Zwei Jahre sind seit der Präsentation der Produkt- und Technologiemarke EQ (Electric Intelligence) auf dem Pariser Autosalon und der Weltpremiere des ersten Elektro-SUV, dem Mercedes-Benz EQC, vergangen. Das ist mit Blick auf die Modellentwicklung anderer Fahrzeuge rasend schnell, mit Blick auf den Elektropionier Tesla, der seit 2012 sein Model S anbietet, doch einiges an Zeit. Dafür wollen die Stuttgarter jetzt mit dem EQC aber zu einem richtigen Schlag ausholen: "Das Paket, das wir mit dem EQC geschnürt haben, ist das Beste was momentan am Markt ist ", so Mercedes-Chef Dieter Zetsche zur Weltpremiere in Stockholm.
Optisch hält sich der EQC sehr streng an die bereits bekannte Studie "Generation EQ". Die coupéhafte Dachlinie positioniert den Stromer zwischen einem SUV und einem SUV-Coupé; und auch die große "Black-Panel-Fläche" in der Front und der Lichtleiter zwischen den Scheinwerfern wurden von der Studie übernommen. Sie sind künftig das entscheidende Merkmal für Fahrzeuge der EQ-Familie.
Als erstes Fahrzeug der EQ-Reihe besitzt der EQC ein von Mercedes völlig neu entwickeltes Antriebssystem. Zwei Elektromotoren an Vorder- und Hinterachse sollen für die Fahreigenschaften eines Allradfahrzeuges sorgen. Wie bei Tesla ist die Leistung des Antriebs skalierbar. In der höchsten Ausbaustufe, dem EQC 400, generieren die zwei Asynchron-Maschinen 408 PS und schmettern 765 Newtonmeter maximales Drehmoment auf beide Achsen. Das sorgt dafür, dass die Beschleunigung aus dem Stand auf Tempo 100 bereits nach 5,1 Sekunden abgeschlossen ist. Zu Gunsten der Reichweite, die Mercedes hier mit "über 450 Kilometern" nach NEFZ angibt, wurde die Höchstgeschwindigkeit auf 180 km/h begrenzt.
Reichweite von Fahrweise abhängig
Ausdrücklich weisen die Stuttgarter darauf hin, dass die Reichweite der 80 Kilowattstunden leistenden Lithium-Ionen-Batterie, die von der Daimler-Tochter Deutsche Accumotive stammt, sehr stark von der Fahrweise abhängig ist. Um den Radius des immerhin 2,4 Tonnen schweren EQC - allein der Akku bringt 650 Kilogramm auf die Waage - so groß wie möglich zu machen, stehen fünf Fahrprogramme zur Verfügung. Comfort, Eco, Sport, Max Range und die Möglichkeit der individuellen Konfiguration. Bei der Nutzung von Max Range (maximaler Reichweite) kann der Fahrer die Rekuperationsleistung, also die Energierückführung beim Ausrollen und Bremsen, über Schaltwippen hinter dem Lenkrad beeinflussen. Zudem helfen Assistenzsysteme durch Fahrhinweise, die Reichweite zu verlängern.
Geladen wird der EQC per CCS-Stecker mit Wechselstrom (AC) bis 11 kW, was einiges an Zeit kosten dürfte, oder an Schnellladesäulen mit Gleichstrom (DC). Die maximale Ladeleistung soll bei 110 kW liegen, sofern die Säule dies hergibt. Die Ladezeit beträgt dann nach Aussage von Mercedes etwa 40 Minuten. In dieser Zeit soll der Ladezustand von 10 Prozent wieder auf 80 Prozent angewachsen sein. Allerdings liefern die meisten DC-Lader momentan lediglich 50 kW. Ein Netz von 400 Schnellladern mit bis zu 350 kW befindet sich derzeit an Autobahnen in ganz Europa im Aufbau. Das ist gemessen an den Strecken, die hier zurückgelegt werden können, nicht viel.
Die A-Klasse lässt grüßen
Im Innenraum des EQC lässt die A-Klasse grüßen. Nein, nicht von der Gestaltung des Interieurs her, denn das pflegt mit einem "Lamellenkragen" an der Instrumententafel, der an die Kühlrippen eines alten Hi-Fi-Verstärkers erinnern soll, und sehr flachen Lüftungsdüsen mit Roségold eine ganz eigene Ästhetik. Aus der A-Klasse stammt das Multimediasystem MBUX (Mercedes-Benz User Experience), das allerdings um EQ-spezifische Inhalte wie Reichweitenanzeige, Ladezustand und Energiefluss ergänzt wurde.
Ansonsten erinnert der 4,76 Meter lange EQC stark an den Mercedes GLC. Das ist nicht verwunderlich, denn Chassis und Achsen sind dem Bruder mit Verbrenner entlehnt. "Das ist natürlich auch ein Kostenfaktor", erklärt Entwicklungschef Michael Kelz. "Dennoch", so Kelz, "sind 87 Prozent des EQC Neuteile". Bis 2025 will Mercedes in allen Baureihen rein elektrische Fahrzeuge haben und rechnet damit, dass bis dahin etwa ein Viertel aller verkauften Fahrzeuge Elektroautos sind.
Doch zurück zum EQC. Sitze, Mittelkonsole, Lenkrad, das riesige Display, die Anordnung der Schalter und Türverkleidungen kommen einem bei der ersten Sitzprobe durchaus vertraut vor. Und wie es sich für ein SUV geziemt, lässt sich auch die Rückbank wie in einem konventionell betriebenen SUV dreigeteilt umklappen und erweitert den Stauraum hinter der Heckklappe von 500 Liter auf noch nicht genannte Größe.
Assistenzsysteme und passiver Schutz
Auch bei den Assistenzsystemen wurde der für Mercedes neuen Fahrzeuggattung Rechnung getragen. Unter anderen gehört zum Umfang eine vorausschauende Geschwindigkeitsanpassung. Wird zum Beispiel ein Stau erkannt, reduziert der adaptive Abstands-Assistent die Geschwindigkeit vorsorglich auf 100 km/h. Im Stau selbst kann das System mit Hilfe einer "außermittigen Spurführung" die Bildung einer Rettungsgasse unterstützen. Natürlich stehen auch alle anderen bekannten Assistenzsysteme, die Daimler für seine Verbrenner anbietet, im EQC zur Verfügung.
Auch für die passive Sicherheit verspricht Mercedes den von Fahrzeugen aus Stuttgart gewohnten Standard. Mit Blick auf die Batterie und alle stromführenden Bauteile wurde die Struktur des EQC diesen besonderen Anforderungen angepasst. So umschließt ein Hilfsrahmen zum Beispiel die im Vorderwagen untergebrachten Antriebskomponenten und stützt diese bei einem Crash zusätzlich. Zudem wird die Batterie im Unterboden zusätzlich von einem Rahmen umschlossen, der im Falle eines Zusammenstoßes zusätzlich Energie absorbieren kann. Das Hochvolt-System schaltet sich im Falle eines Unfalls selbständig ab. Zudem gibt es sogenannte Trennstellen, an denen Rettungskräfte im Notfall das Hochvolt-System manuell deaktivieren können.
Bleibt wie immer am Ende die Frage nach dem Preis. Die beantwortet Mercedes zur Stunde natürlich noch nicht. Gemunkelt wird von einem Einstiegspreis von etwa 70.000 Euro für den vorerst in Bremen gebauten EQC. In Norwegen - dem europäische Land, in dem die Förderung der Elektromobilität mutmaßlich am weitesten fortgeschritten ist, können sich Kunden bereits für das Elektro-SUV registrieren lassen. Notwendig ist dafür lediglich die Anzahlung von 2140 Euro. Tesla lässt grüßen.
Quelle: n-tv.de
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