Taiwan ist Drohungen aus Peking schon gewöhnt

  03 Januar 2019    Gelesen: 2125
Taiwan ist Drohungen aus Peking schon gewöhnt

Für Chinas Präsident Xi ist militärische Gewalt eine Option, um die Vereinigung mit Taiwan durchzusetzen. In dem demokratischen Inselstaat sorgt das nicht für Panik, wohl aber für Kopfschütteln.

Taiwans Regierung hat das Angebot Chinas zu einer Vereinigung unter dem Prinzip "Ein Land, zwei Systeme" abgelehnt. "Die meisten Taiwaner sind strikt dagegen", sagte Präsidentin Tsai Ing-wen als Reaktion auf eine Rede von Chinas Staatschef Xi Jinping. Ihre Regierung sei offen für Verhandlungen, jedoch auf Augenhöhe. Dazu müsse China Taiwans Demokratie und Freiheit respektieren.

International wurde Xis erste Grundsatzrede zum Thema Taiwan viel beachtet, weil er darin betonte, zur Vereinigung sei auch der Einsatz militärischer Gewalt denkbar. In Taiwan selbst war die Reaktion aber unaufgeregt, denn Xi wiederholte vor allem bekannte Standpunkte. Nur einer von zahlreichen Nachrichtensendern hatte die Ansprache überhaupt live gesendet.

Die renommierte Taiwanexpertin Bonnie Glaser sah in Xis Rede eine "Bekräftigung seiner bestehenden Politik". Die Analystin des amerikanischen Think Tanks CSIS sagte der "New York Times": "Es ist bemerkenswert, dass er keinen Zeitplan oder eine Deadline zur Vereinigung nannte. Es ist einfach nur ein Ziel."

Die 23 Millionen Taiwaner sind Drohungen gewöhnt. Die Volksrepublik erhebt seit ihrer Gründung 1949 Anspruch auf die Insel. Peking hat in der Schublade detaillierte Invasionspläne und hält ständig Raketen auf Taiwan gerichtet. 2005 räumte es sich mit dem "Anti-Abspaltungsgesetz" selbst ein Recht auf militärisches Angreifen ein. Seit dem Amtsantritt von Präsidentin Tsai 2016 tritt der Dauerkonflikt wieder deutlicher zu Tage. Sie lehnt die Idee ab, Taiwan und die Volksrepublik seien eigentlich Teile des selben Landes.

Dieses "Ein-China-Prinzip" ist Grundlage von "Ein Land, zwei Systeme". Xi betonte in seiner Rede, die Taiwaner müssten sich keine Sorgen machen, wenn sie diesen Weg einschlagen. Ihr Gesellschaftssystem, Besitz und ihre Rechte wären auch unter Pekings Oberhoheit gewährleistet.

Hongkong als abschreckendes Beispiel


Solche Versprechen glaubt in Taiwan aber kaum jemand. Hongkong dient als abschreckendes Beispiel. Als die britische Kolonie sich 1997 der Volksrepublik anschloss, hieß es, Hongkongs Rechtsstaatlichkeit und Sonderrechte blieben 50 Jahre lang unangetastet. Tatsächlich greift Peking dort inzwischen unverhohlen ein, lässt missliebige Abgeordnete aus dem Parlament entfernen und stellt sogar die Verbindlichkeit des Abkommens von 1997 grundlegend in Frage.

Die Taiwaner beobachten sehr genau, was dort, keine zwei Flugstunden entfernt, passiert. Das für Beziehungen zu China zuständige Ministerium erklärte gestern, das "Ein-China-Prinzip” als Vorbedingung für Verhandlungen ziele klar darauf ab, Taiwans Souveränität zu beenden.

Tatsächlich hatte die Volksrepublik noch nie auch nur einen Tag in Taiwan etwas zu bestimmen. In Sachen Wahlen und Gesetzgebung, Währung und Zölle, Militär und Grenzkontrollen agiert Taiwan völlig eigenständig. Unter dem Namen "Republik China" hat es diplomatische Beziehungen zu 17 Staaten, wobei die Zahl unter Pekings diplomatischem Druck schrumpft. Mit Ländern wie Deutschland oder den USA unterhält Taiwan enge inoffizielle Beziehungen und schließt verbindliche Abkommen. Umfragen zeigen immer wieder: Kaum jemand in Taiwan, auch nicht die meisten Anhänger der eher chinafreundlichen Oppositionspartei Kuomintang, will diese Errungenschaften aufgeben. Auch ohne Truppen im Land sind die USA außerdem Taiwans De-facto-Schutzmacht.

"Chinesen kämpfen nicht gegen Chinesen" - diese Passage aus Xis Rede sorgte in Taiwan für besonderes Kopfschütteln. Nur "wenige Separatisten" wären im schlimmsten Fall Ziel eines militärischen Angriffes, sagte er, als könnten Raketen unterscheiden, wen sie treffen. "Eine glatte Lüge", twitterte der Abgeordnete Wang Ting-yu, der für Taiwans Regierungspartei im Außen- und Verteidigungsausschuss sitzt. "Das Vorgehen gegen die Uiguren ist nur eines von vielen Beispielen dafür, wie Chinesen gegen ihr eigenes Volk kämpfen." In der chinesischen Region Xinjiang hat die Regierung mit der Begründung, religiösen Extremismus zu bekämpfen, Hunderttausende muslimische Uiguren in Umerziehungslager gesperrt.

Eine schnelle militärische Eskalation ist unwahrscheinlich. In gerade mal einem Jahr stehen in Taiwan Wahlen an. Präsidentin Tsai ist innenpolitisch angeschlagen. Peking dürfte auf einen Machtwechsel setzen, der die Kuomintang wieder ans Ruder bringt. Mit dieser Partei hatte es in der Vergangenheit eine Reihe von Abkommen gegeben, die beide Seiten vor allem wirtschaftlich enger miteinander verflochten. In Taiwan befürchtet man nun, dass China die Taiwaner diese richtungweisende Wahlentscheidung nicht selbst fällen lässt, sondern versuchen wird, den Wahlausgang zu manipulieren.


Quelle: n-tv.de


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