Eskapaden von Tesla-Chef Elon Musk

  17 Juli 2018    Gelesen: 1180
Eskapaden von Tesla-Chef Elon Musk

Mit maximaler Anstrengung hat Tesla sein Produktionsziel vorläufig geschafft. Doch die Unbeherrschtheit von Gründer Elon Musk bringt den Elektroautobauer immer wieder in Schwierigkeiten. Ist der Chef noch der Richtige?

 

Er hat seine Kleidung fünf Tage lang nicht gewechselt, auf dem Boden der Produktionshalle geschlafen und in der Hitze der Lackiererei mit angepackt. Am Ende hat Elon Musk der Welt bewiesen, dass er halten kann, was er verspricht: Anfang Juli hat Tesla zum ersten Mal sein wöchentliches Produktionsziel von 5000 Model 3 Elektroautos erreicht. Und trotzdem weiß der Silicon-Valley-Star Musk, dass er es nicht geschafft hat. "Ich habe das Gefühl, dass wir noch mit einem Bein in der Hölle stehen", sagte er im Interview mit "Bloomberg Businessweek".

Dabei liefen die vergangenen Wochen aus Sicht von Tesla ziemlich rund. Nicht nur, dass die Kritik der Investoren an den überzogenen Versprechungen der vergangenen Jahre mit dem Erreichen der Zielmarke erst einmal verstummt ist. Für das dritte und vierte Quartal rechne man mit einem Gewinn, hat das Unternehmen erklärt, und als nächstes wolle man die wöchentliche Produktion auf 6000 Stück wöchentlich hochfahren. "Ich denke, wir sind gerade zum einem echten Autounternehmen geworden", jubelte Musk in einem Memo an die knapp 40.000 Beschäftigten, die teils in Zehn- bis Zwölf-Stunden-Schichten sechs Tage pro Woche in dem Montage-Zelt geschuftet hatten, das Musk neben der Fabrik in Kalifornien hatte hochziehen lassen.

Kurz darauf saß der Tech-Milliardär im Flugzeug nach Shanghai, wo er den Vertrag für den Bau eines Werks unterschrieb, in der einmal jährlich 500.000 Tesla gebaut werden sollen. Auch in China will der amerikanische Vorzeigeerfinder etwas Neues versuchen: Tesla wird der erste ausländische Autobauer sein, der sich ohne Kooperation mit einem lokalen Partner ins Land wagt. Die Regierung in Peking hat angekündigt, den bisher bestehenden Zwang zum Joint-Venture aufzuheben.

Twitter als "offene Kampfarena"

Musk hätte also allen Grund, nach drei Monaten in der "Produktionshölle" erst einmal durchzuatmen. Stattdessen scheint der Mann, der auf der Forbes-Liste der mächtigsten Menschen der Welt auf Platz 25 rangiert, entschlossen, sich in möglichst kurzer Zeit möglichst viel Ärger einzuhandeln.

Ob es eine gute Idee war, sich in die Rettungsaktion für die in einer Höhle eingeschlossene thailändische Fußball-Jugendmannschaft einzuschalten, darüber kann man streiten. Das Mini-U-Boot, das Musk mitbrachte, wurde nicht gebraucht, und sein verbaler Schlagabtausch mit den realen Rettern auf Twitter kam nicht gut an. Die "Washington Post" warf Musk vor, den "viralen Touristen" erfunden zu haben, "den Möchtegern-Retter, der in die Erzählung eingeht, egal ob er wirklich geholfen hat oder nicht". Als Musk dann auch noch einen der Taucher, der ihm PR-Motive vorgeworfen hatte, als "Pädo", als Phädophilen, beschimpfte, wurde es auch vielen gutmeinenden Followern zu viel. Den beleidigenden Tweet hat er inzwischen gelöscht.

Es ist nicht so, als wüsste der Unternehmer nicht, dass er ein Kommunikationsproblem hat. Er habe fälschlicherweise angenommen, dass Twitter eine offene Kampfarena sei, sagte er "Bloomberg". "Das ist mein Fehler. Ich werde das korrigieren." Dann ließ er seine unkontrollierte Twitter-Attacke gegen den britischen Taucher los. Die Aktie des Tech-Konzerns, der zwar bislang keinen Gewinn gemacht hat, beim Börsenwert aber mit dem Autogiganten General Motors wetteifert, verlor daraufhin 3,6 Prozent.

50 Manager in 24 Monaten

Aber Musk beschränkt seine Wutausbrüche nicht auf die sozialen Medien. Über vermeintlich dumme Fragen von Finanzanalysten regt er sich genauso auf wie über Journalisten, die an seinen großen Plänen zweifeln. Er hat sich mit Investoren, Gewerkschaften und sogar staatlichen Sicherheitskontrolleuren angelegt. Und der Führungsstil des 47-Jährigen Vaters von fünf Söhnen, der Mitarbeiter nachts mit E-Mails bombardiert, ist umstritten. Mindestens 50 hochrangige Manager sollen in den vergangenen 24 Monaten das Unternehmen verlassen haben. Zuletzt ging Chefingenieur Doug Field.

Die Geldgeber des Unternehmens stellt das selbst erzeugte Chaos auf eine harte Probe. "Wir sind große Unterstützer, aber wir würden uns in der jetzigen Phase Frieden und Umsetzung wünschen", sagte James Anderson, Partner des viertgrößten Tesla-Aktionärs Baillie Gifford & Co "Bloomberg Television". Musk, der als Aprilscherz auch schon mal die Pleite des eigenen Unternehmens bekanntgab, muss erst noch zeigen, dass er den Sprung vom genialischen Start-up-Gründer zum Chef eines etablierten Konzerns schafft. Ohne seinen überbordenden Optimismus wäre er wohl nie so weit gekommen. Aber in Quartalsberichten haben Visionen keinen Platz.

Mehrfach habe er Teslas Zukunft aufs Spiel gesetzt, erzählte Musk im Interview. "Es gab drei Situationen, in denen der Einsatz die Existenz des Unternehmens war." Das erste Mal bei der Entwicklung des Roadster, dann kam mit dem Model S die teure Ausweitung der Produktion von 600 auf 20.000 Stück pro Jahr und schließlich das Model 3, das mit Preisen ab 29.000 Euro den Einstieg in die Massenproduktion bringen soll. "Im Prinzip glaube ich, dass Model 3 das letzte Mal war, dass das Unternehmen der Einsatz war", verspricht Musk.

Manch einer allerdings bezweifelt, dass Musk der Richtige ist, um Tesla auf Kurs zu halten. Das "Wall Street Journal" empfiehlt dem Unternehmen gar, GM-Chefin Mary Barra abzuwerben. "Tesla braucht jemanden, der Erfahrung darin hat, einen Industriekonzern durch Krisen zu steuern und auf dramatische Veränderungen vorzubereiten", glaubt der Auto-Chefkorrespondent der Zeitung.

Ein Problem immerhin hat Tesla vorläufig nicht: sich die Käufer suchen zu müssen. 420.000 Kunden haben 1000 Dollar angezahlt, um einen Model-3-Wagen zu reservieren. Die meisten von ihnen werden wohl noch lange auf die Auslieferung warten müssen.

spiegel


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