Der Bundestag debattiert heute über die Organspende. Dabei wird es auch um den Vorschlag von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn gehen, der eine doppelte Widerspruchslösung einführen will. Solche Regelungen existieren bereits in vielen europäischen Ländern, die Versorgungssituation dort ist oft deutlich besser als in Deutschland. Kritiker betrachten den Vorschlag aber als unzulässigen Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht.
Wie viele Menschen brauchen ein Spenderorgan?
Die Zahl der Organspender sinkt seit Jahren beständig. 2017 fielen die Organspendezahlen auf den niedrigsten Stand seit 20 Jahren. Nach Angaben der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) warten deutschlandweit rund 10.000 schwer kranke Patienten auf ein Spenderorgan. Allein 8000 Menschen brauchen demnach eine neue Niere. Im Schnitt sterben drei Menschen täglich, weil sie nicht rechtzeitig mit einem Spenderorgan versorgt werden können.
Wie soll die gesetzliche Neuregelung aussehen?
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat den Vorschlag einer Widerspruchslösung eingebracht, um die Versorgungssituation mit Spenderorganen zu verbessern. Das hieße: Grundsätzlich ist jeder nach seinem Tod ein potenzieller Spender - außer, er hat zu Lebzeiten widersprochen. Bisher ist die Regelung gewissermaßen genau umgekehrt: Organspender wird, wer sich dafür entscheidet.
Allerdings planen Spahn und der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach eine sogenannte doppelte Widerspruchslösung. Das bedeutet: Liegt kein schriftlicher Widerspruch gegen eine Organspende vor, müssen zusätzlich die Angehörigen gefragt werden, ob der Verstorbene zu Lebzeiten gesagt hat, dass er kein Spender sein will.
Warum ist der Vorschlag so umstritten?
Kritiker führen an, der Staat greife so in das Selbstbestimmungsrecht jedes Einzelnen ein. Zugespitzt gesagt: Nach dem Tod geht der Körper in den Besitz des Staates über, der dann entscheiden darf, was damit passiert. Der Deutsche Ethikrat spricht von einem schwerwiegenden Paradigmenwechsel – von einer freiwilligen Spendenbereitschaft hin zu einer staatlich verordneten Sozialpflichtigkeit des menschlichen Körpers mit Widerspruchsmöglichkeit. Auch im Parlament regt sich Widerstand. Der CSU-Gesundheitspolitiker Stephan Pilsinger argumentiert etwa "Die Widerspruchslösung ist ein unzulässiger Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht." Einem Bericht des Redaktionsnetzwerks Deutschland zufolge arbeiten Abgeordnete von Union, SPD, Grünen, Linkspartei und FDP an einem gemeinsamen Gruppenantrag, um Spahns Vorstoß zu verhindern.
Was könnte das Ergebnis der heutigen Debatte sein?
Heute findet im Parlament eine Orientierungsdebatte statt. Das heißt, es werden erstmal nur Argumente zur Organspende ausgetauscht. Danach sollen verschiedene Gruppen an ihren Anträgen weiterarbeiten. Diese könnten dann im Frühjahr 2019 im Plenum beraten werden. Spannend wird die Debatte dennoch: Die Abgeordneten müssen keine Rücksicht auf die Mehrheitsmeinung ihrer Fraktion nehmen, da es sich um eine ethische Frage handelt. Dass die Positionen auch intern deutlich voneinander abweichen, zeigt auch der Umstand, dass Jens Spahn und Pilsinger derselben Fraktion angehören. Spahn will das Gesetz gerne ändern, Pilsinger ist einer der entschiedendsten Gegner einer solchen Änderung.
Quelle: n-tv.de
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