Kroatiens Matchwinner Perisic

  12 Juli 2018    Gelesen: 1180
Kroatiens Matchwinner Perisic

Ein Tor, eine Vorlage: Kroatien hat dank Ivan Perisic das WM-Finale erreicht. Der ehemalige Dortmunder wird im Weltfußball immer noch unterschätzt. Nach dem Spiel musste er eine ungewöhnliche Frage beantworten.

 

Ivan Perisic hat in seinem Fußballerleben schon unzählige Interviews nach Spielen gegeben. In Belgien beim FC Brügge, in der Bundesliga als Spieler von Borussia Dortmund und des VfL Wolfsburg und in Italien bei Inter Mailand. Er kann mit sinnlosen Fragen umgehen, nach dem 2:1-Sieg über England wirkte Kroatiens Mittelfeldspieler dann aber doch überrascht.


Perisic hatte zuvor den revitalisierenden Treffer zum Ausgleich selbst erzielt und in der Verlängerung das Siegtor von Mario Mandzukic vorbereitet. Was lag da näher, als Perisic zum Spieler des Spiels zu küren. Der 29-Jährige war bereit für die bewährten Fragen und Phrasen, doch ein französischer Journalist lockte Perisic mit einer Frage nach seinem Verhältnis zum Finalgegner Frankreich und der Hühnerfarm seiner Eltern aus der Reserve. "Niemand könnte glücklicher sein als ich, gegen Frankreich im Finale zu spielen", sagte Perisic, wies den anderen Teil der Frage aber zurück, dieses Kapitel sei schwierig und er wolle nicht darüber sprechen.

Von Split nach Sochaux

Ob Perisic auch ohne besagte Hühnerfarm im WM-Finale stehen würde, ist schwer zu beantworten. Allerdings ebnete sie ihm, auf persönlich eher problematische Art und Weise, den Weg in den europäischen Spitzenfußball. Im Alter von 17 Jahren wechselte Perisic von seinem Heimatklub Hajduk Split zum FC Sochaux in Frankreich, weil die Franzosen ihn wollten, aber auch weil sein Vater ihn darum bat. Die Hühnerfarm steckte in finanziellen Schwierigkeiten und die Familie hoffte mit dem Gehalt aus dem ersten Profivertrag auf Besserung.

In Sochaux bekam Perisic zwar keine Chance im Profiteam, die persönliche Entwicklung schritt im Ausland aber erheblich voran. Und so wurde er bei jeder seiner folgenden Stationen besser, mittlerweile gilt er als einer der vielseitigsten Mittelfeldspieler der Welt - auch für den SPIEGEL ist Perisic ein Alleskönner.

In der öffentlichen Wahrnehmung wird der beidfüßige Offensivspieler dagegen eher unterschätzt, obwohl er dribbeln und flanken kann, über einen sehr guten Torabschluss verfügt, aber auch wichtige Laufwege in der Defensive macht. Gegen England war Perisic einer der wenigen Kroaten, der schon vor seinem Treffer zum 1:1 in Normalform aufspielte und nicht - wie beispielsweise der höher eingeschätzte Ivan Rakitic - die Müdigkeit aus zwei kräftezehrenden Verlängerungen gegen Dänemark und Russland zur Schau trug.

Perisic bringt die Wende

Am Ende verdiente sich Perisic das viele Lob nicht nur durch sein Tor und seine Vorlage. Er war mit Abstand der effektivste kroatische Spieler. Er schoss siebenmal auf das englische Tor, bereitete vier Abschlüsse vor, schlug neun Flanken und gewann fast jeden zweiten Zweikampf.

Entscheidend für die Wende in diesem Halbfinale, das England 68 Minuten lang souverän beherrscht hatte, war aber Perisics Entschlossenheit vor dem Tor. Die Flanke von Sime Vrsaljko war weder besser noch schlechter als die meisten der insgesamt 37 Hereingaben aus dem Spiel heraus, aber Perisic ging mit dem Willen, dieses Tor erzielen zu wollen, in den Zweikampf mit Kyle Walker. Der Kroate riss den Fuß nach oben, missachtete mit seinem hohen Bein die Gefahr des gefährlichen Spiels und ließ Torwart Jordan Pickford aus kurzer Distanz keine Abwehrchance. "In der Pause habe ich den Spielern gesagt, bleibt ruhig, verliert nicht den Kopf - und unsere Chancen werden kommen", sagte Kroatiens Trainer Zlatko Dalic, der Glaube an diese Worte hat auch Mandzukic bei Laune gehalten. Der Stürmer war lange Zeit nicht ins Spiel eingebunden, wurde höchstens mal in Kopfballduelle verwickelt. Doch als er in der 83. Minute dann zum ersten Mal das Tor anvisieren durfte, war der Glaube auch bei Mandzukic zurück. "Dreimal eine Verlängerung zu überstehen und ins Finale einzuziehen, erzählt alles über das Team", sagte auch Englands Trainer Gareth Southgate, der von wahren "Kriegern" sprach.

spiegel


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