daran halten wir uns", sagte Seehofer. Der CSU-Politiker hatte allerdings wiederholt betont, dass er in der Frage der Zurückweisung von Asylsuchenden an der Grenze gegebenenfalls auch einen nationalen Alleingang anordnen könnte.
Schlichtungsgespräche auf Koalitionsebene?
Der Asylstreit hält die Union aus CDU und CSU seit Wochen in Atem. Die teils ungewöhnlich ruppig geführte Auseinandersetzung zwischen der Kanzlerin und ihrem Innenminister belastet zunehmend auch das Klima innerhalb der großen Koalition. Auf einer Sitzung des Koalitionsausschusses wollen Spitzenvertreter von CDU, CSU und SPD daher am Abend nach Wegen aus dem Asylstreit suchen.
CSU-Chef Seehofer beharrt darauf, ab Anfang Juli alle bereits in einem anderen EU-Land registrierte Flüchtlinge an der deutschen Grenze zurückweisen zu lassen. CDU-Chefin Merkel besteht dagegen auf einer europäischen Lösung und will bis Ende der Woche auf europäischer Ebene über Lösungen mit anderen EU-Staaten verhandeln.
Merkel hat in diesem Zusammenhang auf die im Grundgesetz verankerte Richtlinienkompetenz der Kanzlerin verwiesen. Beobachter verstanden dies als Hinweis darauf, dass die Kanzlerin den Innenminister im Fall einer Zuwiderhandlung letztlich aus dem Amt entlassen könnte. In diesem Fall wäre ein Bruch der Union wohl nur schwer abzuwenden, heißt es.
Quelle: n-tv.de
Tags: