Ein Sprengsatz namens Trump

  11 Juli 2018    Gelesen: 1490
Ein Sprengsatz namens Trump

Im Nato-Hauptquartier steigt die Anspannung - weil sich Donald Trump zum Gipfel-Besuch angekündigt hat. Droht ein Eklat wie 2017 oder zuletzt beim G7-Treffen? Ein Ziel könnte die deutsche Delegation werden.

 

Wer Kay Bailey Hutchison zuhört, könnte meinen, dass in der Nato Harmonie pur herrscht. "Die Stärke und Einigkeit der Allianz war noch nie so stark", sagte die Nato-Botschafterin der USA vor dem mit Spannung erwarteten Gipfel des Verteidigungsbündnisses. Die Allianz habe ihre Abschreckungsfähigkeit und den Kampf gegen den Terrorismus verstärkt, und auch bei der Erhöhung der Verteidigungsbudgets gebe es "tolle Fortschritte". "Wir sind alle aufgeregt vor diesem großartigen Gipfel", flötete Hutchison am Dienstag in einer Telefonkonferenz mit Journalisten. "Wir haben viel zu feiern."


Von Feierlaune aber ist im Brüsseler Hauptquartier wenig zu spüren. Vielmehr herrscht nackte Angst davor, dass es beim Gipfel am Mittwoch und Donnerstag erneut zum Eklat kommt. Die Erinnerung an die Nato-Premiere von US-Präsident Donald Trump im Mai 2017 ist noch frisch. Der Präsident putzte damals vor laufenden Kameras die hinter ihm stehenden Staats- und Regierungschefs dafür herunter, dass sie zu wenig für ihr Militär ausgeben.

Dieses Mal haben die Planer zwar sichergestellt, dass sich eine solche Szene nicht wiederholt: Eine Rede soll nur Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg halten, sonst niemand. Und die 34-seitige Abschlusserklärung des Gipfels stellten Diplomaten schon am Wochenende zusammen, auch die USA stimmten der letzten Version zu. So will man vermeiden, dass Trump die Erklärung noch auf dem Treffen torpediert.

Trump: Treffen mit Putin von allen das leichteste

Doch am Ende könnte es noch schlimmer kommen als 2017. Der Albtraum der Europäer geht so: Trump lässt den Nato-Gipfel krachend scheitern, brüskiert am Freitag in Großbritannien Regierung und Queen und feiert am Montag sein Treffen mit Russlands Präsident Wladimir Putin in Helsinki als rauschenden Erfolg. Trump höchstpersönlich lieferte diesen Ängsten am Dienstag neue Nahrung: Von allen drei Terminen könnte der mit Putin "der leichteste sein", sagte der US-Präsident vor seinem Abflug nach Europa.

Kurz zuvor hatte er eine Twitter-Tirade über den Atlantik geschickt. Die USA gäben viel mehr als andere Länder aus, um diese zu beschützen. "Nicht fair gegenüber dem US-Steuerzahler", schimpfte Trump. "Die Nato-Länder müssen MEHR, die Vereinigten Staaten WENIGER zahlen." Außerdem "verlieren" die USA 151 Milliarden Dollar beim Handel mit der EU, und die traktiere die USA auch noch mit Zöllen und Handelsbarrieren. Wer gehofft hatte, Trump würde die vielen transatlantischen Streitthemen nicht miteinander vermischen, muss spätestens jetzt umdenken.

Zu allem Überfluss veröffentlichte die Nato am Dienstag auch noch Zahlen, laut denen nur fünf der 29 Mitgliedstaaten das Ziel erreichen, zwei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für die Verteidigung auszugeben: Neben den USA mit 3,5 Prozent sind dies Griechenland (2,27 Prozent), Estland (2,14 Prozent), Großbritannien (2,10 Prozent) und Lettland (2 Prozent). Deutschlands Quote verharrt dagegen bei mageren 1,24 Prozent. Zwar stiegen die deutschen Ausgaben in diesem Jahr real um 1,5 auf 41,91 Milliarden Euro. Da zugleich aber auch die Wirtschaftsleistung stieg, ist der BIP-Anteil derselbe wie 2017. Auch 2019 soll die Quote nur auf 1,31 Prozent klettern.

"Wir werden sicher eine Zielscheibe sein"

Zwar hat Kanzlerin Angela Merkel bis 2024 eine Steigerung auf 1,5 Prozent versprochen. Das aber läge immer noch deutlich unter jenen zwei Prozent, welche die Nato-Staaten auf dem Gipfel von Wales 2014 anvisierten - und die Trump vehement einfordert. "Wir werden sicher eine Zielscheibe sein", sagt ein Berliner Beamter, "dafür hat Trump sich schon zu sehr warmgeschossen." Folglich rechnete man in Berlin mit harschen öffentlichen Statements oder abfälligen Gesten gegenüber Merkel.

Wie gereizt die Stimmung auf dem Gipfel wird, lies der sonst eher stoische und auf Harmonie gepolte Generalsekretär Jens Stoltenberg am Tag vor dem Treffen deutlich erkennen. "Es gibt deutliche Meinungsunterschiede, und ich erwarte direkte und offene Diskussionen", so der Nato-Chef. Gut eine Stunde redete Stoltenberg, fast in jedem Satz kam das Wort Diskussionen, Differenzen und Meinungsunterschiede vor. Stoltenberg blieb nicht viel mehr übrig als immer wieder zu betonen, dass solcher Zoff ganz normal in einer Allianz sei - eine Art Ehestreit um die Haushaltskasse.

Immerhin: Für Deutschland liest sich das Gipfel-Dokument halbwegs schmerzfrei. Zwar wird auf einer guten halben Seite des Papiers klargemacht, dass alle Nato-Staaten, die das Zwei-Prozent-Ziel noch nicht erreicht haben, sich noch mehr anstrengen müssen. In dem Teil des Kommuniqués, der dem SPIEGEL vorliegt, heißt es, dass man sich bemühen werde, die beim Gipfel 2014 in Wales erklärten Ziele zu erreichen. Eine harte Verpflichtung zum Zwei-Prozent-Ziel haben die USA demnach nicht durchdrücken können.

Putin-Treffen steigert Gefahr für Entgleisungen

Auch eine Nennung einzelner Staaten oder direkte Angriffe auf Berlin konnte man mühsam aus dem Dokument heraushalten. Nun bleibt nur noch die Hoffnung, dass Trump die vereinbarte Version auf dem Gipfel nicht noch einmal angeht - oder, ähnlich wie beim G7-Gipfel in Kanada, kurz nach dem Treffen einfach in der Luft zerreißt.

Das Treffen mit Putin könnte diese Gefahr noch erhöhen. Als Grund für den G7-Eklat wurde kolportiert, dass Kanadas Premier Justin Trudeau kurz nach Trumps Abreise Vergeltungszölle gegen die USA ankündigte. Trump, so hieß es, habe befürchtet, unmittelbar vor seinem Treffen mit Nordkoreas Diktator Kim Jong Un schwach zu wirken - und sich deshalb von der G7-Erklärung zurückgezogen. Nun wartet Kremlchef Putin auf Trump, da dürfte der US-Präsident noch mehr interessiert sein, Stärke und Entschlossenheit zur Schau zu stellen.

 

Trump solle bei seinem Treffen mit Putin daran denken, wie sehr Europa nach den 9/11-Terroranschlägen an der Seite der USA gestanden hätten, mahnte EU-Ratspräsident Donald Tusk. "Es ist immer gut zu wissen", sagte der Pole, "wer strategischer Freund ist und wer strategisches Problem ist."

Das war eineinhalb Stunden bevor Trump das Treffen mit Putin als das "leichteste von allen" bezeichnete.

spiegel


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