Der Profifußball steht kurz vor dem Infarkt

  06 November 2018    Gelesen: 436
Der Profifußball steht kurz vor dem Infarkt

Der große César Luis Menotti verachtet die Leute, die das Spiel der Spiele als Profitquelle entdeckt haben und für die Selbstdarstellung nutzen. Doch der Fußball ist nur noch Mittel zum Zweck - und steht vor dem finalen Kollaps.

Wer glaubt, dass im Profifußball früher alles besser war, der denkt vermutlich auch, dass Professor Brinkmann aus der "Schwarzwaldklinik" für seine Operationen am offenen Herzen den Medizin-Nobelpreis verdient gehabt hätte. Um es auf den Punkt zu bringen: Es ging auch bei uns in Deutschland spätestens mit dem Start der Bundesliga beim Fußball stets um das liebe Geld.

Legendär ist die Geschichte rund um das Team des amtierenden deutschen Meisters, dem 1. FC Nürnberg, aus der Saison 1968/69. Dass das mit dem Klassenerhalt des Clubs schwierig werden würde, ahnte Nürnbergs Vorsitzender Walter Luther damals spätestens am Vorabend der Partie der Clubberer gegen Borussia Dortmund am 33. Spieltag. Kapitän Luggi Müller war zu Luther nach Hause gekommen und forderte vom Präsidenten eine sechsstellige Summe. Würde diese nicht gezahlt werden, sähe sich die Mannschaft außerstande, am folgenden Tag mit vollem Einsatz zu spielen. Ein Sieg, so Müller, sei unter diesen Umständen natürlich nicht möglich. "Nach diesem Gespräch war mir klar, dass die meisten Spieler mit ihrem Herzen längst nicht mehr beim 1. FC Nürnberg waren", sagte der Vorsitzende damals und rechnete mit dem Schlimmsten. Eine Woche später war die Sensation perfekt: Der deutsche Meister stieg nur eine Saison nach seinem triumphalen Titelgewinn aus der Bundesliga ab.

Gier nach immer mehr Geld und Macht


Nein, neu ist das Thema Geld also beileibe nicht im Profifußball. Für Nüsse, wie es die alten Recken gerne sagen, haben sie auch früher schon nicht gespielt. Doch etwas anderes, etwas Elementares hat sich verändert - und zu diesen radikalen Umwälzungen geführt, die wir dieser Tage mit Ekel und Argwohn nur noch hinnehmen, aber nicht mehr abwehren können. Der gerade 80 Jahre alt gewordene Weltmeistertrainer César Luis Menotti hatte schon Ende der 90er-Jahre die "rücksichtslosen Vertreter neuer politischer, ökonomischer und medialer Machteliten, die das Spiel der Spiele als Profitquelle entdeckt haben und zu einem Vehikel der Selbstdarstellung nutzen", als die neuen Player im Profifußball ausgemacht.

Diese Leute haben ohne Skrupel das Spiel mittlerweile weitgehend für sich in Beschlag genommen. Ihre Gier nach immer mehr Geld und Macht kennt dabei offensichtlich keine Grenzen. Der Fußball als Spiegelbild der Gesellschaft, wie es immer so schön und tatsächlich auch treffend heißt, vollzieht damit nur etwas nach, das wir aus unserem Leben eh schon alle kennen. Die Reichen und Mächtigen werden immer reicher und mächtiger und die Schere zwischen oben und unten geht dabei stets etwas weiter auseinander.

Das ist eine Entwicklung, die man natürlich beklagen und auch anprangern kann, aber man darf dabei auch eine Sache nicht außer Acht lassen: Solange bei denen unten genug ankommt, wird sich an den Zuständen oben nichts ändern. Und da schließt sich der Kreis von Fußball und Gesellschaft erneut, denn der Leidensdruck ist aktuell sowohl im Profifußball wie in der Gesellschaft so niedrig wie selten zuvor - wenn es da nicht den einen entscheidenden Unterschied gäbe.

Fans sind bemitleidenswerte Spezies


Denn es gibt einen ganz wichtigen Punkt, der den Fußball von allen anderen Dingen, mit denen wir tagtäglich konfrontiert werden, trennt: Mit dem Fußball verbinden wir Fans Emotionen wie Liebe und Leidenschaft. Und genau deshalb sind wir Fußballanhänger eine solch bemitleidenswerte Spezies. Wir verachten Menschen, die in unserem Sport ausschließlich ihren Profit und nicht das Spiel als solches sehen. Und genau das ist auch der Grund, warum eine gewisse Nostalgie erlaubt ist. César Luis Menotti beschreibt diesen Blick zurück in einem äußerst lesenswerten Interview zu seinem Geburtstag in der "Welt am Sonntag" so: "Die Geschäfte haben die enge Beziehung zwischen den Leuten und den Spielern zerstört, und die Spieler selbst verlieren ihre eigentliche Pflicht aus den Augen, den Stolz, diese Menschen repräsentieren zu dürfen."

Und genau das ist es, was dem Fußball seit einigen Jahren bereits so schwer zu schaffen macht. Es ist nicht das Geld alleine, von dem im Profifußball ohnehin schon immer reichlich vorhanden war, sondern der Umstand, dass das Geld primär geworden ist - und das im Zuge dieser Entwicklungen das Spiel als solches nur noch an zweiter Stelle steht. Oder deutlicher formuliert: Das Spiel ist alleine noch Mittel zum Zweck - und nicht der Zweck selbst. Kurzum: Das ganze System ist bedrohlich erkrankt!

Eine Sache kristallisiert sich dabei immer deutlicher heraus: Wenn der Profifußball in diesem Stile weitermacht, wird man sich eines Tages nicht darüber wundern dürfen, wenn er einen akuten Infarkt erleidet. Wer dann, in diesem dramatischen Augenblick nach Professor Brinkmann ruft, beweist eine ganze Menge Humor und Lebensweisheit!

Quelle: n-tv.de


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