Der Literaturnobelpreisträger V. S. Naipaul ist tot. Der große Erzähler, Reiseschriftsteller und Essayist starb im Alter von 85 Jahren in seiner britischen Wahlheimat, wie Naipauls Familie am Samstagabend mitteilte. Naipaul wurde als Sohn indischer Einwanderer auf der Karibikinsel Trinidad geboren. Er galt als einer der wichtigsten Vertreter der postkolonialen Literatur, viele seiner Werke waren in Afrika, Asien oder der Karibik angesiedelt. Im Jahr 2001 wurde er mit dem Nobelpreis ausgezeichnet.
"Er war ein Gigant in allem, was er tat", hieß es in einer Erklärung seiner Witwe. "Er hat ein Leben gelebt, das erfüllt war mit wunderbarer Kreativität." Naipaul sei im Kreise seiner Lieben gestorben.
30 Bücher - in einem Leben
Naipaul zählte zu den größten Schriftstellern im englischsprachigen Raum. Jahrzehntelang bereiste er auf der Suche nach literarischen Stoffen, aber auch nach den eigenen Wurzeln die Welt. In seinen mehr als 30 Büchern ließ er oft die Grenzen zwischen Reisebericht, Fiktion und Autobiographie verschwimmen.
Naipauls Erfahrungen aus Asien, Afrika und Amerika spiegeln sich in vielen seiner Werke wider. Zu seinen bekannten Romanen zählt "Land der Finsternis" (1964), in dem er sich kritisch mit den Verhältnissen in Indien auseinandersetzt, dem Land seiner Vorfahren. In dem Roman "An der Biegung des großen Flusses" (1979) schildert er die Wirren im Kongo nach der Unabhängigkeit, und in dem Bestseller "Ein Haus für Mr. Biswas" (1961) verarbeitete er die Geschichte seines indischen Vaters in der Karibik und zeigte die Schwierigkeit, sich gleichzeitig in eine neue Gesellschaft zu integrieren und die eigenen Wurzeln zu bewahren.
Als Autor des sogenannten Post-Kolonialismus beschäftigte sich Naipaul mit der Unterdrückung der Kultur ehemaliger Kolonien durch die Dominanz der "westlichen" Kultur. Naipaul zwinge seine Leser, "die Gegenwart verdrängter Geschichte zu sehen", begründete die Königlich Schwedische Akademie im Jahr 2001 ihre Nobelpreisentscheidung zugunsten des Briten.
Naipauls Romane glichen "immer mehr Reportagen, ohne dass deswegen die Charaktere verblichen", erklärte die Nobel-Akademie. "Naipaul ruft ins Gedächtnis, was andere vergessen haben - die Geschichte der Verlierer".
Kontroversen, Provokationen
Vidiadhar Surajprasad Naipaul wuchs in der ehemaligen britischen Karibik-Kolonie Trinidad-Tobago auf. Mit 18 Jahren ging er nach Großbritannien, wo er 1953 an der Universität von Oxford sein Studium der englischen Literatur abschloss. Nach einem kurzen Intermezzo als freier Journalist für den Rundfunksender BBC konzentrierte er sich auf seine Karriere als Schriftsteller. 1990 wurde er von Königin Elizabeth II. zum Ritter geschlagen.
In seiner Wahlheimat Großbritannien war Naipaul eine feste Größe im kulturellen Establishment. Kontroversen waren ihm dabei nicht fremd. So pflegte er eine kritische Einstellung gegenüber dem Islam, dem er kulturelles Dominanzbestreben unterstellte. Im Jahr 2010 musste er seine Teilnahme an einer Veranstaltung in der Türkei absagen, nachdem seine Islam-Kritik dort Proteste hervorgerufen hatte.
Wenig Verständnis erntete Naipaul auch für abschätzige Äußerungen über Schriftstellerinnen. Weibliche Autoren reichten nicht an sein Werk heran, sagte er 2011 dem "Evening Standard". Dies begründete er mit weiblicher "Sentimentalität, dem engen Blick auf die Welt".
Aufsehen erregte er vor 20 Jahren auch mit dem Bekenntnis, regelmäßig Prostituierte aufgesucht zu haben. Dieses Geständnis habe mit zum frühen Krebstod seiner damaligen Frau Pat beigetragen, sagte er später. "Es hat sie sehr mitgenommen", sagte Naipaul seinem Biographen Patrick French. "Man kann sagen, ich habe sie umgebracht."
Quelle : spiegel.de
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