Ford legt beim Focus eine Schippe drauf

  01 Juli 2018    Gelesen: 1771
Ford legt beim Focus eine Schippe drauf

Der Spitzen-Ford kommt nicht aus Detroit, auch nicht aus Köln, sondern aus Saarlouis. So jedenfalls könnte man Fords Europa-Chef Steven Armstrong verstehen, der im neuen Focus "das beste Auto, das wir je gebaut haben" sieht. Der Fahreindruck untermauert diese These.

Der vierten Generation, deren Fertigung vor kurzem im Saarland angelaufen ist, fällt in Deutschland die gleiche Aufgabe zu, wie sie bereits den drei Vorgängern gestellt war: Den Abstand zum Opel Astra verkürzen, denn der Rüsselsheimer Kompakte ist in Deutschland meistens beliebter als sein Ford-Pendant. Nur im Jahr 2014 war es dem Focus gelungen, den Astra vom zweiten Platz hinter dem VW Golf in der Zulassungsstatistik zu verdrängen. Im europäischen Vergleich liegt der Ford allerdings meistens vor dem Opel.


In der Kölner Zentrale weist man gern darauf hin, dass der im September als Limousine und Kombi auf den Markt kommende Wagen keine Weiterentwicklung des Vorhandenen sei, sondern, dass man "mit einem weißen Blatt Papier" die Planungen zur vierten Generation begonnen habe. Bis auf ein paar Schalter und andere Kleinteile sei am Focus alles neu. Analog zum Angebot beim Fiesta wird es später zusätzlich die höher gelegte Active-Variante geben, außer der ST-Line wird auf Sicht auch wieder einen leistungssgesteigerte Version mit den beiden Buchstaben angeboten. Doch schon der Fünftürer zeigt, dass Ford eine ordentliche Schippe draufgelegt hat.

Zunächst stehen beim Focus die Dreizylinder-Motoren im Brennpunkt. Außer dem weiter entwickelten Einliter-Aggregat gibt es auch einen neuen 1,5-Liter-Benziner, der seine Kraft ebenfalls aus drei Zylindern schöpft. Während die Einliter-Version wahlweise mit 85, 100 und 125 PS zu haben ist, werden die größeren Motoren mit 150 oder 182 PS angeboten. Bei den Dieseln kommen vier Zylinder zum Einsatz, die Leistungsspanne reicht von 95 bis 120 PS. Beim weiteren Ausbau des Modellangebots wird noch ein Zweiliter-Diesel folgen, der dann 150 PS und 370 Newtonmeter Drehmoment bereitstellt.

Mehr Beinfreiheit hinten


Aus Sicht des Baureihenleiters Helmut Reder punktet der neue Focus gegenüber dem Vorgänger mit größerem Platzangebot bei fast gleichen Außenmaßen, mit einem großzügigen Sortiment an Sicherheits- und Assistenzsystemen sowie hohem Fahrkomfort, den das serienmäßig einstellbare Fahrwerk biete. Dank 57 Millimeter mehr Radstand gegenüber dem Vorgänger genießen die Fondpassagiere mehr Beinfreiheit, gleichzeitig wurden die Überhänge an den Radhäusern gekappt. Auch für die vorn Sitzenden erreichte man einen Raumgewinn, da das Armaturenbrett in Richtung Vorderachse verschoben wurde. Die flachere Silhouette wird wesentlich von der schrägeren A-Säule beeinflusst. Gegenüber dem Vorgänger wuchs der Kofferraum des Fünftürers um 25 auf 341 Liter, bei umgeklappter Rückbank um 92 auf 1354 Liter.

Erstmals in einer europäischen Modellreihe der US-Marke gibt es ein Head-up-Display als ausfahrbare Scheibe über den Hauptinstrumenten. Ford rühmt sich, dass es das kontraststärkste System sei, das gegenwärtig erhältlich ist. Auch bei starkem Lichteinfall, das bewiesen die Testfahrten an der sonnigen Cote d’Azur, ist es tadellos ablesbar. Die elektronischen Helfer haben Zuwachs bekommen, nunmehr sind unter anderem ein Stauassistent inklusive Fahrspur-Pilot, kamerabasiertes Kurvenlicht, Verkehrsschilderkennung, blendfreies Fernlicht sowie ein vollautomatischer Park-Assistent optional erhältlich. Ein Novum in der Kompaktklasse ist der Ausweichassistent, der das Umfahren von Hindernissen durch aktiven Lenkeingriff unterstützt. Das Paket der Assistenten nennt Ford "Co-Pilot 360", was auf der fünfstufigen Skala für automatisiertes Fahren das Level 2 bedeutet.

Während der erste Schub Benziner sowohl beim 5-Türer als auch beim Turnier mit 6-Gang-Handschaltung ausgeliefert wird, können sich die Kunden für den 150 PS-Benziner schon auf eine Achtgang-Automatik freuen, die Ford selbst entwickelt hat. Um die Mittelkonsole luftiger, übersichtlicher und praktischer zu gestalten, wurde für ihre Bedienung auf einen herkömmlichen Hebel verzichtet. Stattdessen erfolgt die Wahl der Fahrstufen mittels eines Drehknopfes. Wer sich dabei an Jaguar oder Land Rover erinnert fühlt, liegt richtig, allerdings ist der Ford-Knopf nicht ausfahrbar. Die Markierung der eingelegten Getriebefunktion wird durch eine Leuchtdiode unterstützt, doch dürfte die haptisch fühlbare Rastung der vier Modi etwas stärker ausfallen. Manuelles Schalten über die Wippen am Lenkrad ist nach Betätigung des zentralen Druckknopfes möglich.

In Verbindung mit dem 150 PS-Benziner ist der Schaltkomfort erstklassig, laut Ford ist die Programmierung lernfähig und passt sich folglich den Anforderungen des Fahrers oder der Fahrerin an. Unterhalb des Getriebe-Drehknopfes liegt die Taste für die Fahrmodi, womit sich die Schaltcharakteristik ebenfalls beeinflussen lässt. Wer zwischen "Sport" und "Eco-Comfort" hin- und herschaltet, kann an der Verbrauchsanzeige live verfolgen, wie sich das veränderte Drehzahlniveau auf den Spritkonsum auswirkt. Abhängig vom verwendeten Motor arbeitet der Wandler-Automat mit unterschiedlichen Übersetzungs-Verhältnissen.

Lenkpräzise und spurstabil


Doch auch wer keine sportlichen Ambitionen verfolgt, wird sich damit abfinden müssen, dass Soll- und Ist-Verbrauchswert nur schwer zur Deckung zu bringen sind. Laut Hersteller wurden die offiziellen Verbrauchsangaben "anhand des neuen WLTP-Testzyklus ermittelt und zu Vergleichszwecken auf NEFZ zurückgerechnet". Danach soll der 5-Türer mit 125 PS und Handschaltung nicht mehr als 6,2 Liter je 100 km verbrauchen. Nach rund 100 Kilometer Testfahrt mit zurückhaltendem Gebrauch des Gaspedals errechnete der Bordcomputer 7,6 Liter. Womit sich der kleine Dreizylinder während der Autobahnpassagen aber besonders beliebt machte, war das äußerst angenehme Geräuschniveau. Bei Tempo 100 wurden im Innenraum nur 62 dB gemessen.

Im Kalt- und Leerlauf pflegt der Motor allerdings ebenso wie sein größeres Pendant einen rustikalen Tonfall. Beim 1,5-Liter-Aggregat ist man sogar versucht, an einen Dieselantrieb zu denken. Wer die sportliche Gangart pflegt, wird diese Klangkulisse zu schätzen wissen, die man vor allem in Beschleunigungsphasen genießen darf. Als Verbrauchsmittel gibt Ford maximal 6,1 Liter an, die erhöhten Anforderungen einer Testrunde in bergiger Umgebung quittierte die Limousine mit 7,8 Litern, hochgerechnet auf 100 Kilometer Strecke.

Der Ausflug ins Bergische untermauerte eindrucksvoll die Güte von Fahrwerk und Lenkung. Zwar könnte die Spreizung von komfortablem und sportlichem Modus ein wenig deutlicher sein, jedoch ist das Angebot des Herstellers von zwei verschieden konstruierten Hinterachsen in jedem Fall ein Gewinn. Der Lenkung mangelt es nicht an Präzision und Rückmeldung, das Dirigieren durch enge Kehren geht leicht von Hand und bedarf nur selten der Korrektur. Die von Ford entwickelten und patentierten Force-Vectoring-Federsysteme bringen einen Zuwachs an Stabilität und Agilität.

Wer das Focus-Einstiegsangebot von 18.700 Euro (mit 85 PS) nutzt, wird sich wohl über den um 200 Euro reduzierten Startpreis freuen, muss jedoch auf die zahlreichen Segnungen von neuen Assistenz- und Komfort-Einrichtungen verzichten. Immerhin gibt es ab Werk Spurhalte- und Berganfahr-Assistent, ein Audio-System, Klimaanlage, Kollisionswarner, Lichtsensor und Zentralverriegelung. Ein komplett ausgestatteter 125-PS-Benziner der Top-Linie "Vignale" schlägt mit 28.700 Euro zu Buche.

Quelle: n-tv.de


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