Nach den neuen gewalttätigen Protesten in Paris und anderen Städten hat die französische Regierung eine Bilanz ihrer veränderten Strategie gezogen. Nach offiziellen Angaben wurden mindestens 135 Menschen verletzt - 118 Demonstranten und 17 Polizisten. Die Gesundheitsbehörde sprach sogar von 179 Verletzten, die landesweit in Krankenhäusern behandelt wurden.
Das Innenministerium schätzt, dass sich etwa 125.000 Menschen an den Demonstrationen beteiligten. Es gab 1385 Festnahmen, 975 Menschen wurden in Gewahrsam genommen. Innenminister Christophe Castaner erklärte, das starke Polizeiaufgebot bleibe auch heute im Einsatz.
Ministerpräsident Edouard Philippe rief die Polizisten auf, wachsam zu bleiben, weil einige Demonstranten weiter durch Paris zögen. Gleichzeitig kündigte er die Fortsetzung des Dialogs mit den "Gelbwesten" an. "Der Dialog hat begonnen und muss fortgesetzt werden", sagte er am Abend nach den jüngsten Ausschreitungen in Paris und anderen Städten. Präsident Emmanuel Macron werde sich äußern "und Maßnahmen vorschlagen, die diesem Dialog Nahrung geben" sollen. Nähere Angaben machte Philippe nicht.
Abschreckung und Härte
Die schwersten Krawalle hatte es am Samstag erneut in der Hauptstadt Paris gegeben, wohin nach offiziellen Angaben etwa 10.000 Demonstranten gekommen waren. Schaufenster wurden zerstört, Fahrzeuge angezündet und Barrikaden errichtet. Die Polizei verschoss den ganzen Tag über Tränengas und setzte Wasserwerfer ein.
Die Sicherheitskräfte setzten viel stärker als an den Wochenenden zuvor auf Abschreckung und Härte. Allein in der Hauptstadt waren ungefähr 8000 Polizisten im Einsatz. Bereits an vielen Zufahrtsstraßen und Bahnhöfen wurden Personen- und Gepäckkontrollen durchgeführt. Die Polizei beschlagnahmte beispielsweise Helme, Eisenkugeln und Hämmer.
Die Gendarmerie hatte gepanzerte Fahrzeuge aus den Depots geholt und berittene Einheiten mobilisiert. Wo immer "Gelbwesten" Barrikaden errichteten oder Feuer legten, schritt die Polizei ein. Die Feuerwehr war zur Stelle, um Brände schnell zu löschen.
"Szenen des Chaos" in Paris
Möglicherweise verhinderte die Strategie der Härte schlimmere Krawalle wie am vergangenen Wochenende. Dennoch beklagte die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo "Szenen des Chaos" in ihrer Stadt. Opfer der Ausschreitungen seien vor allem die Händler, die Schäden seien "unermesslich". Viele Geschäfte und Sehenswürdigkeiten blieben am Samstag geschlossen.
Proteste auch im Süden
Auch aus Marseille, Toulouse und Bordeaux wurden Krawalle gemeldet. Der Bürgermeister von Saint Etienne im Südosten des Landes kritisierte Macron dafür, dass er immer noch nicht ausführlich zu den Protesten der "Gelbwesten" Stellung bezogen hat. Das Schweigen verstärke die Ablehnung. "Macron trägt die direkte Verantwortung für das Geschehen", sagte Gael Perdriau, der den Konservativen angehört.
Die Demonstranten, die als Erkennungszeichen gelbe Warnwesten tragen, protestieren gegen hohe Lebenshaltungskosten und Macrons Steuerpolitik. Viele von ihnen fordern den Rücktritt des Präsidenten. Am vergangenen Samstag war es in Paris zu den schwersten Ausschreitungen seit den Studentenprotesten 1968 gekommen.
tagesschau
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