Gefangen in der gefährlichen Gaswolke

  07 Januar 2016    Gelesen: 531
Gefangen in der gefährlichen Gaswolke
Notstand im kalifornischen Porter Ranch: Seit Oktober strömt Methangas aus einem unterirdischen Leck. Anwohner fürchten um ihre Gesundheit, Tausende mussten umziehen.
Riesige Mengen Methangas strömen seit Oktober aus einem Gasleck im Süden Kaliforniens in die Atmosphäre und in die Straßen des Ortes Porter Ranch. Mehr als 2.000 Familien mussten bereits vorübergehend umziehen, zwei nahe gelegene Schulen wurden geschlossen, für tieffliegende Kleinflugzeuge gilt ein Flugverbot. Am Mittwoch hat Gouverneur Jerry Brown dem Druck der Anwohner nachgegeben und den Notstand in der Region ausgerufen.

Damit könnten nun alle Kräfte des US-Bundesstaates mobilisiert werden, um die öffentliche Gesundheit zu schützen und den betroffenen Anwohnern zu helfen, sagte Brown. Er stellte jedoch kein zusätzliches Geld bereit, um entstandene Schäden zu kompensieren. Die Kosten müsse der Betreiber Southern California Gas (Socal Gas) alleine tragen.

Die Bewohner von Porter Ranch klagen seit Wochen über einen Gestank nach faulen Eiern und über körperliche Beschwerden wie Kopfschmerzen, Übelkeit, Nasenbluten und Benommenheit. Vertreter der kalifornischen Gesundheitsbehörden überprüfen die Luft in Porter Ranch regelmäßig. Nach ihren Angaben bestehen zwar keine langfristigen Gesundheitsrisiken für die rund 30.000 Bewohner. Die geäußerten Beschwerden werden aber wohl von den dem Methan beigemischten Chemikalien ausgelöst. Methangas an sich ist geruchlos und nicht giftig.

Messungen haben aber flüchtige organische Verbindungen in der Luft entdeckt, darunter das krebserregende Benzol. Anfang November wurde die bislang höchste Konzentration des Stoffes festgestellt. Der Gehalt galt dabei aber noch nicht als gesundheitsgefährdend, dafür hätte die Konzentration doppelt so hoch sein müssen. Dennoch forderte die Verwaltung von Porter Ranch Socalgas auf, Bürgern eine kostenlose Zwischenunterkunft anzubieten, wenn diese sich das wünschen. Methan ist zudem ein entzündlicher Stoff, allerdings bestehe derzeit keine Explosionsgefahr.

Für die Umwelt sind die Folgen des Gaslecks deutlich: Die Treibhauswirkung von Methan (CH4) ist rund 25-mal stärker als die von Kohlendioxid (CO2). Die Los Angeles Times schrieb Ende Dezember, dass das Leck bereits so viele Emissionen verursacht habe, wie 330.000 Autos in einem Jahr in die Atmosphäre pusten. Nach Angaben der amerikanischen Umweltschutzorganisation Environmental Defense Fund (EDF) könnte das defekte Gasförderanlage eine Klimawirkung haben, die jener von rund sieben Millionen Autos entspräche. Allerdings ermittelten die Umweltschützer ihre Ergebnisse mit einem größeren Umrechnungsfaktor zwischen Methan und Kohlendioxid. Methan zersetzt sich zudem auch schneller in der Atmosphäre.

EDF hat Aufnahmen veröffentlicht, auf denen eine Infrarotkamera den für das bloße Auge unsichtbaren Gasaustritt erkennbar macht. Das Video zeigt eine Gassäule, die von der Erde in den Himmel aufsteigt.

"Das Gasleck ist eine der größten Umweltkatastrophen, die wir erlebt haben", zitiert die New York Times Mitchell Englander, der die Gemeinde Porter Ranch im Stadtrat von Los Angeles vertritt. Er verglich das Leck sogar mit der Katastrophe auf der Ölbohrplattform Deepwater Horizon im Jahr 2010 im Golf von Mexiko. Nur dass die aktuelle Katastrophe sich an Land abspiele, in einer bewohnten Gemeinde.
Die Reparaturen ziehen sich hin

Entdeckt wurde das Leck von Arbeitern am 23. Oktober an einem der Bohrlöcher des unterirdischen Gasfelds im Aliso Canyon, nahe Porter Ranch. Zunächst strömten 50 bis 60 Tonnen Methangas pro Stunde in die Luft. Inzwischen ist ein großer Teil des gelagerten Gases ausgeströmt, deshalb tritt weniger Methan pro Stunde aus. Offenbar entweicht das Gas aus einem beschädigten Rohr. Die genaue Ursache ist aber ungeklärt. Eventuell war das Rohr einfach zu alt: Socalgas nutzt stillgelegte Ölfelder als Gasreservoir, die bereits in den 1950er Jahren in Betrieb genommen wurden. Erdgas aus anderen Teilen des Landes wird hier über in den Boden getriebene Rohre in tiefe Gesteinsschichten gepumpt, um es dort zu horten. Viele Bohrlöcher und die zugehörigen Rohre sind viele Jahrzehnte alt. Die Ummantelung der betroffenen Pipeline könnte also schlicht aus Materialschwäche gerissen sein.

Die Reparaturarbeiten kommen schleppend voran. Die Austrittstelle befindet sich in mehreren Hundert Metern Tiefe. Nach Angaben von Socalgas ist das Leck zwar inzwischen lokalisiert, bis es jedoch geschlossen sein wird, können weitere Monate vergehen. Socalgas geht davon aus, dass dies Anfang März geschehen könnte.

Mehrere bisherige Versuche sind aufgrund des hohen Drucks des ausströmenden Gases gescheitert. Die Firma versucht jetzt den Schaden mit einer Entlastungsbohrung zu beheben. Durch ein weiteres Rohr sollen Flüssigkeiten und Lehm in das Gasreservoir hinabgelassen werden, die die Austrittsstelle verstopfen sollen. Anschließend soll das defekte Rohr von außen mit Zement verschlossen werden.

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