Offener Brief an Arbeitsminister Hubertus Heil: Das große Kuschen vor der Wirtschaft

  22 Dezember 2018    Gelesen: 702
  Offener Brief an Arbeitsminister Hubertus Heil: Das große Kuschen vor der Wirtschaft

Die Bundesregierung steigt auf das Jammern der Arbeitgeber ein und setzt nun auf Fachkräftezuwanderung aus den sogenannten Drittstaaten. Vor dem Hintergrund der hohen Arbeitslosigkeit in vielen EU-Ländern und der geschönten Arbeitslosenstatistik in Deutschland wird offensichtlich, welches Spiel die Bundesregierung treibt.

Sehr geehrter Herr Sozialminister Hubertus Heil (SPD), bei der Vorstellung des Gesetzentwurfs am Mittwoch warb die Bundesregierung koalitionsübergreifend für Ihr neues „Fachkräfteeinwanderungsgesetz“. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sprach von einem „historischen Tag“. Heimatminister Horst Seehofer (CSU) will mit dem Gesetz sogar illegale Migration bekämpfen. Wie dieses Gesetz konkret dazu beitragen kann, illegale Migration „zurückzudrängen“, ließ er jedoch aus. Von einem „modernen und neuen Gesetz“ sprachen Sie, Herr Heil.

Koalitionsübergreifend klagten sie Drei darüber, wie sehr doch die deutsche Wirtschaft auf Fachkräfte aus dem Ausland angewiesen und dass die Zahl der offenen Stellen bereits auf über 1,2 Millionen gestiegen sei. „Wir wissen, dass die deutsche Wirtschaft Fachkräfte aus Drittstaaten benötigt“, unterstrich Seehofer.

Doch woher weiß das der Heimatminister?

Diese Frage beantwortet ganz deutlich Altmaier: „Die deutsche Wirtschaft habe klare Erwartungen an die Politik formuliert.“ Dabei zählte der Minister diverse Arbeitgeberverbände, wie den Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) und viele weitere auf. „Diesen Erwartungen werden wir mit diesem Gesetzentwurf gerecht.“ Na das freut uns doch alle.

Dass die „Fachkräfteklemme“, wie Sie es mittlerweile nennen, eher eine „Unterwanderung der Fachkräfte in Deutschland und der EU beim Gehalt“ ist, ließen Sie und Ihre Kollegen bei der Vorstellung komplett aus. Mit keinem Wort wurde auf das – zumindest im Ansatz mögliche – Lohndumping eingegangen und mit keinem Wort die Gefahr einer verstärkten Prekarisierung von Beschäftigungsverhältnissen erwähnt. Nein, Niedriglöhne stellen kein Problem für die Bundesrepublik und auch nicht für die Sozialdemokratie dar: Eine politische Korrektur hat die SPD hier bestimmt nicht nötig.

„Ein Fehler der Arbeitsmigration der sechziger Jahre“

Außerdem irritierten mich zutiefst Ihre Aussagen zu der „Arbeitsmigration der sechziger Jahre“, die Sie als Fehler beschrieben haben. Sowohl vom konservativen Politiker Seehofer als auch von Altmaier hätte man das erwarten können. Doch im Gegensatz zu Ihnen, formulierten die Unionsvertreter diesen Punkt überraschenderweise deutlich milder.

Meine Warnung: Ihre Arbeitsmarktpolitik, die nur den Wirtschaftsvertretern und nicht den Arbeitnehmern nützen wird, zusammen mit Ihren integrationsschädigenden Aussagen werden Ihre Partei nur noch weiter in den Abgrund der „politischen Bedeutungslosigkeit“ stürzen.

Etwas passt nicht zusammen

Wenn die Vereinten Nationen die Kinder- und Rentnerarmut in Deutschland anprangern. Wenn der Paritätische Wohlfahrtsverband von 13,7 Millionen Menschen spricht, die in Armut leben und davon ein Drittel erwerbstätig ist. Wenn die Arbeitslosenstatistik eine Million Arbeitslose einfach ausklammert. Wenn rund eine Million Bürger in Zeitarbeit tätig sind. Nicht zu vergessen: Die hohe Arbeitslosenrate innerhalb der EU, wo 17 Millionen Menschen keinen Arbeitsplatz finden können. Und das alles passiert trotz boomender Wirtschaft! Wie können Sie es dann wagen, als Sozialdemokrat und Sozialminister, das Wort „Fachkräftemangel“ auch nur in den Mund zu nehmen?

Die kürzlich veröffentlichte Studie der Bitkom zeigt: Die Besetzung von IT-Stellen scheitere vor allem an den Finanzen. „Drei von vier Unternehmen (76 Prozent) erklären, die Bewerber forderten zu viel Gehalt.“

Mein Rat: Herr Heil, hören Sie auf, den Mythos vom Fachkräftemangel zu befeuern, vor den Arbeitgebern zu kuschen und fragen Sie lieber unabhängige Arbeitsmarktexperten, beispielsweise vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) oder dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB).

sputniknews


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