Porsche Boxster vs. 911 - Gene im Wettstreit

  04 Juli 2018    Gelesen: 1127
Porsche Boxster vs. 911 - Gene im Wettstreit

70 Jahre ist es her, dass Ferry Porsche sein Konzept für einen Sportwagen in rollendes Blech verwandelt. Zur Legende wird aber erst der 911. Er ist es auch, der zum Urmeter und Genspender für alles wird, was in Zuffenhausen auf die Räder gestellt wird.

 

"Wir sind die, die keiner braucht und jeder will." So das Selbstverständnis von Porsche nach 70 Jahren Sportwagenbau. Und irgendwie haben die Zuffenhausener mit dieser leicht überheblichen Art gar nicht so Unrecht. Selbst Menschen wie der Autor, die sich der Faszination Porsche lange haben entziehen können, mussten spätestens nach der ersten Fahrt in einem 911 zugeben, dass das Fahren auf einem anderen Niveau ist. Lenkung, Fahrwerk, Bremsen und natürlich der legendäre Sechszylinder-Boxer heben ihn in eine andere Liga.

Angefangen hatte alles Ende der 1940er-Jahre. Der Juniorchef des Konstruktionsbüros Porsche, Ferry Porsche, startet unter seinem Namen und mit seinen eigenen Vorstellungen das Projekt zum Bau eines Sportwagens. Und Rennwagen-Erfahrung hat Ferry Porsche genug. Unter seiner Ägide entstehen die Grand-Prix-Wagen Typ A bis D der Auto-Union, die zwischen 1934 und 1939 nationale und internationale Erfolge einfahren. Das Sportwagenprojekt bekommt die Konstruktionsnummer 356. Eine Nummer, die zur Legende wird.

Richtig knackig wird‘s mit dem 911

Allerdings ist es wohl eher das Konzept, dass hier die Zukunft eines legendären Sportwagens ahnen lässt. Es entstehen zwei Varianten, ein Coupé und ein Cabrio. Beide treibt ein auf 35 PS gesteigerter Vierzylinder-Boxermotor aus dem VW Käfer an. Dieser Leistungswert wird heute selbst von Fahreinsteigern auf Motorrädern belächelt, war für die damalige Zeit aber gewaltig. Genauso wie die Doppel-Längslenkerachse vorn, die bereits den VW-Käfer in der Spur hält. Aber ähnlich wie es heute bei der Entwicklung von Automobilen ist, gehen die Entwicklungsschritte rasant voran. Bereits die Vorderachse des 356 B 2000 GS Carrera 2 GT hat je zwei Kurbellängslenker, Drehstäbe und Stabilisatoren.

Damals wie heute sind das für den Laien böhmische Dörfer. Für den ist eigentlich nur interessant, dass diese und die damit einhergehenden Veränderungen an der Hinterachse und natürlich am Motor dafür sorgen, dass sich der Sportwagenbauer eine weltweite Reputation auf der Rennstrecke verschafft. Ab 1953 setzt Porsche erstmals einen eigens für den Rennsport konstruierten Wagen ein: den Porsche 550 Spyder. Ihm folgen andere Varianten, aber richtig knackig wird es, als Porsche 1965 den fast serienmäßigen 911 2.0 bei der Rallye Monte-Carlo an den Start schickt. Jetzt wird auch dem letzten Zweifler klar, dass der 911 ein echter Rennwagen ist. Vor allem in den USA erwärmen sich immer mehr Prominente für Fahrzeuge der Marke aus Zuffenhausen.

Promis fahren auf Porsche ab

Der wohl Bekannteste ist James Dean, nicht zuletzt, weil er unverschuldet mit seinem 550 Spyder ums Leben kommt. In die Reihe der fahrenden Porsche-Prominenz reihen sich über Zeit auch Schauspieler Steve McQueen und Dirigent Herbert von Karajan. Heute zählen Keanu Reeves und Patrick Dempsey zu den bekennenden Porschefahrern. Letztgenannter hat sogar ein eigenes Rennteam: Dempsey Proton Racing, dass mit dem Porsche 911 RSR zum Beispiel seit Jahren das 24-Stunden-Rennen in Les Mans recht erfolgreich bestreitet.

Aber trotz solch prominenter Unterstützung steht Porsche Anfang der 1990er-Jahre kurz vor dem Aus. Das Interesse erlischt so plötzlich, wie es sich seinerzeit entfachte. Die Gründe mögen vielfältig sein. Aber einer war mit Sicherheit der Preis. Der technische Aufwand, der in Zuffenhausen mit Blick auf die oben genannten Komponenten Motor, Getriebe, Fahrwerk, Bremsen und Verarbeitungsqualität betrieben wird, kostet eine Stange Geld. Die Rettung ist der 1993 auf der Detroit Auto-Show vorgestellte Boxster. Der Name ist eine Zusammenführung aus Boxer(motor) und (Road)ster.

Obgleich die Idee nicht von Porsche stammte, sondern dem Erfolg des Mazda MX-5 geschuldet ist, schlägt der "Friseusen-Porsche", wie böse Zungen ihn später nennen werden, wie eine Bombe ein. Nutzt er doch nicht nur viele Teile, die später dem 911 (Modell 996) einverleibt werden, er verfolgt auch dessen Grundidee: Mittelmotor, Sechszylinder und damit maximale Sportlichkeit. Und tatsächlich lockt der Boxster mit den Komponenten und einem Preis von 76.500 DM neue Kunden. Zudem übertrifft er die Konkurrenz im Segment seinerzeit mit wesentlich mehr Platz.

Jeder Porsche ist ein Sportwagen

Natürlich erfüllt auch der Boxster einen in Zuffenhausen formulierten Anspruch: "Jeder Porsche ist ein Sportwagen". Und das kann man auch Jahrzehnte später für den 718 Cayman und den Boxster GTS unterschreiben. Echte Porsche-Fans und die Ingenieure selbst haben mit dem Vierzylinder-Boxer-Motor, der seine Kraft aus 2,5 Litern Hubraum schöpft, gehadert. Zu Unrecht, denn hier werden 365 Pferde so rasant freigelassen, dass der "Kleine", unterstützt von 430 Newtonmetern maximalem Drehmoment, so giftig aus den Startlöchern schießt, dass sich der große Bruder in diesem Punkt eine Scheibe abschneiden kann.

Während der Cayman wie wild schwänzelt, sich gebärdet wie ein wütendes Fohlen, zieht der 911 GTS mit seinem 3,0-Liter-Sechszylinder-Boxermotor, 450 PS und einem maximalen Drehmoment von 550 Newtonmetern so cremig aus den Startlöchern, dass man in den 4,1 Sekunden, die es bis auf Tempo 100 braucht, getrost am Kaffee nippen kann, ohne einen Tropfen zu verschütten. Auch beim Handling tritt die Wildheit des 718 in den Vordergrund. Mit aller Macht geht die Kraft auf Wunsch des Fahrers über die Hinterachse, was wiederum dazu führt, dass sich der Bolide fantastisch querfahren lässt. Bleibt der Lenkeinschlag, wirbelt der Caymen wild um seine eigene Achse.

So wird er zu einem echten Spaßmacher. Doch so schnell der 718 den Ausbruch probt, so schnell lässt er sich wieder einfangen und in die Spur zurückführen. Und das liegt nicht zuletzt daran, weil bereits ab Werk das Porsche Torque Vectoring (PTV) inklusive mechanischer Hinterachsquersperre, das Sport-Chrono-Paket oder das Porsche Active Suspension Management (PASM), das die Karosserie um zehn Millimeter tieferlegt, an Bord sind. Auch der  911 GTS trumpft hier mit seiner geregelten Hinterachs-Quersperre, PTV Plus und Porsche Torque Vectoring auf. Insofern müssen beim Umstieg vom jungen Wilden vor allem die Gefühlswallungen des Piloten neu eingestellt werden.

Immer auf der Ideallinie

Ja, der 911er wankt, nickt und rollt. Das macht er aber mit 70 Jahren Rennsporterfahrung. Denn im Vergleich lässt er sich zwar nicht so wild herumwirbeln wie der 718, aber er zieht auf dem Treck eine extrem saubere Spur. Bleibt der Ideallinie ohne viel Zutun des Fahrers treu. Legt es auch bei Vollgas nicht darauf an, das Heck kommen zu lassen. Ja, im schlimmsten Fall rutscht ihm das kurveninnere Antriebsrad durch, weil eben keine Sperre da ist, die das Antriebsmoment synchronisiert. Am Ende möchte man meinen, hier machen sich einfach das Alter, die Erfahrung und eine gewisse Ruhe bemerkbar, die dem jungen Wilden noch abgehen.

Schließlich steckt die 70-jährige Geschichte von Porsche irgendwie geballt in diesen beiden Autos. Natürlich sind auch Cayenne, Macan und Panamera Sportwagen. Natürlich hört die Entwicklung nicht auf und die Elektrostufe ist mit dem Taycan längst gezündet. Und der Spruch von Ferry Porsche, "Das letzte Auto, das gebaut wird, wird ein Sportwagen sein", ist in Zuffenhausen weiter Programm. Wie es sich neben dem Elektroantrieb in Zukunft mit dem Vortrieb verhält, ist hingegen offen. Thomas Brandl, Teamleiter Antrieb Boxermotoren, meint jedenfalls, dass der Verbrenner so schnell nicht am Ende sein wird. Helfen könnten synthetische Kraftstoffe, die den CO2-Ausstoß deutlich senken. Genauer wird er in seinen Ausführungen nicht, aber man spürt den Wunsch, vor allem den Sechszylinder-Boxer-Motor in einem Porsche über die Zeit zu retten. Nach den wilden Fahrten auf dem Testgelände in Aldenhoven eine durchaus nachvollziehbare Einstellung.

Quelle: n-tv.de


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