Flügel für den Frieden: Der strategische Trumpf der russischen Luftwaffe

  16 Januar 2019    Gelesen: 1484
  Flügel für den Frieden: Der strategische Trumpf der russischen Luftwaffe

Vor gut einem Jahr war es soweit: Der russische Flugzeugbauer Tupolew testete die neue Tu-160M2, eine gründlich überarbeitete Version des legendären Überschallbombers. Russlands Streitkräfte sollen bis 2035 ganze 70 dieser hochmodernen Maschinen erhalten. Ihre Mission: die nukleare Abschreckung, schreibt das Portal „Swesda“.

Es herrschte großer Aufruhr im Pentagon, als zwei russische Tu-160-Bomber im vergangenen Jahr in Venezuela auftauchten, so das Portal. Die beiden nuklearfähigen Maschinen flogen unweit der amerikanischen Grenzen, ihre Crews sammelten wertvolle Erfahrungen bei Einsätzen in einer bis dato wenig vertrauten Region.

Unter bestimmten Umständen können strategische Langstreckenbomber auch zu taktischen Einsätzen entsandt werden – wie etwa in Syrien. Dort sind russische Bombercrews insgesamt 2.500 Kampfmissionen geflogen, wobei sie Präzisionsbomben und Marschflugkörper auf die Stellungen von Terroristen abwarfen und abfeuerten.

Überdies waren die Tu-160-, Tu-95- und Tu-22-Bomber der russischen Luftwaffe im vergangenen Jahr an Militärmanövern beteiligt: an „Wostok 2018“, an der gemeinsamen Übung der SOZ-Mitgliedsländer „Friedensmission 2018“ und anderen, teilt das russische Verteidigungsministerium laut dem Portal mit.

Im Wettstreit um das Tempo

Die Verluste der US Air Force in Vietnam hatten gezeigt, dass im modernen Luftkrieg nur Überschallbomber eine Aussicht auf Erfolg und eine Zukunft haben. Die trägen B-52-Bomber waren schlicht zu leichte Beute für die Abfangjäger der Vietcong gewesen.

Die Lehre wurde gezogen, und die Vereinigten Staaten und die Sowjetunion fingen nahezu gleichzeitig damit an, überschallschnelle strategische Bombenflugzeuge zu entwickeln. Die Jets sollten fähig sein, die gegnerische Luftabwehr unbeschadet zu überwinden.

Ende 1969 schrieb die US-Luftwaffe einen neuen Bomber als Ersatz für die B-69 aus. Die Firmen North American Rockwell (Tragflächen und Systeme) und General Electric (Triebwerke) bekamen den Zuschlag. 1974 standen dann fünf Prototypen für Erprobungen bereit: Ende des Jahres hob die erste B-1A zum Testflug ab.

Es hatte sich gezeigt, dass die Maschine den gestellten Anforderungen entsprach. Trotzdem stellte die US-Regierung das Programm 1977 ein: Marschflugkörper sollten Bombenjets überflüssig machen. Erst die Regierung Reagan erklärte, 100 B-1-Bomber für die US Air Force beschaffen zu wollen, dann allerdings in der Version B-1B „Lancer“.

Diese unterschied sich vom Prototyp vor allem durch ein niedrigeres Tempo (Mach 1,25 gegenüber Mach 2,2), erhielt dafür aber auch einige Stealth-Technologien. Die B-1B hatte den Auftrag, die gegnerische Luftabwehr im Tiefflug zu durchbrechen. 1984 ging die erste Serienmaschine in den regulären Dienst.

Ob das Flugzeug seiner Aufgabe – dem Durchbrechen der gegnerischen Luftabwehr – wirklich gewachsen war, ist allerdings unbestätigt. Denn beim ersten Kampfeinsatz 1998 im Irak flogen B-1B-Bomber die zweite Angriffswelle – nachdem Tomahawk-Raketen die Radarstellungen der Iraker zerstört hatten.

Auch in späteren Kriegen kämpften die Überschallbomber gegen Streitkräfte mit nur schwacher Luftabwehr. Warum die Bomber, die als Erstangriffswaffe konzipiert waren, auf diese Weise geschont wurden, wissen wohl nur die Verantwortlichen im Pentagon.

Ende 1969 war es auch, als die Sowjetunion mit der Entwicklung eines strategischen Interkontinentalbombers begann. Die Militärführung der UdSSR hatte drei Konstruktionsbüros mit den Entwürfen beauftragt: die Flugzeugbauer Suchoi, Mjassischtschew und Tupolew.

Letzterer konnte dabei mit technischem Vorsprung in die Entwicklung starten: Die Serienproduktion des Überschallverkehrsjets Tu-144 hatte gerade begonnen, die Ingenieure konnten auf bereits vorhandene Expertisen beim Bau von Tragflächen und Zellen für dauerhaften Überschallbetrieb zurückgreifen. Insofern überrascht es nicht, dass der erste Bomberentwurf von Tupolew in seinen Umrissen an den Verkehrsjet erinnerte.

1975 wurden die Anforderungen an das Kampfflugzeug neugefasst: Die Tu-160 sollte (im Unterschallmodus) eine interkontinentale Reichweite von bis zu 16.000 Kilometern haben, eine Kampflast von bis zu 40 Tonnen tragen und ein Spitzentempo von Mach 2 erreichen können. Am 18. Dezember 1981 startete die Tu-160 in den Erstflug.

Zukunftsbomber gegen „Einbrecher“

Tu-160 ist der bislang einzige Bomber weltweit, der eine Geschwindigkeit von bis zu 2.200 Stundenkilometern 45 Minuten lang aushalten kann – auch darin übertrifft die russische Maschine ihre Rivalin aus den USA. Und im Juni 2010 flogen zwei Tu-160M einen Reichweitenrekord: 18.000 Kilometer!

Das russische Verteidigungsministerium plant, im Rahmen des staatlichen Rüstungsprogramms 2027 die modernisierten Bomber Tu-160M2 zu beschaffen. Diese zeichnen sich aus durch neue digitalisierte Bord- und Navigationssysteme, neue Radaranlagen, Waffen und optimierte Triebwerke NK-32 aus, die ohnehin ihresgleichen suchen.

Am 25. Januar 2018 flog die Tu-160M2 zum ersten Mal, bis 2035 sollen 70 solche Flugzeuge als Komponente der russischen Atomtriade ihren Dienst leisten.

Auch die USA arbeiten intensiv an der Entwicklung eines neuen strategischen Bombenflugzeugs, das in der Lage sein soll, auch die künftigen russischen Flugabwehrsysteme zu überlisten. „Long Range Strike Bomber“ heißt das Programm.

Entstehen soll der B-21 genannte „Einbrecher“ auf der Grundlage des derzeitigen Stealth-Bombers B-2. Läuft alles nach Pentagon-Plan, sollen 130 dieser Maschinen nach 2040 die veralteten B-52 und B-1B ablösen.

Auch Russland plant, mittelfristig ein grundlegend neues Bombenflugzeug zu bauen: die PAK DA – zu Deutsch etwa: Hochentwickeltes Flugsystem der Fernfliegerkräfte. Wie das Flugzeug konstruiert sein wird – ob als Unter-, Über- oder Hyperschallmaschine – ist noch nicht entschieden. Aber es ist davon auszugehen, dass das neue Waffensystem ein gebührender Nachfolger der Tu-160M2 sein wird – und eine angemessene Reaktion auf den amerikanischen „Einbrecher“.

sputniknews


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