Nach Flugzeug-Abschuss: Darum glaubt Russland den Erklärungen Israels nicht

  24 September 2018    Gelesen: 801
Nach Flugzeug-Abschuss: Darum glaubt Russland den Erklärungen Israels nicht

Das russische Verteidigungsministerium hat dieser Tage ausführliche Informationen zum Absturz eines Flugzeugs Il-20 in der vorigen Woche in Syrien veröffentlicht. Diese Informationen widersprechen völlig der Version, die Israel in Umlauf gesetzt hat.

Die neue Mitteilung ergänzt und korrigiert die früheren Informationen des russischen Militärs. Der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow, berichtete, dass die israelischen Luftstreitkräfte ihre russischen Kollegen über den geplanten Angriff benachrichtigt hätten. Mehr noch: Nach seinen Worten hatten die Israelis nicht nur die Lagekoordinaten ihrer Kampfjets F-16 verschwiegen, sondern die russische Seite darüber hinaus bezüglich des anzugreifenden Gebiets irritiert: Statt der im Westen Syriens befindlichen Küstenprovinz Latakia sei der Norden des Landes genannt worden.

Deswegen konnte die Il-20 keinen sicheren Raum erreichen – nach der Warnung habe der Kommandeur den Hinweis bekommen, aus seinem Einsatzraum nach Süden zu fliegen und zum Stützpunkt zurückzukehren.

Zudem betonte Militärsprecher Konaschenkow abermals: „Der israelische Pilot musste verstehen, dass die effiziente Rückstrahlfläche der Il-20 wesentlich größer als die des F-16-Kampfjets ist und dass gerade das russische Flugzeug das ‚Primärziel‘ für eine Luftabwehrrakete wäre.“ Auch das widerspricht der früher veröffentlichten Version der israelischen Streitkräfte.

Als Bestätigung für seine Worte führte der russische Militärsprecher die Chronologie der Ereignisse an. Nach seinen Angaben hatten die israelischen Kampfjets um 21.40 Uhr einen Luftschlag gegen Ziele in Latakia versetzt und seien um 21.46 Uhr in die Flugsperrzone über der syrischen Küste geflogen. Die syrische Luftabwehr feuerte ihre Raketen um 21.51 Uhr ab. Um 21.59 Uhr begann einer der israelischen Jets, in Richtung syrische Küste zu manövrieren und sich der russischen Il-20 anzunähern, die sich im Landeanflug befand. Die Syrer hielten das für den Beginn eines neuen Angriffs, und am Ende traf die syrische Rakete um 22.03 Uhr die Il-20. Danach berichtete der Besatzungschef über Feuer an Bord. Um 22.07 Uhr verschwand die Maschine von den Radarbildschirmen.

Ferner teilte Konaschenkow mit, dass die israelischen Flugzeuge danach nicht in ihren Luftraum geflogen seien, sondern ihren Patrouilleneinsatz fortgesetzt hätten. Um 22.29 Uhr habe der russische Diensthabende seine israelischen Kollegen informiert, dass die Il-20 in Not geraten sei, so dass die Russen dort sofort einen Rettungseinsatz starten würden. Die israelischen F-16-Maschinen hätten den Raum aber erst um 22.40 Uhr verlassen. Und um 22.53 Uhr (also 50 Minuten nach dem Absturz) bot Israel der russischen Seite Hilfe bei der Suche an.

Der Sprecher der Militärbehörde bekräftigte erneut, dass für den Abschuss des russischen Flugzeugs voll und ganz die israelische Seite verantwortlich sei, die entweder unprofessionell oder nachlässig gehandelt habe. Das Vorgehen der israelischen Piloten widersprach nach seinen Worten den zivilisierten Normen und waren potenziell auch für andere Passagier- oder Frachtflugzeuge gefährlich.

„Das russische Verteidigungsministerium verfügt über die nötigen technischen Angaben, und für sie ist die Situation eindeutig. Den Kommentaren der Militärs kann man eigentlich glauben – sie sind keine Politiker und haben häufiger (besonders wenn sie technische Angaben anführen) unter Beweis gestellt, dass ihre Informationen zuverlässig sind“, so der Professor der Akademie der Militärwissenschaften, Wadim Kosjulin.

„Unser Verteidigungsministerium hat absolut objektive Informationen veröffentlicht“, sagte der frühere stellvertretende Befehlshaber der russischen Luftstreitkräfte, Generalleutnant Aitetsch Bischew. „Die russische Seite verfügt über alle Angaben der Systeme für eine objektive Kontrolle. Das sind Informationen von Radaren und Flugabwehranlagen, die Gespräche der Flugleiter mit der Besatzung, die Koordinaten der Flugapparate der dritten Seite und unserer Il-20. Sie sind an den Ort und den Zeitpunkt gebunden. Und das alles wurde auch auf der Landkarte gezeigt. Das ist der erste Punkt“, so der Experte.

„Der zweite Punkt ist: Wenn die Israelis uns im Voraus, wenigstens eine Stunde früher gewarnt hätten, dann wäre die Il-20 in dem Moment gar nicht dort gewesen. (…) Diese Situation wäre einfach nicht entstanden“, ergänzte Bischew.

Die israelische Seite besteht jedoch nach wie vor auf ihrer Version und behauptet, sie wäre unschuldig. Außerdem hieß es aus Tel Aviv, dass der tragische Zwischenfall um die russische Il-20 kein Grund für den Verzicht auf Einsätze in Syrien gegen die militärische Präsenz des Irans sei.

Diese Sturheit habe verschiedene Gründe, sagte der ehemalige Chef des israelischen Geheimdienstes Nativ, Yakov Kedmi. Erstens sei es für die Israelis generell untypisch, eigene Fehler einzuräumen und die Verantwortung dafür zu übernehmen. Und zweitens habe man in Tel Aviv Angst, dass Russlands Gegenmaßnahmen nach der Il-20-Tragödie zur Einschränkung des syrischen Luftraums für die israelische Luftwaffe führen könnten. Das würde wiederum dem Iran gestatten, seine Positionen in der Region zu festigen.

Es gebe aber noch einen Grund, so der ehemalige Geheimdienstler weiter: „Es wird schon seit gut 30 Jahren über die Lieferung von ernstzunehmenden Luftabwehrsystemen an Syrien geredet. Israel tat die ganze Zeit sein Bestes, damit das nicht passiert. Aber aktuell zeichnet sich eine solche Perspektive wieder ab. Natürlich wird Israel versuchen, das zu verhindern.“

Aber auch die russische Seite will offenbar nicht nachgeben. „Ich muss diejenigen, die die von uns bereitgestellten Informationen falsch deuten oder anfechten, darauf aufmerksam machen, dass das russische Verteidigungsministerium über weitere unwiderlegbare Angaben zur Tragödie am 17. September verfügt.“

Der ehemalige Generalleutnant Aitetsch Bischew schlägt vor, dass Moskau und Tel Aviv eine gemeinsame Ermittlungskommission bilden, die sich mit den Umständen der Il-20-Katastrophe befasst. Sie müsste unter anderem die Informationen beider Seiten vergleichen. Zu diesem Zweck sollten aber die Israelis die Angaben ihrer Mittel zur objektiven Flugkontrolle publik machen.

sputniknews


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