Selbst Donald Trump verschlägt es die Sprache, und das will was heißen. Der US-Präsident hockt mit eisernem Grinsen hinter seinem Schreibtisch im Oval Office, die Arme fest verschränkt. Ab und zu grunzt er ein zustimmendes "Yeah" oder schielt zu den Reportern und zu seinen Berater, die hilflos herumstehen.
Trump lässt sein Gegenüber reden. Und reden. Und reden.
Sein Gegenüber ist Kanye West, der Hip-Hop-Mogul und Ehemann des Realitystars Kim Kardashian (die selbst schon bei Trump zu Besuch war). West war früher mal für sein Rap-Genie bekannt. Heute ist er das eher für seine wirre Selbstinszenierung. Er ist ins Weiße Haus gekommen, um dem einzigen Mann zu huldigen, der sich selbst noch besser inszeniert als er.
Trump wiederum liebt alle, die sagen, dass sie ihn lieben, vor allem, wenn er sich mit ihnen schmücken kann: Reiche, Prominente, Mächtige. Und Schwarze, mit deren "Freundschaft" er beweisen kann, dass er doch kein Rassist ist, wie so viele sagen.
"Kanye ist seit Langem mein Freund", beginnt Trump also, auch ein Wink auf ihre gemeinsame Reality-Vergangenheit. Die TV-Shows von Trump und Kardashian liefen ein paar Jahre lang parallel auf den Schwestersendern NBC und E!, die beide inzwischen zu Comcast gehören, einem der größten US-Telekomkonglomerate. Doch dieser Moment im Oval Office ist eine ganz andere Art von Synergie.
Trump, 72, der seine Präsidentschaft als tägliche Abfolge von TV-Episoden sieht, hat West, 41, dessen Karriere sich immer mehr auf politische Stunts stützt, zum "Arbeitslunch" eingeladen. Es ist der bisherige Höhepunkt einer kuriosen Bromance, die begann, als West nach der Wahl 2016 im Trump Tower vorsprach.
Besser lässt sie sich kaum darstellen, die Verschmelzung von Politik und Entertainment zum bodenlosen Kessel Ignoranz. Willkommen im Weißen Haus, Trump-Edition.
"Sie wissen, dass ich Sie liebe", sagt West. "Ich weiß", sagt Trump.
Der doppelte Egotrip wäre ja amüsant, wäre er nicht so traurig. Denn es gäbe ja wirklich heiße Themen für so ein schwarz-weißes Gipfeltreffen: Rassismus, Arbeitslosigkeit, Polizeigewalt, Strafrechtsreform. Doch nichts dergleichen.
West, der sich gerne auch als Modedesigner gibt, trägt die obligatorische Trump-Mütze (25 Dollar im offiziellen Trump-Store): "Make America Great Again." Zehn Minuten lang redet sich West immer lauter in Rage, fabuliert von Trumps "Heldenreise", von Superman und Ralph Lauren, von seiner Frau und "männlicher Energie", vom "alternativen Universum", von "den Liberalen", die Schwarze "mit Rassismus kontrollieren" wollten, von der NFL-Kontroverse, von Sklaverei, von seiner manisch-depressiven (Fehl-)Diagnose, die in Wahrheit Schlafentzug gewesen sei, von seinen "Yeezy"-Turnschuhen.
Er haut auf den Eichenschreibtisch, an dem schon John F. Kennedy saß, er flucht, er nennt sich einen "crazy motherfucker". Was die amerikanischen Nachrichtensender - die das desaströse Spektakel live übertragen - erschrocken ausblenden.
"Sehr eindrucksvoll", lobt Trump. "Aus der Seele gesprochen", erläutert West. Später schiebt er sich um den Tisch herum und umarmt Trump: "Ich liebe diesen Kerl."
Des einen Liebe, des anderen Zweckehe. Dank West, so brüstete sich Trump zuvor, seien seine Umfragen bei Afroamerikanern "um 25 Prozent hochgeschossen", was eine reine Erfindung ist. Wests Visite wurde wie ein Staatsbesuch behandelt, das Weiße Haus veröffentlichte sogar das Lunchmenü (Caprese-Salat, Backhähnchen, gedünsteter Spargel).
Doch selbst das lässt die vielen - und vielen prominenten - Afroamerikaner kalt, die gegen Wests Trump-Affinität protestieren. "Ich glaube nicht, dass er genug geforscht hat, um wirklich zu verstehen, was los ist", sagt der Sänger John Legend - ein persönlicher Freund - im Sender CNBC. "Seine Meinungen sind ein klein bisschen halbgar."
So spaltet Trump die Schwarzen - und ihre Musik-Ikonen. Und nicht nur die: Die gesamte US-Musikszene gerät wegen Trump längst zwischen die politischen Fronten.
Jüngstes Beispiel: Pop-Superstar Taylor Swift, ausgerechnet. Die 28-Jährige ist Wests unfreiwillige Nemesis, seit der sie 2009 bei den MTV Video Music Awards vor laufender Kamera attackierte. Swifts Karriere explodierte daraufhin, während Wests Karriere implodierte.
Swift hielt sich indes aus der Politik heraus. Bis jetzt: Am Sonntag postete sie auf Instagram an ihre 112 Millionen Follower ein Bekenntnis für den demokratischen Senatskandidaten Phil Bredenson aus ihrem Heimatstaat Tennessee - und gegen dessen Rivalin Marsha Blackburn, eine flammende Trump-Vasallin. Trump nörgelte prompt zurück: Er möge Swifts Musik nun "25 Prozent weniger", was immer das heißt.
Swifts Post erntete schon mehr als zwei Millionen Likes, und am Dienstag räumte sie bei den American Music Awards unter großem Jubel ab. West dagegen hat seine Instagram- und Twitter-Accounts gelöscht und die Veröffentlichung seines nächsten Albums verschoben.
Quelle: spiegel
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