Darum ist es nötig, Hitlers Machwerk „Mein Kampf“ neu zu publizieren

  26 Dezember 2015    Gelesen: 725
Darum ist es nötig, Hitlers Machwerk „Mein Kampf“ neu zu publizieren
Im Januar kommt Adolf Hitlers „Mein Kampf“ als Neuausgabe in den Buchhandel. Das wird zu Recht kontrovers diskutiert. Aber es sei auch bitter nötig, sagt Andreas Wirsching, der an der Neueditierung mitgearbeitet hat.
Das Institut für Zeitgeschichte legt im Januar 2016 eine kritische Edition von Adolf Hitlers „Mein Kampf“ in zwei umfangreichen Bänden vor. Diese wissenschaftliche Edition wurde nicht zuletzt deshalb notwendig, weil der Text nach dem 31. Dezember 2015 - gut 70 Jahre nach Hitlers Tod - gemeinfrei wird. In letzter Zeit entzündeten sich erhebliche öffentliche Debatten an der Frage, wie nach diesem Datum mit diesem brisanten Buch zu verfahren sei.

Weitestgehende Einigkeit besteht jedoch in einem entscheidenden Punkt: Es wäre schlicht unverantwortlich, dieses rassistische Konvolut der Unmenschlichkeit gemeinfrei und kommentarlos vagabundieren zu lassen, ohne ihm eine kritische Referenzausgabe entgegenzustellen, die Text und Autor gewissermaßen in die Schranken weist.

Halbwahrheiten, gezielte Falschinformationen und Lügen enttarnen

Unsere Edition beruht auf dem bestmöglichen wissenschaftlichen Fundament. Soweit es möglich ist, legt sie Hitlers Quellen offen, der tief in der deutschen völkischen Tradition verankert war. Sie machen die in „Mein Kampf“ enthaltene, von Hitler stark geschönte Beschreibung seiner Biografie erkennbar und erläutern die Funktion seiner Selbststilisierung. Von entscheidender Bedeutung ist es, die von Hitler gestreuten Falschinformationen und seine Lügen zu enttarnen, aber auch jene zahllosen Halbwahrheiten kenntlich zu machen, die auf propagandistische Wirkung zielten.

Schließlich weist diese Edition auch darauf hin, in welch vielfältiger Weise Hitlers Gedankenwelt die spätere Regimephase ab 1933 prägte. Keineswegs ist das NS-Regime allein mit Hitler erklärbar, das ist längst bekannt; aber ohne die Person Hitlers, wie sie in „Mein Kampf“ zu Tage tritt, wäre das Regime in all seiner Monstrosität nicht vorstellbar.

Befürchtungen von Holocaust-Überlebenden verdienen Respekt

Ein solches Projekt sorgt selbstverständlich für Aufsehen und zum Teil auch für kontroverse Diskussionen, insbesondere aus der Perspektive der Opfer des nationalsozialistischen Terrors: In Israel sowie innerhalb der jüdischen Gemeinde sind die Meinungen geteilt. Während unkommentierte Nachdrucke von „Mein Kampf“ durchweg und zu Recht abgelehnt werden, trifft unsere kritische Edition überwiegend auf Zustimmung. Gleichwohl verdienen die Befürchtungen von Holocaust-Überlebenden und ihrer Nachkommen unseren höchsten Respekt.

Angesichts der urheberrechtlichen und politischen Rahmenbedingungen wäre es allerdings auch politisch-moralisch nicht zu vertreten und mit großen Risiken behaftet, in Sachen „Mein Kampf“ untätig zu bleiben. Was für die Zeitgeschichtsforschung im Allgemeinen gilt, muss auch hier unterstrichen werden: Die kritische Aufarbeitung der Geschichte von Rassismus und Gewalt sowie ihrer Wurzeln ist immer auch ein wissenschaftlicher und damit sehr spezifischer Dienst an der Würde der Opfer.

Unsere Edition soll erschwinglich sein, damit sie dem interessierten Publikum offensteht. Allein auf diese Weise kann sie den aufklärerischen Auftrag der Wissenschaft erfüllen und zugleich zur dringend erforderlichen Entmystifizierung dieser Grundschrift des Nationalsozialismus beitragen.

In einer Zeit, in der in Europa die bekannten Formeln rechtsextremistischer Freund-Feind-Hetze wieder sagbar und entsprechende Denkhaltungen wieder salonfähig zu werden drohen, müssen wir die fatalen Erfahrungen der deutschen Vergangenheit in wissenschaftlich fundierter Form im Bewusstsein halten.

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