CDU und CSU ringen um Erhalt der Union

  01 Juli 2018    Gelesen: 1905
CDU und CSU ringen um Erhalt der Union

Mit seiner Haltung im Asylstreit treibt CSU-Chef Seehofer die Union bis an den Rand der politischen Belastungsgrenze. Ein Vieraugengespräch mit Merkel endet am Vorabend ohne Erklärung. Am Nachmittag wollen die beiden Schwesterparteien ihre Krise lösen - so oder so.

Kommt es zum Bruch der Union aus CDU und CSU und damit zu einer größeren Regierungskrise in Deutschland? An diesem Sonntag steht in dem Streit zwischen den beiden Schwesterparteien die Entscheidung an: Am Nachmittag kommen die Spitzengremien von CDU und CSU in getrennten Sitzungen in Berlin und München zu Beratungen zusammen. Der Beginn der kombinierten Sondersitzung von CSU-Vorstand und CSU-Landesgruppe ist für 15.00 Uhr angesetzt. Nach wie vor wird nicht ausgeschlossen, dass die schwarz-rote Bundesregierung nur gut 100 Tage nach ihrem Start am unionsinternen Streit zerbrechen könnte.

Vordergründig geht es um den richtigen Kurs in der Asylpolitik, im Kern allerdings längst auch um die Richtlinienkompetenz der Kanzlerin - und darum, wer in der Bundesregierung letztlich das Sagen hat. Seehofer hat Merkel mehrfach einen Alleingang angedroht, sollte es ihr nicht gelingen, seine Forderungen auf europäischer Ebene durchzusetzen.

Am Vorabend hatten Bundeskanzlerin Angela Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer in einem Zweiergespräch noch einmal nach einer einvernehmlichen Lösung gesucht. Nach zwei Stunden verließ der Bundesinnenminister am späten Abend gegen 22.30 Uhr das Kanzleramt. Eine Erklärung gab es nicht. Über Ergebnisse des Vieraugengesprächs zwischen Seehofer und Merkel wurde nichts bekannt.

"Wir gehören zusammen"


Sollte es kein Einlenken geben und Seehofer seine Drohung eines nationalen Alleingangs an der Grenze wahrmachen, bliebe der Kanzlerin nach Einschätzung vieler Beobachter nichts anderes übrig, als den Bundesinnenminister zu entlassen. In diesem Fall wird mit einem Auseinanderbrechen der Union gerechnet - falls die übrigen CSU-Minister Seehofer die Treue halten und ihren Posten ebenfalls aufgeben.

Vor diesem Hintergrund warnte die Junge Union (JU), die gemeinsame Nachwuchsorganisation beider Schwesterparteien, eindringlich vor einer Spaltung des jahrzehntelang bewährten Bündnisses. "Unser Appell an CDU und CSU: Wir sind eine Union. Wir gehören zusammen. Für unser Land", heißt es in einem Aufruf, den der JU-Deutschlandrat am Wochenende in Erfurt beschloss. Der Beschluss sei einstimmig gefallen, mit den Delegierten aus Bayern, hieß es. Die bayerische JU gilt eigentlich als besonders Merkel-kritisch.

Rückhalt erfährt die Kanzlerin auch aus den eigenen Reihen: Die CDU-Spitze stellte sich demonstrativ hinter ihre Vorsitzende Merkel. Nach Volker Bouffier stärkten ihr zwei weitere Stellvertreter den Rücken. Armin Laschet, Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, sagte der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung", der EU-Gipfel habe ein "besseres Ergebnis erzielt, als wir noch vor ein paar Tagen erwarten durften". Und: "Die CSU hat viel erreicht. Ich hoffe, dass nationale Alleingänge jetzt vom Tisch sind."

Schutz der EU-Außengrenzen


Der CDU-Politiker Thomas Strobl, Innenminister von Baden-Württemberg, sagte der Zeitung, der verstärkten Zuwendung der EU zum Thema 'Schutz der Außengrenzen' müssten rasch Taten folgen. "Bis die Außengrenzen ausreichend geschützt sind, wird es auch stärkere polizeiliche Kontrollen an den Binnengrenzen brauchen." Damit spielte er auch auf die Schleierfahndung an, die nach dem Willen der Kanzlerin verstärkt werden soll, wie aus ihrer schriftlichen Erläuterung der Gipfelergebnisse für die Koalitionsspitzen hervorgeht.

EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger mahnte im gleichen Blatt: "Das Ergebnis dieses Gipfeltreffens war nur möglich, weil die Kanzlerin in ganz Europa Autorität und Ansehen genießt. Das ist sehr wertvoll für Deutschland, niemand sollte es zerstören." Oettinger sitzt unter anderem auch als Mitglied im CDU-Vorstand.

Bei dem Asylstreit geht es konkret zunächst vor allem um die Frage, wie eingedämmt werden kann, dass Migranten in anderen EU-Ländern ankommen und registriert werden, aber dann weiterreisen und in Deutschland Asyl beantragen. Um diese sogenannte Sekundärmigration zu verhindern, setzt Seehofer auf eine eigenmächtige Abweisung an der deutschen Grenze. Merkel lehnt einseitige nationale Maßnahmen dagegen ab und verfolgt eine europäische Lösung, von der sie sich eine tragfähigere Politik verspricht.

Tschechien widerspricht der Kanzlerin


Mit überraschend weitgehenden Vorschlägen hatte sie versucht, eine Eskalation der Berliner Regierungskrise abzuwenden. In ihrem Schreiben an die Partei- und Fraktionschefs der Koalitionspartner SPD und CSU führt sie eine Reihe von Maßnahmen für einen schärferen Kurs auf - etwa bei Asylbewerbern, die in einem anderen EU-Land schon registriert sind.

Von 14 Ländern hat sie demnach die Zusage, Abkommen zur schnelleren Rückführung solcher Migranten zu schließen. Allerdings hat zumindest der Regierungschef eines dieser Länder, Tschechiens Ministerpräsident Andrej Babis, dem inzwischen klar widersprochen. Bei einer ebenfalls dementierenden Äußerung von Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban war hingegen nicht ganz klar, was genau inhaltlich gemeint ist.

Dobrindt zweifelt mit Babis und Orban


CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt nahm die Äußerungen von Babis und Orban zum Anlass, seine Skepsis über die Brüsseler Beschlüsse Merkels mit anderen EU-Staaten auszudrücken. "Angesichts der divergierenden Wortmeldungen aus einigen EU-Mitgliedsstaaten kann man Zweifel haben, ob die Ratsbeschlüsse alle Realität werden", sagte er der "Bild am Sonntag".

Wie aus dem Schreiben Merkels unter anderem hervorgeht, sollen anderswo in der EU registrierte Asylbewerber in den von Seehofer geplanten sogenannten Ankerzentren untergebracht werden und dort ein Schnellverfahren durchlaufen. Mit Griechenland und Spanien hat Merkel darüber hinaus weitergehende Rückübernahme-Vereinbarungen getroffen. Für bei ihnen registrierte Flüchtlinge sollen nach Merkels Vorschlag "grenznahe Rückkehrmechanismen" eingerichtet werden.

Söders Vize ruft zur Mäßigung auf

"In der Wirkung gehen diese von Innenpolitikern der CDU vorgeschlagenen Maßnahmen sogar noch über das hinaus, was die CSU gefordert hatte", meinte der CDU-Bundestagsabgeordnete Armin Schuster dazu. Seehofer selbst wollte sich zu Merkels Gipfelerfolgen bislang nicht öffentlich äußern. Sein Parteikollege, der bayerische Ministerpräsident Markus Söder, hatte am Samstag die bis dahin bekannten EU-Beschlüsse zunächst gelobt, aber weiter Bedarf für nationale Maßnahmen gesehen.

Ex-CSU-Chef Erwin Huber sagte der "FAS": "Ankerzentren sehen wir sowieso vor. Das wäre eine geeignete Maßnahme, mit diesen Flüchtlingen umzugehen." Der CSU-Bundestagsabgeordnete Michael Frieser sagte dem Blatt dagegen, in Bezug auf die Forderungen seiner Partei sei das "weder wirkungsgleich noch adäquat". Wenn jemand woanders bereits Asyl beantragt habe, "muss er an der Grenze unmittelbar zurückgeführt werden". Seehofers Kurs ist offenbar auch innerhalb der CSU nicht unumstritten: Bayerns Vize-Ministerpräsidentin Ilse Aigner rief im Asylstreit zur Mäßigung auf.

Quelle: n-tv.de

 


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