Seine Göttinger Kommilitonen lernten fürs Staatsexamen. Derweil tippte Jurastudent Gunther von Mirbach, 27, an einer Verfassungsbeschwerde. Februar 1983, das im Vorjahr verabschiedete Volkszählungsgesetz stand vor der Umsetzung. Per Totalerhebung in Deutschland sollten von April bis Mai unter anderem Informationen zu Staatsangehörigkeit, Wohnsitz und Arbeitsstätten abgefragt werden.
Die Volkszählung sorgte in breiten Teilen der Bevölkerung für Empörung und Proteste. Zahlreiche Gruppen riefen zum Boykott auf. Denn die Daten aus der Volkszählung sollten mit den Melderegistern abgeglichen werden; zudem bot die Ausführlichkeit der Fragen dem Staat Möglichkeiten, die Befragten zu identifizieren.
"Ich sah nicht ein, dass meine eigenen Daten mit meinem Namen zusammen aufgenommen und gespeichert werden und ich überhaupt nicht überprüfen kann, wo diese Daten hingehen, wofür sie verwendet werden", sagt Gunther von Mirbach heute, 35 Jahre später. Er sah sich in seinem Recht auf freie Entwicklung der Persönlichkeit und in der Menschenwürde eingeschränkt.
Als einer der Kläger reichte Mirbach mit der Verfassungsbeschwerde auch einen Antrag ein, die Volkszählung auszusetzen, denn sonst "wäre der Schaden ja schon eingetreten, auch wenn die Verfassungsbeschwerde im Nachhinein erfolgreich gewesen wäre". Am 12. April 1983 saß der Jurastudent erstmals vor den Richtern des Bundesverfassungsgerichts. Tags darauf entschieden sie, dass die Volkszählung gestoppt werden müsse - kurz vor dem geplanten Stichtag. Erst sieben Monate danach wurden die Verfassungsbeschwerden zum Thema einer mündlichen, zweitägigen Verhandlung.
spiegel
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