Es klang nach einer Heldengeschichte: Als Kate McClure im Oktober 2017 mit ihrem Auto auf einer Landstraße liegen bleibt, ist ein Obdachloser zur Stelle, der ihr helfen will. Johnny Bobbitt Junior sagt der jungen Frau, sie solle im Auto sitzenbleiben und es von innen verschließen. Dann zieht er los, um mit seinen letzten 20 Dollar Sprit zu kaufen. Sie schießen noch ein Foto zusammen, bevor McClure weiterfährt. Als Dank setzt sie Stunden später zusammen mit ihrem Lebensgefährten Mark D'Amico eine Spendenkampagne für Bobbitt auf - die insgesamt 400.000 Dollar einbringt.
Nun sind alle drei festgenommen worden, denn: Der Vorfall hat so offenbar nie stattgefunden. Die junge Frau und der Obdachlose sollen sich die Geschichte ausgedacht haben, um Geld zu machen.
"Die Geschichte klang zu gut, um wahr zu sein. Leider war sie es", sagte der Staatsanwalt von Burlington County, Scott Coffina. "Die gesamte Spendenkampagne basierte auf einer Lüge."
Laut Coffina habe McClure in einer Chatnachricht an eine Freundin weniger als eine Stunde nach Veröffentlichung der Spendenkampagne zugegeben, dass Bobbitt ihr nie assistiert habe. "Die Sache mit dem Sprit ist komplett erfunden, aber der Typ nicht", schrieb sie laut Staatsanwalt mit Blick auf Bobbitt. "Ich musste mir etwas ausdenken, damit die Menschen sich schlecht fühlen."
McClure und D'Amico hatten die Geschichte auch gegenüber Zeitungen und in Fernsehauftritten erzählt und sie so einem breiten Publikum bekanntgemacht. Coffina versprach, dass die Menschen, die über die Webseite GoFundMe für Bobbitt gespendet hatten, ihr Geld zurück bekämen. GoFundMe bestätigte das.
"Fast nichts an der Geschichte ist wahr"
McClure, D'Amico und Bobbitt sind nun angeklagt: wegen Betrugs und Verschwörung, um Diebstahl durch Täuschung zu begehen. Sie könnten jeweils zu bis zu zehn, vielleicht sogar 20 Jahren Gefängnis verurteilt werden.
Coffina sagte, dass fast nichts an der Erzählung wahr sei. So sei McClure nicht liegengeblieben, Bobbitt habe sie nicht in ihrer Not entdeckt und habe nicht sein letztes Geld zu ihrer Rettung eingesetzt. Stattdessen soll sich die Gruppe im Oktober 2017 in der Nähe eines Casinos in Philadelphia getroffen haben, kurz bevor die Spendenkampagne online ging.
Im vergangenen August zerstritten sich die drei Angeklagten jedoch: Bobbitt warf dem Paar Betrug vor und verklagte McClure und D'Amico. Sie hätten "wesentliche Beträge der Summe" für ihre eigenen Zwecke genutzt. Die Polizei durchsuchte daraufhin das Haus des Paares in Florence und beschlagnahmte ein Auto. Die Untersuchung des Falls begann laut Coffina, als Teile der Geschichte im Rechtsstreit vor Gericht "nicht richtig klangen" und das Misstrauen der Juristen weckten.
Inzwischen hatte das Paar offenbar einen Großteil der 400.000 Dollar ausgegeben. Aus einem Chatverlauf vom März 2018 geht laut Staatsanwalt hervor, dass zu dem Zeitpunkt weniger als 10.000 Dollar übrig gewesen seien. Das Paar hätte zuvor einen BMW gekauft, fuhr über Neujahr nach Las Vegas, erstand teure Handtaschen und hob mehr als 85.000 Dollar in verschiedenen Casinos ab.
Quelle : spiegel.de
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