Fast zwei Dutzend israelische Mossad-Agenten kamen in der Nacht des 31. Januar nach Teheran. Ihr Ziel: ein unscheinbares Lagerhaus in einem Gewerbegebiet, das der israelische Auslandsgeheimdienst ein Jahr lang observiert hatte.
Nach Angaben von Premier Benjamin Netanyahu erbeuteten die Spione rund 55.000 Aktenseiten und über hundert CD-Datenträger - das sogenannte Atom-Archiv der Islamischen Republik, des Erzfeinds Israels.
Die Archivinhalte belegen nach israelischen Angaben, dass Iran seine Pläne, eine Atombombe zu bauen, nie aufgegeben hat. Stattdessen soll das Land die Dokumente und Unterlagen zur Entwicklung von Atomwaffen versteckt haben, um sie zu einem späteren Zeitpunkt zu nutzen. Die Aktion gilt als ein Grund dafür, dass US-Präsident Donald Trump den internationalen Atom-Deal mit Iran Anfang Mai einseitig aufkündigte.
Nun haben die israelischen Sicherheitsbehörden Reportern der "New York Times", der "Washington Post" und des "Wall Street Journals" erstmals Zugang zu ausgewählten Dokumenten gegeben, die im Schnitt 15 Jahre alt sein sollen, und weitere Einzelheiten über den Einsatz preisgegeben.
Tresore mit Spezial-Brennschneidern aufgeschweißt
Die Agenten wussten demnach genau, was sie suchten: 32 in Iran hergestellte Tresore. Die Israelis sollen gegen 22.30 Uhr an der Lagerhalle eingetroffen sein und dort mit speziellen Brennschneidegeräten mit mindestens 3600 Grad Hitze einige Tresore geöffnet haben, die zuvor auf der Basis von Geheimdienstinformationen bestimmt worden seien. Diese Auswahl im Vorfeld deutet daraufhin, dass Israel Insiderwissen hatte, möglicherweise von iranischen Überläufern oder aber auch von befreundeten Geheimdiensten.
Für die von Mossad-Chef Yossi Cohen befehligte Aktion brauchten die Agenten nach eigenen Angaben sechs Stunden und 29 Minuten - also bis 5 Uhr am nächsten Morgen. Zwei Stunden später kam der Morgenwächter routinemäßig zu seiner Frühschicht, so der Bericht der "New York Times". Nachdem er die geöffneten Türen und aufgeschweißten Panzerschränke entdeckt habe, soll er Alarm ausgelöst und die iranischen Behörden eine landesweite Suchaktion begonnen haben. Vergeblich.
Wie die israelischen Agenten mit der halben Tonne geheimen Material außer Landes gelangen konnten - ob auf dem Landweg, mit dem Flugzeug oder in einem Boot -, bleibt weiter unklar. Am einfachsten, so die "New York Times", wäre wohl die Flucht über das Wasser gewesen - einige Stunden Fahrt von der Hauptstadt entfernt liegt das Kaspische Meer und an dessen Küste ebenfalls die schiitische Ex-Sowjetrepublik Aserbaidschan, mit der Israel seit Jahren beste Sicherheitsbeziehungen unterhält.
Veröffentlichung kurz vor Trump-Putin-Treffen
Aus den Akten, die der Mossad erbeutet haben will, gehe nun unter anderem hervor, so heißt es in den Zeitungsberichten, dass Iran bei seinem Atomprogramm Hilfe von außen erhalten habe. Namentlich nennt die "New York Times" die Atommacht Pakistan. Außerdem sollen weitere Nichtiraner an dem Atom-Projekt mitgearbeitet haben, offen ist, ob mit dem Wissen ihrer jeweiligen Regierungen oder nicht.
Dass Israel nun einigen wenigen Journalisten die angeblichen Dokumente präsentiert hat, dürfte kein Zufall sein. Zwar hat Trump den Atom-Deal bereits aufgekündigt, aber das Regime in Teheran ist gegen den Willen Israels weiterhin massiv mit Militärberatern in Syrien präsent.
Genau darüber wollen der US-Präsident und sein russischer Amtskollege Wladimir Putin unter anderem bei ihrem ersten offiziellen bilateralen Treffen am Montag in der finnischen Hauptstadt Helsinki sprechen.
spiegel
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