Deutschland verliert einen engen Freund

  01 Dezember 2018    Gelesen: 767
Deutschland verliert einen engen Freund

George Bush senior war der 41. Präsident der USA. In seine Amtszeit fiel der Zerfall der Sowjetunion und die Öffnung des "eisernen Vorhangs" in Europa. Bush unterstützte tatkräftig die Wiedervereinigung Deutschlands.

Diese Rede hat es in sich, das spürt Helmut Kohl sofort. Der Beifall, den US-Präsident George Bush für seine Ausführungen erhält, ist zwar nicht gerade euphorisch, sondern eher zurückhaltend höflich. Aber den Bundeskanzler versetzen sie in eine gewisse Hochstimmung.

Es ist der 31. Mai 1989 in der Mainzer Rheingoldhalle. Bush, noch nicht einmal ein halbes Jahr im Amt, war nach einem schwierigen Nato-Gipfel in Brüssel in die rheinland-pfälzische Landeshauptstadt gekommen, um seine Haltung zur Einheit Deutschlands darzulegen. Nur noch wenige Tage sind es bis zum Besuch des sowjetischen Reformers Michail Gorbatschow in Bonn, und Bushs Berater erwarten, dass der Russe die Herzen der Bundesbürger im Sturm erobern wird. Sie drängen ihren Präsidenten, seinerseits die Initiative zu ergreifen. Wie es sein Vorgänger Ronald Reagan zwei Jahre zuvor in West-Berlin vor dem Brandenburger Tor tat: "Mister Gorbatschow reißen Sie diese Mauer nieder. Öffnen Sie das Tor."

Und Bush geht in die Offensive. "Glasnost mag ja ein russisches Wort sein. Offenheit ist jedoch ein westliches Konzept", sagt er an die Adresse des KPdSU-Generalsekretärs gerichtet. Der amerikanische Präsident spricht vom Warten auf ein Ende des Kalten Krieges und äußert die Hoffnung auf ein freies, ungeteiltes Europa. Während für die Mehrheit der europäischen Politiker die Überwindung der Teilung Deutschlands trotz Glasnost und Perestroika in der Sowjetunion noch in weiter Ferne liegt, sieht Bush Berlin als künftiges "Zentrum des Handels zwischen Ost und West" und nicht als Ort der Konfrontation. Er geht sogar noch weiter: Die Bundesrepublik Deutschland könnte "Partner in der Führerschaft" werden.

"Deutsche sind ein vorbildlich demokratisches Volk"

Bush merkt bereits frühzeitig, dass es die Geschichte Ende der 1980er Jahre gut mit der westlichen Führungsmacht und auch mit ihm meint. Im sowjetischen Machtbereich brodelt es seit geraumer Zeit. In Ungarn betreiben reformkommunistische Kräfte die Öffnung ihres Landes hin zum Westen, und in Polen wird die Opposition immer stärker. Bush hofft nun auf einen Dominoeffekt: "Lasst Berlin die nächste Station sein", sagt er in der Rheingoldhalle.

Wenige Monate später ist Bush auch Kohls entscheidende Stütze auf dem Weg zur Wiedervereinigung Deutschlands. Der US-Präsident sei ein wahrer Freund der Bundesrepublik, und die Deutschen verdankten ihm viel, äußert der Pfälzer mehrmals. Ohne Zweifel ist Bush der entscheidende Mann bei diesem Prozess, denn er besitzt die Macht, um den Widerstand der britischen Premierministerin Margaret Thatcher und des französischen Staatspräsidenten François Mitterrand zu brechen beziehungsweise Gorbatschow von der deutschen Wiedervereinigung zu überzeugen. Bush vertraut Kohl und den Deutschen. Sie seien "ein vorbildlich demokratisches Volk", sagte er später.

Diplomat, Geheimdienstchef, Vizepräsident

George H. W. Bush war der 41. Präsident der USA. Im Gegensatz zu seinem Sohn George W. Bush war er ein Außenpolitiker mit Leidenschaft. Seine Präsidentschaft betrug zwar nur vier Jahre, aber in dieser kurzen Zeit erfuhr die Weltkarte gravierende Änderungen: die Sowjetunion hörte auf zu existieren, Deutschland feierte seine Wiedervereinigung, in Jugoslawien setzt der Zerfallsprozess ein.

Bei alledem kamen dem am 12. Juni 1924 in Milton, im US-Bundesstaat Massachusetts, geborenen Republikaner, der der Geldaristokratie Neuenglands entstammt, die ersten beruflichen Schritte aber in der Ölbranche im konservativen Texas machte, seine außenpolitischen Erfahrungen zugute. Er war unter den Präsidenten Richard Nixon und Gerald Ford US-Botschafter bei den Vereinten Nationen und Leiter des US-Verbindungsbüros in der Volksrepublik China. In den Jahren 1976 und 1977 war Bush Direktor des Geheimdienstes CIA.

Aber zum politischen Schwergewicht wurde Bush in den 1980er Jahren - als Vizepräsident unter Ronald Reagan. Im republikanischen Vorwahlkampf war Bush gegen den Kalifornier angetreten, unterlag ihm aber. Reagan - auf dem Gebiet der Außenpolitik als ehemaliger Schauspieler und kalifornischer Gouverneur eher unerfahren - bot Bush den Vizeposten an. Dieser schlug ein und arbeitete acht Jahre loyal mit dem Präsidenten zusammen. Für die Vereinigten Staaten war es außenpolitisch eine erfolgreiche Zeit.

Breite Koalition gegen Saddam Hussein

Denn ausgerechnet die konservative Reagan-Administration vereinbarte mit der UdSSR weitreichende Abrüstungsschritte, nachdem die ökonomisch schwache kommunistische Weltmacht durch das Wettrüsten in den Ruin getrieben worden war. Bush hatte bereits vor Reagan direkten Kontakt mit dem neuen starken Mann im Kreml, Gorbatschow: Im März 1985 reiste er zur Beerdigung von Gorbatschows Vorgänger Konstantin Tschernenko nach Moskau. Bei dem neuen KPdSU-Generalsekretär handele es sich um einen sowjetischen Führer neuen Typs, kabelte Bush an Reagan. Er sollte Recht behalten.

Doch Gorbatschows Reformen griffen nicht, die militärisch furchteinflößende UdSSR stand wirtschaftlich am Abgrund und musste vom Westen finanziell gestützt werden. Bush verkniff sich jedoch gegenüber der Moskauer Führung jegliches Triumphgeheul. Tatsache war jedoch, dass die USA nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion Ende 1991 die einzige verbliebene Supermacht waren.

Diplomatisch geschickt agierte Bush auch im Sommer und Herbst 1990 nach dem irakischen Einmarsch in Kuwait. Er setzte erneut auf die Diplomatie und schaffte die Bildung einer Koalition gegen Iraks Diktator Saddam Hussein. Es gab eine UN-Resolution, die UdSSR verwahrte sich einem Militärschlag gegen den Irak nicht. Mit Ägypten, Syrien und Saudi-Arabien gewann Bush auch arabische Staaten für die im Januar 1991 beginnende "Operation Wüstensturm".

Obwohl für die alliierten Truppen der Weg nach Bagdad frei war, verzichtete Bush auf Saddam Husseins Sturz, wohl wissend, dass dieser das Land ins politische Chaos stürzen würde. Sein Sohn George W. Bush, der 2003 den Irak mit fadenscheinigen Begründungen ohne Zustimmung durch den UN-Sicherheitsrat angreifen ließ, beseitigte den Diktator zwar. Der Irak ist aber bis heute nicht zur Ruhe gekommen.

Noriegas Verhaftung und gebrochenes Steuerversprechen

Saddam Hussein beging wohl den großen Fehler, Bush zu unterschätzen. Dabei hatte der US-Präsident bereits ein Jahr zuvor - im Dezember 1989 - deutlich gemacht, dass er notfalls auf Militärinterventionen zur Durchsetzung amerikanischer Interessen setzt. So befahl er eine Militäraktion ("Operation Just Cause") gegen das mittelamerikanische Panama. Bush ließ den dortigen Machthaber Manuel Noriega verhaften und ihn ins Bundesgefängnis in Florida werfen. Noriega war bereits seit Jahren wegen seiner Beteiligung am Drogenhandel und -import in die Vereinigten Staaten auf dem US-Radar. Allerdings duldete die CIA dies eine geraume Zeit, weil Panama ein wichtiges Durchgangsland bei der Lieferung von Waffen an die nicaraguanischen Contra-Rebellen war.

Bush, der zupackende Präsident: Nach dem erfolgreichen Irak-Feldzug verzeichnete er in den USA Zustimmungswerte von um die 90 Prozent. Dennoch war ihm nur eine vierjährige Amtszeit beschieden. "It's the economy, stupid!" Mit diesem Slogan gewann der Demokrat Bill Clinton 1992 die US-Präsidentschaftswahlen. Bush hatte ihm dabei auch ordentlich "zugearbeitet". Der außenpolitische Erfolgsmensch bekam nämlich die weltgrößte Volkswirtschaft nicht flott. Zudem wurde Bush ein gebrochenes Wahlversprechen zum Verhängnis: "Read my lips: no new taxes" (Lest es von meinen Lippen: keine neuen Steuern), sagte er während des Wahlkampfs gegen den Demokraten Michael Dukakis 1988. Bush erhöhte nach dem Irak-Krieg dennoch die Steuern, die US-Bürger nahmen ihm das übel und wählten ihn ab.

Äußerlich wirkte Bush nach dieser Niederlage gelassen. Innerlich setzte sie ihm aber sehr zu. Vertraute sagten später, dass er nach der Wahlpleite gegen Clinton monatelang mit sich haderte und mit dem erlittenen Bedeutungsverlust zu kämpfen hatte. Seine Frau Barbara hatte einen großen Anteil daran, dass sich Bush dann relativ schnell mit der für ihn neuen Situation arrangierte. Überhaupt Barbara Bush: Sie war die große Stütze und eine diplomatische Geheimwaffe ihres Mannes. So hatte Barbara Bush durch ihre Freundschaft zu Hannelore Kohl auch einen maßgeblichen Anteil an der engen politischen Bindung zwischen Bush und dem deutschen Kanzler.

Im April 2017 starb Barbara. Die 92-Jährige war die älteste ehemalige First Lady der USA. Ihr Gesundheitszustand hatte sich zuletzt rapide verschlechtert. Nach einer Reihe von Krankenhausaufenthalten entschied sich Barbara Bush gegen eine weitere medizinische Behandlung. Die Bushs waren 73 Jahren lang verheiratet. Das Ehepaar hatte sechs Kinder, von denen eines im Alter von drei Jahren gestorben war.

Keine öffentlichen Ratschläge

Nach seiner Präsidentschaft hielt er sich mit klugen Ratschlägen an seine Nachfolger zurück. Auch während der Regierungszeit seines Sohnes George W. Bush blieb er bei dieser Linie. Dabei hätte dem Junior die politische Lebenserfahrung des Alten helfen können. Das Setzen auf Diplomatie durch den alten Bush hat auch mit dessen Biographie zu tun: Im Zweiten Weltkrieg entrann er als Kampfpilot dem Tod nur knapp und musste einmal sogar aus dem Pazifik gefischt werden. Bush junior war in den 1960er Jahren - während andere Amerikaner in Vietnam starben - an der "Heimatfront" eingesetzt.

Doch ausgerechnet Bushs Ältestem, den der Vater eigentlich gar nicht für das Präsidentenamt vorgesehen hatte, war eine längere Amtszeit beschieden. Bush senior hielt immer den jüngeren Sohn Jeb geeigneter für dieses schwierige Amt im Weißen Haus. Doch dieser ging im schmutzigen republikanischen Vorwahlkampf 2016 gegen den Populisten Donald Trump regelrecht unter und gab vorzeitig auf.

Dessen Vereidigung zum 45. US-Präsidenten verpasste der gesundheitlich schwer angeschlagene Bush wegen einer Lungenentzündung. Er entschuldigte sich dafür beim Immobilientycoon: "Barbara und mir tut es so leid, dass wir nicht zu deiner Vereidigung am 20. Januar kommen können." Aber seine Ärzte hätten ihm geraten, nicht rauszugehen im Januar: "Sonst könnte mich das unter die Erde bringen." Eine Art Galgenhumor, denn er lag in Houston, im US-Bundesstaat Texas, auf der Intensivstation. Überhaupt hatte Bush in seinen letzten Lebensjahren mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen. 2015 brach er sich bei einem Sturz in seinem Ferienhaus im Bundesstaat Maine einen Halswirbel und war danach an den Rollstuhl gefesselt.

Obwohl sich George Bush nach seinem Auszug aus dem Weißen Haus nicht mehr öffentlich zur amerikanischen Alltagspolitik äußerte, bot er sich seinen Nachfolgern, wenn sie es denn wollten, dennoch als Ratgeber an. "Wann immer ich helfen kann, lass es mich wissen", schrieb er Trump. Doch das geht jetzt nicht mehr. George Herbert Walker Bush starb am 30. November 2018 im Alter von 94 Jahren.

Quelle: n-tv.de


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