Den Status einer US-Ikone hat er längst sicher, doch er war nicht der Erste seiner Art: Der Ford Mustang galoppierte schon zwei Jahren lang voraus, da wollte sich General Motors von dem "Pony Car" nicht länger den Schweif zeigen lassen. 1966 brachte der US-amerikanische Konzern den Chevrolet Camaro auf den Markt, und zwar vom Start weg als Cabrio und als Coupé. Der aktuelle Camaro, traditionell mit acht Zylindern, gehört hierzulande zu den Sportwagen, die im Verhältnis zum Preis die höchste Motorleistung bieten.
Da konnten selbst Kleinwagen nicht mithalten: Das Chevrolet-Modell Spark, bis 2014 angeboten, kostete in Deutschland in der einfachsten Ausführung 8990 Euro. Dafür gab es einen Einliter-Motor mit 68 PS. Mach rund 132 Euro je Pferdestärke. Und auch die vermeintliche Sparversion des Camaro-Cabrios, der Zweiliter-Turbo, hat das Nachsehen. Rund 174 Euro sind je PS für die Version mit 8-Gang-Automatik zu entrichten. Die nutzte auch unser Testwagen - für 121 Euro je PS.
Doch es wäre fade, würde ein viersitziges Cabriolet seine Attraktivität nur durch Rechen-Übungen untermauern können. Aufregendes Design, der fette Klang eines großvolumigen Achtzylinders, das Gefühl von Freiheit und Abenteuer, wenn der Fahrtwind über die Köpfe der Insassen braust - das begründet den Kult um diese Fahrzeuggattung, die schließlich auch eine solide Exklusivität garantiert. Nur rund 1000 Camaros werden jährlich in Deutschland neu zugelassen.
Eng geschnittene Sitzmulden
Die mit Stoffmütze laden ein zum Open-Air-Festival auf der Landstraße. Mit einem gemütlich grummelnden V8, der bei entspanntem Tempo kaum 2000 Umdrehungen von der Kurbelwelle verlangt, ist der Nachmittag ebenso erholsam wie im Liegestuhl. Zumindest für jene, die sich die vorderen Plätze per Handtuchmarkierung reserviert haben. Eine Karosserielänge von 4,78 Metern und ein Radstand von 2,81 Metern (neun Zentimeter mehr als im Mustang) sind nämlich kein Garant für Bewegungsfreiheit auf allen vier Plätzen. Die hinteren Sitzmulden haben eher statistischen Wert. Die Beinfreiheit tendiert gegen Null, die Hebevorrichtung für das Verdeck schränkt die Schulterfreiheit ein und die Kopfstützen wurden gleich ganz weggelassen.
Den selbstbewussten Auftritt beherrscht der Camaro dafür besser als sein Ford-Konkurrent. Die aktuelle Ausgabe sucht stilistische Nähe zum Modell von 1969/70, als die erste Generation auslief. Mächtig und kantig steht die Nase im Wind, aus schmalen Scheinwerfergläsern blinzelt das Tagfahrlicht. Von vorn schon extrem bullig und breit, wirken die Radhäuser hinten wie anabolisch ausgepumpter Bizeps und die flache Verdeck-Stoffbahn sieht selbst geschlossen aus, als wolle sie sich wegducken. Außer in Schwarz ist sie für 400 Euro extra übrigens noch in die Tönen Kalahari und Nightshadow Blue zu haben.
Die Sitzposition ist tief, weshalb die unübersichtliche Karosserie nur bei geöffnetem Dach einigermaßen einzuschätzen ist. Ist es geschlossen, kann man sich den Schulterblick sparen. Bei Rangieren hilft die Rückfahrkamera, die beim V8 serienmäßig an Bord ist. Seitenfenster und Regenhaube öffnen und schließen in getrennten Phasen. Ist das Dach in Bewegung, geben die Tasten der elektrischen Fensterheber keine Befehle weiter. Eine manuelle Entriegelung des Verdecks ist nicht nötig, rein elektrisch öffnete es sich beim Testwagen in 19,1 Sekunden, zum Schließen wurden 17,5 Sekunden benötigt. Die Fenster brauchen dann noch einmal 6,5 Sekunden extra. Die Zugluft unter freiem Himmel ist mäßig, zumindest wenn man 100 km/h nicht überschreitet.
Kofferraum schrumpft erheblich
Wer längere Ausflüge plant, muss eine Grundsatzentscheidung treffen: Freiluftvergnügen oder Gepäckmitnahme. Der 40 Zentimeter hohe und bis zu 90 Zentimeter tiefe Kofferraum ist nämlich nur dann für die Aufnahme von Koffern geeignet, wenn die senkrechte Abtrennung fixiert ist, die den Verdeckkasten begrenzt. Die reduziert das mit 208 Litern ohnehin bescheidene verfügbare Volumen auf rund ein Drittel. Pragmatiker werden sich wohl häufiger für die Variante entscheiden, das Verdeck zu öffnen und einen Teil des Reise-Gepäcks auf den Rücksitzen zu lagern. Die Ladekante am Heckdeckel ist mit 89 Zentimetern ohnehin so hoch, dass es nicht dazu einlädt, schweres Ladegut darüber hinweg zu hieven. Zugang von außen verschafft die neue Taste unter dem Markenlogo.
Im Gegensatz zum martialisch anmutenden Äußeren geht es im Innenraum vergleichsweise zurückhaltend zu. Die Spiegelungen im Hauptmonitor, die noch bei früheren Versionen moniert werden mussten, sind nicht mehr zu beklagen, da der Bildschirm jetzt etwas zu den Insassen hin geneigt ist. Die Bedienung ist übersichtlich, die optionalen Recaro-Sitze (Aufpreis 1900 Euro) sind so bequem und seitenstabil, wie es der Name des Herstellers verspricht. Die Serienausstattung umfasst unter anderem Lederpolster, Tempomat, Lenkradheizung, Chevrolet MyLink mit 3D-Navigation, 8-Zoll-Farb-Touchscreen, Bose-Sound-System, Head-Up-Display, Toter-Winkel-Assistent und Spurwechselwarnung, induktive Ladefunktion für Mobiltelefone, konfigurierbare Innenraumbeleuchtung mit 24 Farben und 20-Zoll-Alufelgen.
Der Camaro kann auch genügsam
Der Motor ist das stahlgewordene Aufbegehren gegen den Trend des Downsizings. Satte 6,2 Liter Hubraum lassen aber befürchten, dass die Tanknadel ein ähnliches Tempo an den Tag legt wie der Camaro beim Kickdown. Das ist nicht der Fall. Gemessen am Zylindervolumen und an der schlichten Zweiventil-Technik zu dessen Befüllung zeigte der Testwagen eine erstaunliche Genügsamkeit. Weitgehender Verzicht auf Kurzstreckenverkehr kann dazu führen, dass man 100 Kilometer Strecke mit weniger als zehn Litern schafft. Bei geringer Last legt der Camaro einfach vier Zylinder still. Über den gesamten Testzyklus gönnte sich der Testwagen 12,2 Liter. Dank der immensen Drehzahlreserven sind für 80 Prozent der Verkehrssituationen nur geringe Gaspedalbewegungen nötig. Nur schade, dass die Chance, mit einer Start-Stopp-Automatik noch ein paar Zehntel herauszuholen, nicht genutzt wurde.
Der Sound: Spektakulär erst ab 3000 Touren, bis dahin markant, aber unaufdringlich. Als Boller-Bolide für die Poser-Runde ist er also nur bedingt geeignet. Trotz des teuren Magnetic-Ride-Fahrwerks (plus 2200 Euro) zeigte sich der Wagen anfällig gegen Querrillen, aber auch die 35er-Bereifung an der Hinterachse dürfte ein Quäntchen Fahrkomfort gekostet haben. Dafür zeigte sich der Camaro souverän in schnellen Kurven, hielt Aufbau und Insassen aufrecht, geradezu immun gegen die Einflüsse der Querbeschleunigung. Die enorme Motorlast auf der Vorderachse verlangt eine kräftige Servo-Unterstützung und verhindert eine feinfühligere Lenkung, doch sind spurstabile Richtungswechsel und präzise Manöver kein Problem. Gut dosierbare Bremsen halten das Temperament im Zaum.
Fazit: Nicht Überhol- und Boulevard-Prestige allein sind es, die den Camaro begehrenswert machen. Reichlich Leistung und gehobene Ausstattung bei überschaubaren Kosten versprechen ein Maß an Fahrspaß, das über Defizite bei der Alltagstauglichkeit hinwegsehen lässt. Gäbe es einen technischen Denkmalschutz, der frei atmende V8 gehörte daruntergestellt. Die Bewahrung solcher Kult-Aggregate liegt in der Hand der Kundschaft.
DATENBLATT
Chevrolet Camaro Cabriolet 6.2 V8
Abmessungen (Länge/Breite/Höhe)
4,78 m / 1,88 m / 1,34 m
Radstand
2,81 m
Leergewicht (DIN)
1809 kg
Sitzplätze
2x2
Ladevolumen
208 Liter
Motor
V8-Ottomotor, 6162 ccm, Zylinderabschaltung
Getriebe
8-Gang-Automatik
Systemleistung Verbrennungs- und E-Motor
453 PS (333 kW) bei 5700 U/min
Kraftstoffart
Benzin
Antrieb
Heckantrieb
Höchstgeschwindigkeit
250 km/h
Tankvolumen
72 Liter
max. Drehmoment (Systemleistung)
617 Nm bei 4600 U/min
Beschleunigung 0-100 km/h
4,7 Sekunden
Normverbrauch (kombiniert)
11,5 Liter
Testverbrauch (kombiniert)
12,2 Liter
CO2-Emission kombiniert
260 g/km /EU6b
Grundpreis
54.900 Euro
Preis des Testwagens
60.300 Euro
Quelle: n-tv.de
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