Zum ersten Mal seit fast 40 Jahren wird bei der Wahl in Simbabwe der Name Robert Mugabe nicht mehr auf dem Wahlzettel stehen. Der frühere Präsident wirtschaftete das Land von der Kornkammer des südlichen Afrikas zu einem Armenhaus herunter. Jetzt steht Simbabwe vor einem dringend nötigen Neuanfang.
"Die Wahl ist für Simbabwe die wichtigste seit der Unabhängigkeit" im Jahr 1980, erklärte der frühere UN-Generalsekretär Kofi Annan jüngst in Harare. Die knapp sechs Millionen Wahlberechtigten müssen sich am Montag zwischen 23 Kandidaten entscheiden. Wirkliche Chancen werden aber nur zwei Bewerbern eingeräumt. Präsident Emmerson Mnangagwa von der Regierungspartei Zanu-PF geht als Favorit ins Rennen, doch Nelson Chamisa von der größten Oppositionspartei MDC liegt einer aktuellen Umfrage zufolge nur knapp hinter ihm.
Richtungsentscheidung für Simbabwe
Sollte kein Kandidat eine Mehrheit erzielen, würde am 8. September eine Stichwahl stattfinden. Es ist eine Richtungsentscheidung: Mnangagwa, 75 Jahre alt, war lange Minister und später Mugabes rechte Hand, er ist ein Vertreter der alten Garde. Sein Wahlsieg würde die Herrschaft der Regierungspartei in ein viertes Jahrzehnt verlängern.
Der 40-jährige Chamisa hingegen, ein gelernter Jurist und eloquenter Pastor, steht für einen Neuanfang. Die meisten Simbabwer haben nie einen anderen Präsidenten gekannt als Mugabe. Wenn die Wahlen komplett frei und fair wären, hätte Chamisa wohl große Chancen. Der Wahlkampf verlief zwar weitgehend gewaltfrei und ohne große Einschüchterungskampagnen gegen Oppositionelle, wie es unter Mugabe zur Norm geworden war. Doch Mnangagwa und Zanu-PF haben die staatlichen Ressourcen geschickt für ihre Kampagne genutzt. In staatlichen Medien, die vor allem auf dem Land oft die einzige Nachrichtenquelle sind, kam Chamisa kaum vor.
Zudem macht die Opposition im Vergleich zu Mnangwaga Wahlkampf auf Sparflamme - dessen Werbetafeln sind riesig, die Opposition hat kleine Plakate. Chamisa zufolge ist auch die Wahlkommission parteiisch zugunsten Mnangagwas. Der Präsident bestreitet das. Chamisas Bewegung für demokratischen Wandel (MDC) entschloss sich gegen einen Wahlboykott. "Es ist Zeit für einen Wechsel. Wir werden diese Wahl gewinnen", sagte Chamisa kurz vor der Wahl. Erstmals seit vielen Jahren werden auch wieder Wahlbeobachter aus den USA und der EU zugegen sein.
Enorme Herausforderungen
Wer auch immer die Wahl gewinnt, steht vor enormen Herausforderungen. Mugabes Politik der Enteignung weißer Landeigentümer zu Beginn des Jahrtausends stürzte die Wirtschaft in eine tiefe Krise. Die Landwirtschaft - vor allem die wichtige Produktion von Tabak und Mais - brach zusammen. Es folgten Rezession und Hyperinflation. Um ein Stück Butter zu kaufen, brauchten Menschen am Höhepunkt der Krise (2008-09) ein Bündel Banknoten zu jeweils 100 Trillionen Simbabwe-Dollar. Das Gesundheitssystem brach zusammen, mehr als 3000 Menschen starben innerhalb weniger Monate in Folge der Durchfallerkrankung Cholera.
Simbabwes Wirtschaftsleistung ist der Weltbank zufolge heute mit rund 900 US-Dollar pro Kopf niedriger als 1980. Wegen der Hyperinflation wurde 2009 der US-Dollar als Währung eingeführt. Doch Simbabwe kann diesen nicht drucken. Es gibt nur so viel Dollar im Umlauf, wie das Land durch Exporte einnimmt. Die Exporte bringen aber zu wenig ein, Bargeld ist allerorts Mangelware. Das ist Gift für die Wirtschaft, es herrscht Rekordarbeitslosigkeit. Und das, obwohl Simbabwe großes Potenzial hat: Rohstoffe wie Diamanten, eine gut ausgebildete Bevölkerung und ein ideales Klima für die Landwirtschaft.
Mugabe wollte eigentlich erneut kandidieren
Der heute 94-jährige Mugabe wollte eigentlich erneut kandidieren. Zudem baute er seine unbeliebte Ehefrau als Nachfolgerin auf. Im November entließ er Vizepräsident Mnangagwa, weil er in ihm einen Rivalen sah. Das war für die Streitkräfte zu viel des Guten: Das Militär putschte und drängte Mugabe zum Rücktritt. Die bis dahin treu zu Mugabe stehenden Abgeordneten vergaßen ihn in Windeseile und wählten Mnangagwa. Das Militär gab die Macht ab - Putschistenführer Constantino Chiwenga ist jedoch seither Vizepräsident.
Am Sonntag meldete sich Mugabe nach Monaten auf einer hastig einberufenen Pressekonferenz überraschend zu Wort. Er könne nicht jene unterstützen, die illegal an die Macht gekommen seien und nun ihn und seine Familie schikanierten, sagte er mit Blick auf Mnangagwa. Er deutete sogar an, dass er für Oppositionsführer Nelson Chamisa stimmen könnte. "Seine Wahlkampfveranstaltungen sind gut besucht ... falls er gewinnt, würde ich ihn gerne treffen", sagte Mugabe. Es gebe neben Chamisa kaum andere Optionen.
Chan: Mnangagwa klarer Favorit
Mnangagwa, der wegen seiner Skrupellosigkeit oft "das Krokodil" genannt wird, ist ein Mann der Sicherheitskräfte. In den 1980er-Jahren war er als Geheimdienstminister Menschenrechtlern zufolge einer der Architekten der Massaker in der Region Matabeleland. Dabei wurden Tausende Menschen der Ndebele-Volksgruppe getötet. Doch nun gibt er sich als geläuterter Demokrat. In seiner kurzen Amtszeit seit November hat er gezeigt, dass er den Menschen mehr Freiheit lassen und das Land reformieren will. Er gibt sich siegessicher.
Mnangagwa gehe als klarer Favorit ins Rennen, erklärt Professor Stephen Chan vom SOAS-Institut der University of London. In jedem Fall stehe Simbabwe vor einem neuen Kapitel seiner Geschichte: "Diese Wahl wird allein durch die Abwesenheit von Mugabe historisch sein."
Quelle: n-tv.de
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