Berlin und Paris streiten über neue Eingreiftruppe

  07 November 2018    Gelesen: 720
Berlin und Paris streiten über neue Eingreiftruppe

Deutschland und Frankreich steuern auf einen weiteren Konflikt in der Verteidigungspolitik zu. Kurz vor einem Treffen am Mittwoch in Paris ist strittig, wie es mit der von Frankreich angeschobenen “Interventions-Initiative” - einer engeren militärischen Zusammenarbeit von neun europäischen Staaten - weitergehen soll.

In Berlin wächst das Misstrauen, welches Ziel die Regierung in Paris mit dem Zusammenschluss außerhalb der Strukturen von EU und Nato tatsächlich verfolgt. Vor allem im deutschen Militär wird die Warnung lauter, Frankreich gehe es ausschließlich um eigene Interessen. Die Regierung in Paris halte sich nicht an Absprachen und wolle Deutschland in einen Kampfeinsatz in Afrika hineinziehen. “Frankreich geht es ganz klar um Afrika, um den Sahel, und eine Entlastung der Franzosen dort”, heißt es in Militärkreisen. “Es geht um Operationen, die vornehmlich französischen Interessen dienen und weniger europäischen, ganz zu schweigen von deutschen Interessen.”

Die “Interventions-Initiative” geht auf einen Vorstoß des französischen Präsidenten Emmanuel Macron vom September 2017 zurück. Frankreich will damit eine Gruppe der Willigen um sich versammeln, die im Falle einer Krise auch ohne die USA zu einem raschen militärischen Eingreifen bereit ist. Deutschland hatte die Pläne zwar begrüßt. Es wollte die Initiative aber innerhalb der EU-Strukturen ansiedeln, konkret in der Kooperation für eine verstärkte militärische Zusammenarbeit (Pesco). Am Ende setzte sich Paris durch, das einen Zusammenschluss außerhalb der EU forderte. Auf Drängen Berlins soll die Initiative jedoch so nah wie möglich an die Pesco angebunden werden. Es gehe nicht um die Schaffung einer neuen Eingreiftruppe oder das Vorhalten von Truppen, wird in der Absichtserklärung betont, mit der Frankreich, Großbritannien, Deutschland und sechs weitere Staaten Ende Juni den Startschuss für das Vorhaben gaben.

“WIR WOLLEN DAS NICHT, UND WIR KÖNNEN DAS NICHT”

Vier Monate später mehren sich in Berlin jedoch die Befürchtungen, dass die Pläne der Franzosen weit über die bisherigen Absprachen hinausgehen. “Die Franzosen reden über Fähigkeiten, aber man merkt schon, das sie für konkrete Einsatzfälle vorplanen und dafür am liebsten auch gleich Truppen vorhalten würden”, heißt es in deutschen Militärkreisen. Frankreich wolle so vermutlich seine 4500 Soldaten starke Anti-Terror-Truppe Barkhane entlasten, die im Sahel gegen radikale Islamisten kämpft. Darüber hinaus könnten auch Kampfeinsätze in Libyen oder Zentralafrika zum Thema werden.

“Abgesehen davon, dass wir das nicht wollen, können wir das auch gar nicht”, heißt es in deutschen Militärkreisen. Die Bundeswehr sei schon mit den aktuellen Einsätzen personell am Anschlag und müsse eher überlegen, Einsätze zu beenden, um noch ausreichend Soldaten für die zusätzlichen Aufgaben in der Landes- und Bündnisverteidigung verfügbar zu haben. Dazu komme eine womöglich rechtlich fragwürdige Einsatzgrundlage. Einen Nato- oder EU-Einsatz auf die Beine zu stellen, dauere den Franzosen zu lange, zumal mit dem Widerstand anderer Länder zu rechnen sei. Die Regierung in Paris wolle daher lieber mit einer Koalition der Willigen handeln, gerne mit UN-Mandat, wenn nötig aber auch ohne.

“Das wollen wir nicht, weil wir Angst haben, dass wir da in etwas hineinschlittern, was dem Parlamentsbeteiligungsgesetz widerspricht”, heißt es in der Bundeswehr. Das Gesetz schreibt vor, dass der Bundestag bewaffnete Einsätze der Truppe genehmigen muss. Von einer engen Anbindung an die Pesco und damit an das Regelwerk der EU sei ohnehin keine Rede mehr. “Frankreich sagt ganz klar: Wir fühlen uns daran nicht gebunden.” Wenn man Europa jedoch ernstnehme, müsse man alle Kräfte in Europa und die Pesco investieren.

Zudem stelle sich grundsätzlich die Frage, weshalb Deutschland sich stärker militärisch engagieren sollte. “Die Franzosen haben sich aus Afghanistan abgemeldet und aus anderen Einsätzen, wo wir mit starken Kräften vor Ort sind”, heißt es in der Bundeswehr. Auch aus dem Kosovo ist Frankreich schon lange abgezogen, an den Abschreckungs-Bataillonen im Baltikum beteiligt sich das Land nur mit einem relativ geringen Beitrag. Deutschland dagegen hat schon heute knapp 1000 Soldaten als Teil eines Blauhelm- und eines Ausbildungseinsatzes in Mali stationiert.

“ES GEHT IN PARIS VOR ALLEM UM DEN MEDIALEN ERFOLG”

In der militärischen Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Frankreich knirscht es schon länger: In der Rüstungspolitik gibt es Streit über die milliardenschwere Entwicklung eines neuen Kampfjets. Auch hier kritisieren Insider aus dem deutschen Militär und der Industrie, Deutschland trete nicht entschlossen genug für die eigenen Interessen ein und riskiere, von Frankreich über den Tisch gezogen zu werden. Die symbolträchtige Deutsch-Französische Brigade wiederum funktioniert hauptsächlich auf dem Papier: Gemeinsam im Einsatz war der gesamte Verband seit seiner Aufstellung vor fast 30 Jahren noch nicht.

Macron steht unterdessen innenpolitisch immer stärker unter Druck. Ein halbes Jahr vor der Europa-Wahl überholte am Sonntag die rechtsextreme Partei von Marine Le Pen, Rassemblement National, in einer Umfrage erstmals seine Bewegung En Marche. Einen außenpolitischen Erfolg könnte Macron in dieser Situation gut gebrauchen, die Konferenz am Mittwoch wäre ein schöner Anlass dafür. “Bei dem Treffen geht es in erster Linie um den medialen Erfolg, deshalb wollte Frankreich auch die Minister dabei haben”, heißt es bei der Bundeswehr. Auf allzu viel medialen Glanz wird Macron allerdings verzichten müssen: Die Verteidigungsminister Deutschlands, Großbritanniens und Spaniens werden nach Angaben aus Militärkreisen lediglich Vertreter nach Paris entsenden. Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen sei wegen der Haushaltsverhandlungen in Berlin gebunden, erklärte ein Sprecher ihres Hauses.

reuters


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