Müsste man das Verhältnis von Donald Trump und Xi Jinping in einem Satz beschreiben, könnte er sehr gut so lauten: Sie sind ziemlich beste Feinde. Vor gut einem halben Jahr hörte sich das anders an. Damals tönte der US-Präsident auf Twitter: "Ich und Chinas Präsident Xi Jinping werden immer Freunde bleiben, egal was im Handelsstreit passiert. China wird Handelshindernisse beseitigen, weil es das Richtige ist. Die Abgaben werden gegenseitig sein, eine Vereinbarung über geistiges Eigentum wird geschlossen." Ob es frommes Wunschdenken, Übermut oder diplomatisches Geplänkel war, lässt sich nicht sagen. Der Plan ist jedenfalls bis heute nicht aufgegangen.
Wenn es am Rande des G20-Treffens in Argentinien Ende der Woche zum Showdown zwischen den beiden mächtigsten Männern der Welt kommt, rechnen Beobachter nicht mehr mit großen Freundschaftsbekundungen, sondern im besten Fall mit einem Waffenstillstand. Trumps oberster Wirtschaftsberater Larry Kudlow versucht zwar im Vorfeld gute Stimmung zu verbreiten: "Wir haben die Chance, das Blatt zu wenden." Dafür müsste sich Peking jedoch erheblich auf die USA zubewegen.
Davon ist zur Zeit nichts zu erkennen. Die gewünschte Öffnung seiner Märkte treibt China nur widerwillig voran. Die Zollspirale zwischen den größten Volkswirtschaften der Welt dreht sich immer schneller und die Streitereien folgen mittlerweile einem allseits bekannten Muster: Eskalation folgt Deeskalation, dann wieder eine weitere Runde Drohungen und neue Sanktionen. Pünktlich zum G20-Treffen in Argentinien ist der US-Präsident wieder im Angriffsmodus.
Trump und Xi zeigen Härte
Beobachter werten es bereits als Erfolg, dass Trump und Xi sich überhaupt noch an einen Tisch setzen. Denn Washington hat bereits die nächste Drohkulisse aufgebaut: Sollte es zwischen Trump und Xi nicht zu einer Einigung kommen, will der US-Präsident die verhängten Strafzölle auf Waren im Wert von 200 Milliarden Dollar ab Januar noch einmal deutlich verschärfen - von zehn auf 25 Prozent. Schlimmstenfalls könnten die Amerikaner sogar alle Warenimporte aus China im Wert von insgesamt über 500 Milliarden Dollar mit Zöllen belegen.
Die Volksrepublik müsse sich endlich zu freiem, fairem und wechselseitigem Handel bekennen, fordert Trumps Wirtschaftsberater Kudlow. China sei "eine große Volkswirtschaft, es ist nicht so wie vor 25 oder 30 Jahren". Soll heißen: Schutzwürdig so wie manch andere Industrie in Fernost ist die Volksrepublik schon lange nicht mehr. Zu den Bedingungen der USA gehört auch ein Bekenntnis zum Verzicht auf den Diebstahl geistigen Eigentums. Peking jedoch hält sich trotz aller Drohgebärden jedoch bedeckt. Bislang bekräftigte Xi lediglich noch einmal seine vage Zusage, dass sich die Volksrepublik für ausländische Investoren stärker öffnen werde. In den kommenden fünf Jahren werde sein Land zudem Waren im Wert von zehn Billionen Dollar importieren.
Für eine Einigung braucht es mehr. Trump fordert den großen Wurf. Kurz vor dem Treffen zeigt er sich fest entschlossen, den Druck auf Peking aufrecht zu erhalten. Es sei "höchst unwahrscheinlich", dass er auf die für kommendes Jahr geplante Erhöhung der Strafzölle verzichte, kündigte er an.
Wer hat den längeren Atem?
Washington baut darauf, dass sich das lange Ringen am Ende auszahlen wird. "Am Ende des Regenbogens" stehe ein "Topf voller Gold", formulierte es Kudlow einmal. Damals war er sich aber auch noch sicher, dass es keinen Handelskrieg geben würde. Einige Zollrunden später wählt er seine Worte lieber vorsichtiger: "Ich glaube, wir sind in einer weit besseren Verfassung, um dies durchzustehen, als es China ist."
Der Druck wächst. Und je länger der Streit dauert, desto teurer wird er. Auch in der US-Industrie zeigen sich mittlerweile deutlich Bremsspuren des Handelskriegs. Der größte US-Autobauer General Motors (GM) kündigte diese Woche an, nicht die Zeche für Trumps Stahl- und Aluminiumzölle zahlen zu wollen. Er schließt in den USA vier Werke und streicht jede sechste Stelle. Für Trumps Politik ist es eine schallende Ohrfeige.
Das Paradoxe ist: Trump hat eigentlich gute Gründe. Das Handelsdefizit der USA mit China ist real. Auch die Europäer werfen Peking protektionistische Tendenzen vor. Der Diebstahl geistigen Eigentums treibt ebenfalls nicht nur die USA um. Vielen westlichen Unternehmen und Regierungen sind Chinas Praktiken seit langem ein Dorn im Auge. Europa wollte es sich bislang einfach nur nicht mit dem Reich der Mitte verscherzen. Ein Blick auf Volkswagen erklärt es: Die Wolfsburger verkaufen dort mehr Autos als in jedem anderen Land der Welt.
Die USA sind lediglich in einer besseren Position als die Europäer, in Peking auf den Putz zu hauen. Im vergangenen Jahr exportierten sie für rund 130 Milliarden Dollar Waren und Dienstleistungen nach China. Umgekehrt führte die Volksrepublik Waren und Dienstleistungen im Wert von mehr als 500 Milliarden Dollar in die Vereinigten Staaten aus - fast viermal so viel.
Vom Handelskrieg profitieren andere
Die ersten Erfolge dieser Politik zeigen sich bereits. Künftig dürfen westliche Autofirmen auch die Mehrheit an Gemeinschaftsunternehmen in China besitzen - davon profitiert auch Europa. Das überfällige Einlenken Pekings dürfte Trump zu verdanken sein. Er hat die Klagen gegen China bei der Welthandelsorganisation eingereicht und er hat damit die Grundlage für eine neue gemeinsame China-Politik gelegt. Worauf es jetzt ankommt, ist Fingerspitzengefühl. Voraussetzung für einen Deal ist, dass Xi nicht als Verlierer dasteht. Er muss die Möglichkeit haben, sein Gesicht zu wahren.
Trotz verhärteter Fronten hält der Chef der US-Bank Morgan Stanley eine Einigung beim G20-Treffen für möglich. Trump sei ein "Deal-Maker", er sehe die Dinge "realistisch", sagte Colm Kelleher dem US-Sender CNBC. Trump und Xi seien "nur zwei große Tiere, die gerade lernen, miteinander zu leben".
Wenn das wirklich gelingt, ist viel gewonnen. Der befürchtete Kalte Krieg zwischen Washington und Peking wäre abwendet. Er gilt zur Zeit als größtes Risiko für Finanzmarkt und Weltwirtschaft. Die lachenden Dritten sind die Nationen Südostasiens. Denn ihnen winken mehr Investitionen und endlich auch ein größeres Stück vom Handelskuchen. Ein Land, das sich bereits große Profite und mehr Wachstum durch die Umleitung von Handelsströmen ausrechnet, ist Vietnam. Es wird stiller Beobachter des Gipfeltreffens sein.
Quelle: n-tv.de
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