So bizarr rächt Thailand zwei ermordete Touristen

  25 Dezember 2015    Gelesen: 920
So bizarr rächt Thailand zwei ermordete Touristen
Heiligabend hat Thailand zwei Wanderarbeiter zum Tode verurteilt. Sie sollen Touristen vergewaltigt und mit einer Hacke erschlagen haben. Doch das Geständnis kam mit zweifelhaften Methoden zustande.
Der Richter auf Thailands Ferieninsel Koh Samui hat seine Schuldigen gefunden: Für den brutalen Mord an zwei britischen Rucksacktouristen im September 2014 auf der Nachbarinsel Koh Tao müssen zwei junge Gastarbeiter nun den Kopf hinhalten. Das Gericht erklärte sie in allen Anklagepunkten für schuldig – den beiden 22-Jährigen droht die Hinrichtung.

Am Heiligen Abend, während die westliche Welt sich auf das Weihnachtsfest vorbereitete, warteten die zwei Birmanen Zaw Lin und Win Zaw Htun auf die Entscheidung über ihr Schicksal. Ihnen wird angelastet, die beiden jungen Briten David M., 24, und Hannah W., 23, mit einer Gartenhacke erschlagen zu haben.

Die beiden Opfer hatten sich spätabends am Strand zu einem Stelldichein getroffen und waren wohl gerade auf dem Weg zu ihren Bungalows, als sie attackiert wurden. David M. wurde mit einem Hieb niedergestreckt und lag im seichten Wasser, die hübsche blonde Engländerin war noch vergewaltigt worden, bevor sie ebenfalls ermordet wurde.

"Meine Mandanten sind nichts als Sündenböcke!", darauf beharrte der Anwalt der Angeklagten bis zuletzt. Und mehrere Menschenrechtsorganisationen sind seiner Meinung. Es wird erwartet, dass die Angeklagten das Todesurteil anfechten.

Berichten zufolge sind die beiden Verdächtigen bei ihrer Vernehmung gefoltert und geschlagen worden, um Geständnisse zu erzwingen. Thailand bestreitet diese Behauptungen, doch sie haben sich hartnäckig gehalten.

Menschenrechtsaktivisten kritisieren "schlampige" Polizeiarbeit

Die Beweisführung der Ermittler beruht vor allem auf DNS: Zigarettenstummel waren gefunden worden, auf denen angeblich der Speichel der beiden Männer und der der Opfer erkannt wurde. Doch Kritiker sagen, die Tests seien nicht systematisch durchgeführt worden. Zwischendurch hatte die Polizei sogar behauptet, ihre Proben seien alle aufgebraucht. Auch fand sich auf der Tatwaffe, einer schweren Gartenhacke, nicht die DNS der beiden Verhafteten.

Die Polizei, so kritisieren die Menschenrechtsaktivisten weiter, habe von Anfang an schlampig gearbeitet und keine internationalen Standards erfüllt. Sie hätte nach dem Doppelmord zum Beispiel viel zu lange damit gewartet, die Insel Koh Tao abzuriegeln, sodass der wahre Täter längst über alle Berge hätte sein können, als die Ermittlungen losgingen.

Die Beamten hatten Bilder aus Überwachungskameras gezeigt, angeblich mit dem ermordeten Paar, doch später hatte sich herausgestellt, dass ganz andere Personen auf dem Video zu sehen waren.

Dann hatte die Polizei verbreitet, es sei ein Verbrechen aus Leidenschaft gewesen, Eifersucht hätte den Killer zur Raserei getrieben. Zwei Freunde von David M. wurden öffentlich beschuldigt. Doch auch sie mussten bald darauf für unschuldig erklärt werden. Also suchten die Ermittler nach anderen potenziellen Schuldigen – und stürzten sich auf die große Gruppe birmanischer Arbeitsmigranten, die auf Koh Tao beschäftigt ist.

Polizei veranstaltete bizarres Rollenspiel mit Angeklagten

Die beiden Arbeiter aus dem Nachbarland waren erst zwei Wochen später verhaftet worden, nachdem der Druck auf die Polizei, endlich Ergebnisse vorzuweisen, immer größer geworden war. Bei ihrer Vernehmung waren zunächst weder Anwälte noch professionelle Dolmetscher anwesend gewesen.

Die beiden 22-Jährigen hatten Dokumente unterschreiben müssen, die sie nicht einmal verstanden. Und so hatte die Polizei plötzlich zwei Geständnisse aus dem Hut gezaubert, doch die beiden Angeklagten hatten diese später wieder zurückgezogen: Sie seien unter Druck entstanden.

Nachdem sie die Geständnisse in der Tasche hatte, veranstaltete die Polizei auf Koh Tao vor Journalisten ein bizarres Rollenspiel mit den Angeklagten, um die Bluttat nachzustellen und die internationale Gemeinschaft mit ihren Ermittlungserfolgen zu beeindrucken.

Doch der Plan ging nach hinten los: Die mutmaßlichen Täter brauchten immer wieder Anweisungen und blickten ratlos zu den Polizisten, weil ihnen ihre Rolle offenbar nicht recht klar war.

In Thailands Paradies-Image passt kein blutiger Mord

Trotzdem: Polizeichef Somyot Pumpunmuang erklärte immer wieder öffentlich, seine Leute hätten einen "perfekten Job gemacht". Thailand hat einen Ruf zu verlieren. In das Bild des exotischen Königreichs in den Tropen voller goldener Tempel, schneeweißer Strände und sanfter Buddhisten passt ein blutiger Mord nicht hinein. Und so musste die Akte so schnell wie möglich geschlossen werden, damit die Welt den Gräuel vergessen kann und wieder fleißig Flüge bucht.

Um das Image zu schützen, hatte ein leitender Polizeibeamter auch schon sehr früh gegenüber Journalisten erklärt, die Schuldigen könnten unmöglich Thailänder gewesen sein: "Kein Thai könnte je solch ein Verbrechen begehen!" Er vergaß dabei den Mord an einer anderen Britin, Katherin H., die 2006 erwiesenermaßen von zwei thailändischen Fischern umgebracht worden war.

Der Koh-Tao-Prozess war schnell durchgezogen worden: Er begann im Juli, und die letzte Anhörung fand im vergangenen Oktober statt, nach nur 21 Verhandlungstagen. In thailändischen Gerichten ist es verboten, Aufnahmen zu machen oder mitzuschreiben, und so gibt es keine Details aus der Urteilsverkündung.

Ausländische Arbeiter sind Sündenböcke

Htoo Chit, Gründer einer birmanischen Nichtregierungsorganisation, die sich unter anderem um die Rechte von Gastarbeitern kümmert, hatte lange geglaubt, die beiden Angeklagten könnten optimistisch sein, denn sie hätten das Verbrechen nicht begangen, und die thailändischen Behörden hätten keine stichhaltigen Beweise gegen sie in der Hand.

Doch ausländische Arbeiter, die in den Urlaubszentren niedrige Dienste für geringen Lohn verrichten, werden in Thailand häufig diskriminiert. Und es wäre auch nicht das erste Mal, dass sie, da sie meistens nicht einmal die Landessprache sprechen und nur wenig zählen in der Gesellschaft, als Sündenböcke für Verbrechen herhalten müssen.

Sein Htay Sun von Birmas Netzwerk für Arbeitsimmigranten (MWRN) will trotzdem nicht alle Hoffnung aufgeben. Noch vor der Urteilsverkündung hatte er erklärt: "Wir können nicht wissen, wie die Richter entscheiden werden, aber wir haben für die beiden Angeklagten starke Argumente zusammengetragen." Und überhaupt: "Die Verliererseite kann gegen das Urteil Berufung einlegen. Das kann sich über Jahre hinziehen. Erst wenn der Fall vor dem Obersten Gerichtshof verhandelt wurde, wird er zu Ende sein."

Militärchef: Hübsche Frauen in Bikini sind selbst schuld

Thailands Image als Urlaubsparadies hat aber nicht nur unter dem Eindruck dieses Doppelmordes am Ferienstrand gelitten. Nach der Tat hatte der Chef der Militärregierung, Prayuth Chan-ocha, mit einer besonders geschmacklosen Bemerkung für Schlagzeilen gesorgt und womöglich auch manche Reiselustigen abgeschreckt.

Er hatte in einer Fernsehrede erklärt, Touristen brächten sich durch ihre freizügige Bekleidung selbst in Gefahr. Die Urlauber "denken, unser Land ist wunderschön und sicher, deshalb könnten sie machen, was sie wollen, und überall im Bikini herumlaufen."

Und dann setzte Prayuth sogar noch eins drauf: Gefahr gelte natürlich nur für hübsche Frauen. Er hatte diese letzte Bemerkung zwar offenbar scherzhaft gemeint, aber sein Witz kam international gar nicht gut an.

Die Insel Koh Tao – Schildkröteninsel – war früher einmal eine Strafkolonie. Heute aber ist sie ein Treffpunkt für Taucher bei Tage und Schauplatz rauschender Beachpartys bei Nacht. Auf einer dieser Partys hatten sich Hannah W. und David M. offenbar kennengelernt. Es sollte mehr daraus werden, doch ihnen blieb keine Zeit.

Tags:


Newsticker