Mit weißen Kügelchen gegen Homosexualität?

  04 Juli 2018    Gelesen: 1319
Mit weißen Kügelchen gegen Homosexualität?

Homosexualität kommt von einer Syphilisinfektion der Vorfahren, aber niemand muss seine falsche, unnatürliche Sexualität mit Absicht oder in fatalistischer Weise annehmen. Denn: Den leidenden Homosexuellen kann geholfen werden: mit Globuli, Gebet und Psychotherapie. Klingt nach Mittelalter? Ist aber Realität für den Bund der katholischen Ärzte.

1990 ist die Homosexualität von der Weltgesundheitsorganisation WHO aus dem ICD-Katalog gestrichen worden, wird also offiziell nicht mehr als Krankheit eingestuft. In immer mehr Ländern der Welt wird die gleichgeschlechtliche Ehe anerkannt, auch in der Bundesrepublik. Schwule Minister repräsentieren Deutschland. Im Genfer Gelöbnis des Weltärztebundes steht geschrieben: „Ich werde nicht zulassen, dass Erwägungen von Alter, Krankheit oder Behinderung, Glaube, ethnischer Herkunft, Geschlecht, Staatsangehörigkeit, politischer Zugehörigkeit, Rasse, sexueller Orientierung, sozialer Stellung oder jeglicher anderer Faktoren zwischen meine Pflichten und meine Patientin oder meinen Patienten treten.“

Vor diesem Grund erscheint es als grotesker Anachronismus, wenn praktizierende Ärzte in Deutschland Homosexualität heilen wollen. Auf seiner Webseite räumt der „Bund der katholischen Ärzte“ (BKÄ) zwar ein, dass Homosexualität keine Krankheit sei. Es handele sich jedoch um eine „Störung in der Entwicklungsphase, deren Folgezustand behandlungswürdig“ sei. Nicht krank zu sein bedeute keinesfalls gesund, ungefährdet oder nicht fremdgefährdend zu sein, heißt es weiter. Vor dieser „Störung“ müsse „aus gesundheitlichen und moralischen Gründen gewarnt werden“.

Schuld ist die Syphilis
Der BKÄ geht davon aus, Homosexualität sei eine Folge einer Belastung des Erbguts durch nicht ausgeheilte Infektionskrankheiten wie Syphilis bei den Vorfahren:

„Wichtig ist uns der Hinweis auf die Hypothese, dass eine gestörte epigenetische Vererbung von Toxinen einer Syphilisinfektion der Ahnen derartige körperliche und Denk- und Verhaltensweisen verursachen kann“, heißt es wörtlich.

Nach angeblich zahlreichen Hilferufen von Betroffenen aus dem In- und Ausland hat der BKÄ 2011 eigens einen „Arbeitskreis Homosexualität“ gegründet, um umfassend über das „Problem“ und dessen „Behandlung“ zu informieren.

„Heilmethoden“ gegen Homosexualität
Niemand müsse seine falsche, unnatürliche Sexualität mit Absicht oder in fatalistischer Weise annehmen. Weder Ärzte noch Geistliche dürften diese Entscheidungsfreiheit zur „Sünde“ und zum „Fehlverhalten“ geben. Laut dem 2004 gegründeten BKÄ unter der Leitung des Arztes Dr. Gero Winkelmann, der in Unterhaching eine homöopathische Privatpraxis führt, gebe es Hoffnung für leidende, änderungswillige Homosexuelle und deren Angehörige. Die sexuellen Neigungen könnten durch religiöse, psychotherapeutische und medizinisch-homöopathische Methoden behandelt werden.

Auf psychologischer Ebene stecke hinter der Homosexualität eine Psychodynamik aus distanzierter Vater-Beziehung und belastender Mutter-Beziehung. Diese seelischen Traumata könnten mittels einer „reparativen Therapie“ nochmals durchlebt und dann geheilt werden, versichert der BKÄ. Ein segensreicher Baustein in der Behandlung und Veränderung von homosexuellen Neigungen sei außerdem eine geistliche, religiöse Seelsorge für unter ihren homoerotischen Empfindungen leidende Menschen. Das sagt eine Vereinigung, die nach eigenen Angaben zum Auftrag aus dem Evangelium an die Apostel steht, der da heißt: „Heilt Kranke, treibt Dämonen aus, macht Aussätzige rein.“

Homophobe Globuli
Und dann gibt es noch die Homöopathie (keinesfalls zur Selbstbehandlung, dafür aber zum selbst bezahlen). Nach einer homöopathischen Erst-Anamnese komme die Grundbehandlung. Diese bestehe aus der „Ausleitung und Vorbereitung des Bindegewebes“ mittels Sulfur und der anschließenden „Entgiftung von Folgen alter Infektionskrankheiten“ mittels Nosoden. Die „spezielle Therapie des eigentlichen Übels“ erfolge dann durch die Gabe des „Simile“ und Konstitutionstherapie.

Seine Aktivitäten haben dem BKÄ 2011 eine Beschwerde des Grünen-Bundestagsabgeordneten Volker Beck bei der Bundesärztekammer eingebracht. Diese distanzierte sich vom BKÄ mit der Begründung, es sei völlig abwegig, Homosexualität behandeln zu wolle. Die Bundesärztekammer habe im Gegenteil immer das „Grund- und Menschenrecht betont, dass die sexuelle Orientierung Ausdruck der Persönlichkeit ist und nicht zu Diskriminierung bzw. Stigmatisierung von Menschen führen darf“.

Katholische Kritik am BKÄ
Auch von der katholischen Kirche gibt es Gegenwind. So empört sich der BKÄ beispielsweise über die Aussagen des Trierer Bischofs Stefan Ackermann, der bei einer Podiumsdiskussion über Homosexualität gesagt habe, die katholische Kirche bezeichne Homosexualität nicht als Krankheit, jeder müsse seine sexuelle Identität annehmen und Gruppen, die Homosexualität heilen wollten, täten das nicht im amtlichen Auftrag.

Allianz der Irrationalen
Nachdem der BKÄ in den letzten Jahren in seiner Webpräsenz eher inaktiv war und von Manchen bereits totgesagt wurde, verweist ein aktueller Artikel des Humanistischen Pressedienstes mit Sorge darauf, dass der Bund katholischer Ärzte und vor allem sein Leiter Dr. Gero Winkelmann derzeit wieder verstärkt durch die sozialen Medien geistern.

„Zwei Glaubenssysteme jenseits der Rationalität gehen eine unheilige Allianz ein: Religiös motivierte Homophobie und im Vorwissenschaftlichen wurzelnde Homöopathie. Ist dies verwunderlich? Angesichts der Schnittmengen beider Systeme im Irrationalen im Grunde nicht“, schreibt der Humanistische Pressedienst.

Strafrechtliche Maßnahmen habe es gegen den BKÄ bisher nicht gegeben. Auch eine offizielle Distanzierung des Zentralvereins homöopathischer Ärzte bleibe demnach bis heute aus.

sputniknews


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