Die heiße Phase der US-Berichtssaison hat begonnen. Abgesehen von ein paar prominenten Enttäuschungen verläuft sie bislang überwiegend erfreulich. Laut der Researchfirma FactSet sagen Analysten für das zweite Quartal einen Anstieg beim Umsatz um neun Prozent für die Unternehmen des S&P 500 vorher. Gleichzeitig soll der Gewinn um gut 20 Prozent nach oben schießen. Das wäre das zweitstärkste Wachstum seit dem dritten Quartal 2010. Zu den guten Ergebnissen trägt neben der US-Steuerreform auch der zwischenzeitlich schwächere Dollar bei. Zwar 100 der S&P 500-Firmen ihre Ergebnisse vorgelegt. Aber darunter waren Schwergewichte wie etwa Microsoft. Deshalb konnten Investoren bereits jetzt ein Zwischenfazit ziehen:
1. US-Technologieaktien: teuer und billig zugleich
Die FAANG-Aktien, bekannt als Abkürzung für Facebook, Amazon, Apple, Netflix und Google (Alphabet) werden von der Investmentbank Goldman Sachs einerseits als teuer, andererseits aber auch als günstig beschrieben. Wie passt das zusammen?
Das absolute Bewertungsniveau ist nach den kräftigen Kursanstiegen zwar hoch, doch die Relation zwischen den fünf Aushängeschildern und dem Rest der Nasdaq ist nach Berechnungen von Goldman Sachs in den vergangenen fünf Jahren nie so gering gewesen. Gleichzeitig ist bei den FAANG-Aktien das Umsatz- und Gewinnwachstum genauso kräftig gestiegen, so dass diese Aktien auch im Vergleich zur Kursentwicklung als nicht teuer anzusehen sind. Daher bleibt das hohe Wachstum der Geschäftsentwicklung der entscheidende Faktor für die Wertentwicklung der Aktie, wie diese Berichtssaison wieder einmal gezeigt hat.
Auf die FAANG-Aktien übertragen: Das hohe Nutzerwachstum muss stimmen. Enttäuschungen wie es sie diesmal bei Facebook oder Netflix gegeben hat, werden von Anlegern sofort bestraft. Die Facebook-Aktie hat direkt nach Bekanntgabe der enttäuschenden Quartalszahlen einen Verlust seines Börsenwerts in Höhe von rund 120 Milliarden Dollar hinnehmen müssen. Das war der größte Tagesverlust, den ein US-Unternehmen je hinnehmen musste. Entsprechend rege wurde die Aktie gehandelt.
2. Bankzahlen spiegeln nicht die Konjunktur
Den Chefs der US-Banken zufolge könnte das Umfeld für den Sektor nicht besser sein. Die Konjunktur brummt, die Arbeitslosenquote ist so niedrig wie seit Jahrzehnten nicht. Gleichzeitig floriert der Finanzmarkt, während die US-Zinsen steigen. Der Zinsüberschuss der Banken bekommt damit Rückenwind. Dennoch reagierten Investoren auf die Ergebnisse von JP Morgan lediglich mit einem Schulterzucken.
Die Erträge des weltweiten Branchenprimus waren im zweiten Quartal um lediglich acht Prozent geklettert, im ersten Quartal stand noch ein Plus von zwölf Prozent zu Buche. Ähnlich wie JP Morgan erging es auch dem Papier von Goldman Sachs nach der Zahlenvorlage. Einziger wirklicher Gewinner war Morgan Stanley, wobei sowohl das Handelsgeschäft als auch das Investmentbanking überzeugt hat.
3. Handelskrieg belastet US-Industriesektor schwer
US-Präsident Donald Trump wollte mit Protektionismus und Strafzöllen auf ausländische Produkte die heimische Industrie vor der ausländischen Konkurrenz schützen und die Konjunktur damit ankurbeln. Der Schuss ist allerdings kräftig nach hinten losgegangen, wie die Berichtssaison eindrucksvoll zeigt.
So hat der größte US-Autobauer General Motors eine Gewinnwarnung abgegeben und erwartet, dass die Rohstoffkosten das Ergebnis mit einer Milliarde Dollar belasten würden – das wäre rund doppelt so viel wie der Konzern zuvor prognostiziert hatte. Konkurrent Ford hat ebenfalls mit einer Gewinnwarnung Investoren geschockt. Der Motorradhersteller Harley-Davidson hat wegen der Strafzölle den Ausblick für die operative Marge auf rund 9,5 Prozent gesenkt. Das war allerdings nicht ganz so schlimm wie Analysten befürchtet hatten, weshalb sich die Aktie deutlich erholt hat. Die Zahlen von Ford, General Motors, Harley-Davidson sowie anderen US-Industriefirmen machen allerdings klar, weshalb Trump den Handelskrieg mit der EU zumindest vorübergehend auf Eis gelegt hat.
4. Crashs machen vor Traditionsfirmen nicht halt
Einer der großen Enttäuschungen dieser Quartalssaison ist auch General Electric. Nachdem der Elektronikkonzern während des Konzernumbaus einige Rückschläge erlitten hat, ist die Aktie seit Anfang 2017 im Abwärtstrend und jetzt im Juni aus dem Dow Jones geflogen. Prognosen wurden gesenkt und Perlen wie die Medizintechniksparte sollen verkauft werden. Nach dem Kursrückgang ist der Börsenwert von General Electric unter den von Siemens gesunken – etwas Derartiges war lange Zeit unvorstellbar. Die Geschäftsentwicklung des US-Unternehmens dürfte viele Investoren vor Augen führen, dass ein Konzernumbau viel länger dauern und viel mehr Geld kosten könnte als erwartet. Die Talfahrt hält an.
5. Die Unsicherheit wächst
Wenn die Zahlen eines Quartals besser sind als erwartet, schrauben Analysten üblicherweise ihre Prognosen für das nächste Quartal nach oben, starten doch die Unternehmen von einem höheren Niveau aus. Das ist allerdings diesmal nicht der Fall.
Obwohl die Ergebnisse insgesamt noch besser als erwartet sind, haben die Analysten ihre Schätzungen für das dritte Quartal sogar leicht gesenkt. Der größte Belastungsfaktor ist der gleiche wie aus dieser Saison: Der Handelsstreit der USA mit dem Rest der Welt. Analysten trauen offenbar dem aktuellen Handelsfrieden noch nicht ganz über den Weg.
Quelle: n-tv.de
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