Steinmeier feiert die deutsche Republik

  09 November 2018    Gelesen: 977
Steinmeier feiert die deutsche Republik

100 Jahre nach der Novemberrevolution würdigt Bundespräsident Steinmeier die Errungenschaften der ersten deutschen Republik, die bis heute nachwirkten. Gleichzeitig warnt er vor Gefahren für die heutige Demokratie.

Zum Jahrestag der Novemberrevolution 1918 und der antijüdischen Pogromnacht 1938 hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier für einen "demokratischen Patriotismus" in Deutschland geworben. Die Katastrophe zweier Weltkriege und der Holocaust seien unverrückbarer Teil der deutschen Identität, sagte Steinmeier in einer Gedenkstunde des Bundestags in Berlin. Zugleich sollte aber auch an die Wurzeln von Demokratie- und Freiheitsstreben erinnert werden, für die der demokratische Aufbruch von 1918 stehe.

"Es lebe die deutsche Republik!", sagte Steinmeier und zitierte damit jene Worte, mit denen Philipp Scheidemann vor 100 Jahren die Weimarer Republik ausgerufen hatte. "Wir können stolz sein auf die Traditionen von Freiheit und Demokratie, ohne den Blick auf den Abgrund der Shoa zu verdrängen", sagte der Bundespräsident weiter. Nationalisten würden die Vergangenheit vergolden und eine heile Welt beschwören, die es so nicht gegeben habe. "Ein demokratischer Patriotismus aber ist kein wohliges Ruhekissen, sondern ein beständiger Ansporn."

Der 9. November 1918, als Scheidemann die Republik ausrief, habe in der deutschen Erinnerung nie den Platz gefunden, der ihm zustehe, beklagte Steinmeier. "Er ist ein Stiefkind unserer Demokratiegeschichte." Gleichzeitig verwies der Präsident darauf, dass das Denken und Handeln der Weimarer Demokraten über die erste Republik hinaus gewirkt hätten. "Die Mütter und Väter der Bundesrepublik, von denen viele in der Weimarer Zeit geprägt worden waren, konnten nach 1945 auf deren Kenntnissen aufbauen und aus ihren Irrtümern lernen."

Es bleibe aber die "schwierigste und schmerzhafteste Frage der deutschen Geschichte", wie wenige Jahre nach dem demokratischen Aufbruch 1918 Feinde der Demokratie Wahlen gewinnen konnten und das deutsche Volk seine europäischen Nachbarn mit Krieg und Vernichtung überzog, "jüdische Familien in Viehwagen pferchte und Eltern mit ihren Kindern in Gaskammern schickte", sagte Steinmeier weiter.

"Liberale Demokratie wieder unter Druck"
Entschieden warnte der Bundespräsident davor, Weimarer und Bundesrepublik gleichzusetzen. "Ja, wir leben in Zeiten, in denen die liberale Demokratie wieder unter Druck gerät, in denen ihre Gegner lauter und selbstbewusster werden. Aber wenn bisweilen, in raunenden Tönen, vor 'Weimarer Verhältnissen' gewarnt wird, dann weise ich das entschieden zurück." So mache man unsere Demokratie kleiner und ihre Gegner größer, als sie sind. Steinmeier erinnerte zudem an den Fall der Mauer 1989 - "den glücklichsten 9. November in unserer Geschichte".

Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble rief zum Gedenken an die historischen Ereignisse des 9. Novembers dazu auf, Frieden und Freiheit nie wieder zu gefährden. "Der 9. November ist der Schicksalstag der Deutschen", sagte er im Bundestag. "An diesem Datum verdichtet sich unsere jüngere Geschichte in ihrer Ambivalenz, mit ihren Widersprüchen und Gegensätzen", so Schäuble.

"Das Tragische und das Glück, der vergebliche Versuch und das Gelingen, Freude und Schuld: All das gehört zusammen. Untrennbar", sagte Schäuble weiter. Angesichts der antijüdischen Pogrome am 9. November 1938 nannte er es ein "Geschenk", dass heute wieder lebendiges Judentum in Deutschland Realität geworden sei. Aktuelle Übergriffe auf Juden und jüdische Einrichtungen zeigten aber, wie nötig deren Schutz immer noch sei.

Liebe Nutzerinnen und Nutzer, morgen ist der 9. November. Dann jährt sich zum 100. Mal die Ausrufung der Republik – die Geburtsstunde der parlamentarischen Demokratie in Deutschland. Der 9. November ist ein Tag der Widersprüche: 1938 steht für den Zivilisationsbruch der Nationalsozialisten, 1989 wiederum für die Freude über den Mauerfall. Über diesen besonderen Tag spricht Bundespräsident Steinmeier morgen im Bundestag – und heute hier auf Facebook. Er sagt: „Ich würde mich sehr freuen, wenn wir darüber ins Gespräch kämen.“

Quelle: n-tv.de


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