Was hinter Chinas Milliardeninvestitionen in Afrika steckt

  10 September 2018    Gelesen: 892
Was hinter Chinas Milliardeninvestitionen in Afrika steckt

China feiert Afrika und umgekehrt: Peking krönt dies mit Milliardeninvestitionen. Dahinter verbirgt sich kein chinesischer Kolonialismus, sondern ein gemeinsames Wachstumsinteresse. Eine Gefahr für den Westen.

Europäer haben im Kolonialzeitalter die Welt erobert. Viel später kamen die Japaner und eroberten mit ihren Waren die Welt. Frankreichs General de Gaulle begrüßte den japanischen Premierminister einst als "Transistorradioverkäufer".

Doch wie machen das heute die Chinesen? Das zeigt sich gerade in Afrika. Es geschieht so ungeheuer friedlich und reibungslos, dass es im Westen nur gelegentlich wahrgenommen wird. 53 afrikanische Staatschefs warteten in dieser Woche der chinesischen Führung in Peking auf - und konnten dort die Nachricht vernehmen, dass China Investitionen in Höhe von 60 Milliarden Dollar in Afrika plant. Schon in der Vergangenheit bauten Chinesen auf dem afrikanischen Kontinent Infrastruktur auf - Flüghäfen, Straßen, Eisenbahnen, Energietrassen. Freilich das meiste davon mit chinesischem Geld, afrikanischer Staaten haben zwischen 2000 und 2016 rund 125 Milliarden Dollar in China geliehen, wie aus Daten einer Initiative an der Johns Hopkins University School of Advanced International Studies hervorgeht. Das brachte der Volksrepublik den Vorwurf ein, afrikanische Länder in eine Schuldenfalle zu treiben. Gleichzeitig versprachen die Chinesen aber auch, vielen von ihnen ihre Verbindlichkeiten zu erlassen.

Entsprechend freudig ließen die Staatschefs sich auf der Tribüne des Volkskongresses in der großen Halle des Volkes nieder, sozusagen im Tempel der chinesischen Kommunisten. Sie spendeten der Rede des chinesischen Parteichefs Xi Jinping Beifall - wie Prinzen, die von ihrem König empfangen wurden, beobachtete die französische Zeitung "Le Monde".

Doch der Vergleich mit Prinz und König stimmte mal wieder nicht. Denn die meisten Europäer wollen und können sich nicht vorstellen, dass Chinesen und Afrikaner eine moderne, produktive Beziehung eingehen. Es widerspricht schließlich allen Erfahrungen der Kolonialzeit und ihren bis heute aktuellen Folgen.

Doch die Bilder aus Peking täuschen nicht. Da läuft etwas zwischen China und Afrika, und zwar etwas welthistorisches. Das passiert nicht über Nacht und ohne Rückschläge. Auf 170 Milliarden Dollar belief sich das Handelsvolumen zwischen beiden Seiten im Jahr 2017. Zwei Jahre zuvor hatte es bereits bei 220 Milliarden Dollar gelegen. Die optimistischsten Voraussagen erfüllen sich also gerade nicht. Im Gegenteil, der Handel zwischen China und Afrika war zuletzt rückläufig.

Und dennoch blieb China auch im Jahr 2017 Afrikas größter Handelspartner vor den USA. Zudem ist das Verhältnis der afrikanischen Länder zu den USA derzeit angespannt. Die gleichen 53 Staaten Afrikas, die jetzt in Peking auftraten, hatten sich in einer gemeinsamen Erklärung im Januar diesen Jahres gegen den US-Präsidenten Donald Trump gewandt, der ihre Länder im Gespräch mit US-Senatoren pauschal als "Dreckslöcher" (shitholes) abgestempelt hatte.

Unheimlicher Kontrast im Verhältnis der Großmächte zu Afrika

So zeichnete der Pekinger Afrika-Gipfel in dieser Woche einen unheimlichen Kontrast im Verhältnis der Großmächte USA und China zu Afrika, der natürlich auch den Europäern nicht entging. Ausdrücklich bekennt sich heute der französische Präsident Emmanuel Macron als erster EU-Staatschef zu gemeinsamen Initiativen von Europäern und Chinesen in Afrika. Macron bricht damit mit der im Westen gängigen Darstellung Chinas als neuer Kolonialmacht in Afrika.

Aber ist dieser Bruch gerechtfertigt? Verfolgt China nicht ausschließlich Eigeninteressen in Afrika?

Dem widerspricht der renommierte US-amerikanische Afrikanist Stephen Smith von der Duke-Universität in den USA: "Afrikaner sehen in China einen ehemaligen Underdog, dem es innerhalb von zwei Generationen gelang, in die weltpolitische Elite aufzusteigen. Die Chinesen zählen heute zu denjenigen, die die Welt mitregieren und denen sogar die Amerikaner Tribut zollen müssen. Für Afrikaner ist das eine Botschaft der Hoffnung und macht die Chinesen zum Vorbild", sagte Smith dem SPIEGEL.

Umfragen des unabhängigen afrikanischen Instituts Afrobarometer stützen die Aussagen Smiths. Demnach sehen 63 Prozent aller Afrikaner die wachsende chinesische Präsenz in Afrika "positiv" oder "eher positiv". "China ist in Afrika eher gern gesehen, besonders in der Bildungselite", schrieb kürzlich der kamerunische Essayist Yann Gwet in "Le Monde".

Dabei führen sich die Chinesen in Afrika nicht anders auf als andere Ausländer. "Einige von ihnen gehen eine enge Verbindung zu Afrika ein, andere wollen nur schnelles Geld verdienen, und einige mögen Rassisten sein", beobachtet der Afrika-Kenner Smith. Doch der Blick aus China und dem Westen auf Afrika ist dennoch ein ganz anderer. China sieht Afrika vor allem positiv: nämlich als boomenden Konsumentenmarkt. Europa und die USA sehen Afrika dagegen eher negativ: als Quelle eines unendlichen Flüchtlingsstroms in den Westen.

"Fantastischer neuer Markt für die chinesische Massenproduktion"

Smith stimmt beiden zu: Die Chinesen hätten recht, weil Afrikas wachsende Mittelschicht - sie zählt heute 150 Millionen Menschen, aber dürfte laut Vorhersagen der Weltbank bis 2030 600 Millionen Menschen umfassen - einen fantastischen neuen Markt für die chinesische Massenproduktion darstelle. "Und die Europäer haben Grund, einen Kontinent mit 2,5 Milliarden vornehmlich jungen Einwohnern im Jahr 2050 zu fürchten, wenn es nur noch 450 Millionen zumeist ältere Europäer geben wird", sagt Smith. Dadurch werde der Migrationsdruck von Afrika nach Europa über die nächsten zwei Generationen erheblich zunehmen.

Das Fazit des US-Afrikanisten ist deshalb umso eingängiger: "Gute Wirtschaftsdaten aus Afrika werden in den nächsten 30 Jahren gute Nachrichten für China sein - aber schlechte Nachrichten für Europa, weil immer mehr Afrikaner Geld und Möglichkeit haben werden, ihr Glück in Europa zu versuchen."

Kein Wunder also, wenn China Afrika feiert und umgekehrt. Denn dieses Mal ist der Westen nicht der lachende Dritte.

spiegel


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