E-Autos kosten Deutschland bis 2035 mehr als 100.000 Jobs

  05 Dezember 2018    Gelesen: 1103
E-Autos kosten Deutschland bis 2035 mehr als 100.000 Jobs

Was bedeutet das E-Auto für den Arbeitsmarkt? Wenig Gutes, zeigt eine umfassende Studie des Forschungsinstituts der Arbeitsagentur: Viele Jobs werden wegfallen - vor allem gut bezahlte, und nicht nur in der Autobranche.

Wenn es überhaupt noch eines Belegs bedurft hätte, wie schnell und umfassend sich die Autoindustrie verändern wird, lieferte ihn vor drei Wochen Volkswagen: 30 Milliarden Euro will der Konzern allein bis zum Jahr 2023 in E-Autos investieren. Zwar wird derzeit nur einer von 1000 Pkw auf deutschen Straßen elektrisch angetrieben, auch bei Neuverkäufen sind es lediglich sieben von 1000. Doch diese Anteile werden bald deutlich steigen.

Diese Entwicklung wird sich nicht nur auf den Straßen bemerkbar machen, sondern auch auf dem Arbeitsmarkt, und das im negativen Sinne: Selbst wenn der Anteil von Elektroautos bis zum Jahr 2035 lediglich auf 23 Prozent steigt, werden netto knapp 114.000 Arbeitsplätze verloren gehen, für einfache Helfertätigkeiten ebenso wie für hochqualifizierte Spezialisten. Das ist das Ergebnis einer komplexen Berechnung, die das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) nun veröffentlicht hat.

Auch die Konjunktur wird demnach leicht gebremst: Die Wirtschaftsleistung Deutschlands werde 2035 - umgerechnet auf das derzeitige Preisniveau - um mehr als 20 Milliarden Euro oder 0,6 Prozentpunkte niedriger liegen, als sie es ohne den Trend zum E-Auto wäre.

In jüngster Zeit sind die möglichen Auswirkungen des E-Auto-Trends auf Jobs bereits mehrfach untersucht worden. Die Ergebnisse sind sehr unterschiedlich, von hohen Arbeitsplatzverlusten bis hin zu einem Jobplus in der Gesamtwirtschaft. Doch viele dieser Studien waren eher grobe Schätzungen oder betrachteten lediglich isoliert die Auswirkungen in einzelnen Bereichen wie etwa der Motorenfertigung.

Das IAB hat die Auswirkungen nun jedoch umfassend und detailliert berechnet - etwa für verschiedene Branchen von der Autoindustrie selbst bis hin zum Gastgewerbe, aber auch für verschiedene Berufe oder Qualifikationsniveaus. Hintergrund ist die Funktion des IAB als Forschungseinrichtung der Bundesagentur für Arbeit (BA). Die BA ist darauf angewiesen, die Auswirkungen neuer Technologien auf den Arbeitsmarkt schon vorab so detailliert wie möglich zu kennen. So kann die Behörde sich darauf einstellen, wie viele Menschen mit welcher Qualifikation und in welchen Branchen arbeitslos werden könnten, etwa um dann passende Umschulungen anbieten zu können.

Relativ optimistische Annahmen

Die IAB-Experten fütterten ihre Rechenmodelle daher mit zahlreichen Annahmen, nicht nur über naheliegende Faktoren wie den Marktanteil von E-Autos oder den Ausbau der Ladesäulen-Infrastruktur, sondern auch über weniger naheliegende Faktoren wie den Bedarf an Weiterbildung oder chemischen Produkten.

Insgesamt simuliert die Studie für das Jahr 2035 eine Situation, die aus Sicht der deutschen Autoindustrie noch relativ optimistisch ist:

So steigt der Anteil der E-Autos in dem Szenario lediglich auf 23 Prozent, die Gesamtzahl aller verkauften Pkw bleibt in etwa gleich.

Zudem gehen die Experten davon aus, dass die deutschen Autobauer ihren Rückstand bei der Elektromobilität aufholen können und auch bei E-Autos ähnlich erfolgreich sein werden wie derzeit bei Pkw mit Verbrennungsmotoren, sowohl auf dem deutschen Markt als auch im Ausland.
Allerdings würden sie mit den Batterien eine wichtige Komponente fast vollständig aus dem Ausland importieren müssen.

Die Forscher untersuchten ausschließlich den Effekt des steigenden Anteils an elektrisch angetriebenen Pkw - berücksichtigten aber nicht möglicherweise ebenfalls steigende Anteile bei Transportern, Kleinlastern oder Lkw.

Unter diesen Bedingungen entstehen der Studie zufolge kurzfristig erst einmal mehr Arbeitsplätze und die Wirtschaft wird angekurbelt. Das liegt vor allem an den hohen Investitionen, nicht nur durch die Autobauer selbst in die neue Technologie und Fertigung, sondern auch in die Infrastruktur - also etwa für den Ausbau des Netzes von Ladesäulen, aber auch für Kraftwerke und intelligente Stromnetze, die dem speziellen Bedarf von E-Autos angepasst sind.

Unter dem Strich sind in diesem Jahr dadurch 39.000 neue Jobs dazugekommen, im kommenden Jahr werden es 47.000 sein. Hauptsächlich entstehen diese Arbeitsplätze nicht bei den Autobauern selbst, sondern etwa im Maschinenbau oder in der IT-Branche.

Schon bald wird sich dieser positive Trend der Studie zufolge jedoch umkehren. Bereits im Jahr 2022 sorgt der E-Auto-Trend demnach für einen Nettoverlust von 4000 Jobs, der in den Folgejahren immer größer werden wird.

Dabei werden die Jobs nicht nur in der Autobranche selbst wegfallen. Auch beispielsweise das Gastgewerbe oder die Versicherungswirtschaft sind demnach betroffen. In wenigen anderen Branchen werden hingegen auch langfristig netto mehr Jobs entstehen, etwa auf dem Bau oder in der Energieversorgung. Unter dem Strich reicht das aber bei Weitem nicht, um den Jobverlust an anderen Stellen auszugleichen.

Und diesmal wären nicht vor allem Geringqualifizierte von Arbeitsplatzverlust bedroht. Der IAB-Studie zufolge würden weit mehr Jobs für Fachkräfte, Spezialisten und sogar Experten verloren gehen als für Helfertätigkeiten. Relativ gesehen schrumpft die Zahl der Jobs für Hochqualifizierte um rund 0,3 Prozent, für Geringqualifizierte und Facharbeiter um 0,2 Prozent.

So muss es aber nicht zwingend kommen. Den Autoren zufolge könnte der Verlust an Jobs und Wirtschaftsleistung auch deutlich höher ausfallen - nämlich dann, wenn der Anteil von E-Autos wesentlich stärker steigt als angenommen. Andererseits ist es sogar möglich, dass auch langfristig unter dem Strich mehr neue Jobs entstehen und die Wirtschaft stärker wächst. Dafür müsste aber die Batteriefertigung in Deutschland selbst stattfinden und die Autobauer ihren Marktanteil steigern können.

spiegel


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