Nahles hat ihre Kanzlerkandidatur verspielt

  25 September 2018    Gelesen: 1069
Nahles hat ihre Kanzlerkandidatur verspielt

Die SPD stürzt in den Umfragen ab und blamiert sich mit der Maaßen-Affäre. Für die Partei- und Fraktionsvorsitzende ist die Kanzlerkandidatur 2021 damit schon verspielt. Ein anderer ist nun einsamer Favorit.

Die SPD dachte beim Wahldesaster 2017, dass es schlimmer nicht mehr kommen könne. Genau ein Jahr später sind die Genossen eines Schlechteren belehrt; der Abgrund wird immer tiefer und erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik steht ihre Existenz ernsthaft auf dem Spiel. Von den miserablen 20,5 Prozent der Bundestagswahl ist die SPD inzwischen weiter abgerutscht, zuweilen wird sie sogar von Grünen und der AfD eingeholt. In weiten, vor allem südlichen Landesteilen - von Baden-Württemberg bis Sachsen - wirkt sie als Volkspartei regelrecht zerstört. Nun stehen Landtagswahlen in Bayern an und die Demoskopen sagen der SPD hier gerade noch 11 bis 13 Prozent voraus - sie droht als nurmehr viertstärkste Kraft zu verkümmern. Das Ende der Volkspartei SPD scheint besiegelt.

Verblüffend an der Implosion der SPD ist zweierlei. Zum einen kann sie überhaupt nicht von der offensichtlichen Schwäche und Zerstrittenheit der Union profitieren. Zum anderen helfen ihr auch die eigenen politischen Erfolge keinen Millimeter weiter. Die SPD hat in den vergangenen Jahren reihenweise Traumpläne der Sozialdemokratie in der Bundesregierung durchgesetzt - vom Mindestlohn bis zur Rente ab 63, von der Mietpreisbremse bis zur Frauenquote, von der Bafög-Erhöhung über die Sozialstaatsexpansion bis zur Homoehe. Es scheint fast paradox - je sozialdemokratischer Berlin regiert wird, desto tiefer fallen die Umfragewerte der SPD.

Die Verkörperung dieses Problems heißt Andrea Nahles. Sie war die wohl erfolgreichste Ministerin der letzten Regierung. Insbesondere bei Gewerkschaften ist sie seither beliebt wie eine Wunderfee. Nahles war es auch, die vor wenigen Wochen ein weiteres milliardenschweres Rentenpaket durchsetzte mit dem Ziel, die "Stabilität der Rente zu garantieren", "Lebensleistungen zu honorieren" und "Altersarmut zu bekämpfen". Zu anderen Zeiten wäre sie als Säulenheilige der Sozialdemokratie verehrt und sie hätte hohe Zustimmungswerte gehabt - doch nunmehr passiert das Gegenteil. "Wir können die Hartz-Sätze verdoppeln und die Renten verdreifachen, wir würden trotzdem nicht gewählt", heißt es frustriert aus dem Willy-Brandt-Haus.

Untergangstrio der Großen Koalition


Nun hat Nahles in der Maaßen-Affäre obendrein grobe taktische Fehler gemacht. Der Antifa-Reflex geriet außer Kontrolle und war machtpolitisch unbedacht flankiert. Der Profilierungsanlass war für die SPD falsch gewählt. Fatal wurde es, den Streit mit immer lauteren Rücktrittsforderungen zu eskalieren und CSU-Chef Horst Seehofer offen blamieren zu wollen - ohne es wirklich zu können. Es wäre ihre Aufgabe gewesen, die Affäre vom machbaren Ende her zu denken und zu gestalten. So stolperte Nahles mit Seehofer in einen offenen, peinlichen Machtkampf, der beide am Ende massiv beschädigt hat.

Nahles war eigentlich als Trümmerfrau der SPD angetreten, um den Wiederaufbau der Genossen zu organisieren. Sie sollte - wie 2002 Angela Merkel bei der damals skandalgeschüttelten CDU - den Neuanfang der SPD verkörpern. Doch nun taumelt sie durch einstürzende Plattenbauten der Sozialdemokratie. Nach der Maaßen-Affäre sprechen führende Sozialdemokraten ihr die Führungsqualitäten für kommende Krisen ab. "Sie stürzt über diesen Skandal nicht sofort, aber ihre Autorität ist dahin und Kanzlerkandidatin wird sie nun nicht mehr", raunt es aus der Fraktion. Nahles wirke mit Merkel und Seehofer nun "wie das Untergangstrio der Großen Koalition".

In der SPD steigen damit die Chancen von Olaf Scholz, als nächster Kanzlerkandidat antreten zu können. Der Vizekanzler und Finanzminister macht in der Regierung bislang keinen Fehler, wirkt professionell und souverän. Viele in der SPD halten Scholz zwar für "zu still, zu hanseatisch" in diesen bewegten Zeiten. "Aufreizend ruhig", "fast einschläfernd" hört man sogar als Kritik aus den eigenen, aufgeregten Reihen. Aber das ist das Naturell von Olaf Scholz und es ist auch seine Strategie. Er kann sich neben der zusehends schwächelnden Angela Merkel wie eine verlässliche Alternative profilieren. Da er bewusst nicht polarisiert, verstärkt er sein Image als ausgleichender Mann der politischen Mitte.

Scholz zeigt Verständnis für Frust


Scholz zielt mit dieser Methode auch auf das strategische Problem der SPD. Denn die bisherige Mechanik, sich über Umverteilungspolitik Legitimation zu sichern, funktioniert nicht mehr. Die politische Achse der Republik verschiebt sich nach rechts und die SPD wird einen Kanzlerkandidaten brauchen, der mit der Sprache und Aura der bürgerlichen Mitte vor allem das Thema Sicherheit adressieren kann. Das gelingt Andrea Nahles mit ihrer Pippi-Langstrumpf-in-die-Fresse-Rhetorik nicht mehr.

Und so verkündet Scholz bereits im Tonfall des Ehetherapeuten, der seine Regierungskollegen wie giftende Scheidungsfälle betrachtet und sich die Außenperspektive zu eigen macht: "Ich kann jeden verstehen, der den Kopf schüttelt", sagt er, als habe er mit dem Vorgang rein gar nichts zu tun.

Scholz denkt strategisch und setzt auf Handlungsmacht: Rentenpaket, Wohnungsbauprogramm, Gute-Kita-Gesetz und eine neue Zuwanderungsordnung. Dazu immer die geldpolitischen Spielräume geschickt einsetzen. "Mein Rat an die SPD: Einen klaren Kopf bewahren und in der Regierung das voranbringen, was für die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes wichtig ist." Das klingt einerseits vernünftig, andererseits macht die SPD das bereits seit Jahren und regiert sich damit in den Abgrund. Scholz hat im Rennen um die SPD-Kanzlerkandidatur derzeit die Nase ganz weit vorn, doch vielleicht wird man schon in wenigen Wochen neugieriger danach fragen, wen denn die Grünen als Kanzlerkandidaten aufzubieten hätten.

Quelle: n-tv.de


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