Der Exit-Wahn: Diese Politiker ersehnen EU-Ausstieg ihrer Länder

  17 Januar 2019    Gelesen: 930
  Der Exit-Wahn: Diese Politiker ersehnen EU-Ausstieg ihrer Länder

Nach dem Votum der Briten für den EU-Austritt vor zwei Jahren befürchteten die EU-Befürworter einen Dominoeffekt unter den Mitgliedstaaten. Die Angstkette scheint nicht vorüber zu sein, selbst wenn jegliche Aus-Argumente mit Boni einer Mitgliedschaft kleingeredet werden. Warum die EU-Skeptiker schon mal aufstanden - im Sputnik-Artikel.

Madames „Frexit“ Battle mit Präsident Macron

Die Chefin des Front National und ehemalige Präsidentschaftskandidatin, Marine Le Pen, plädiert seit langem für ein Referendum über den Austritt Frankreichs aus der EU und soll den Wahlergebnissen zufolge genug Unterstützer gesammelt haben. Während der Debatten mit Jetzt-Präsident Emmanuel Macron warf die „Madame Frexit“ der Globalisierung vor, die Fünfte Republik zu schädigen, und führte als Beispiele die von Frankreich wegen der niedrigeren Arbeitskosten nach Polen umgesetzten Betriebe an. Sie beschuldigte Macron, in Frankreich lediglich eine Handelsplattform zu sehen, die zur Unterordnung des Landes unter europäische Institutionen in Brüssel führe. Macron parierte, dass „ein Austritt aus der EU zwischen 60 und 80 Milliarden Euro kosten“ würde. Im französischen Haushalt gebe es ohnehin kein Geld für zusätzliche Sozialausgaben, insbesondere für die Senkung des Rentenalters, so Macron. Die Verstaatlichung der Betriebe nannte er keine Option.

Selbst wenn der Front National es wünscht: Es liegt allein in der Entscheidung des Staatspräsidenten, ein Referendum anzusetzen. Dieser wünschte sich im November 2018 eine tiefgreifende Reform der EU in Bezug auf den Brexit, „einen Grundstein für eine neue Gemeinschaft“. Dies sollte das Leitmotiv der Wahl zum EU-Parlament im Mai 2019 werden, so Macron.

Das Land der größten EU-Skeptiker

Tschechiens Widerstand gegen die von der EU-Kommission vorangetriebene Verteilung der Migranten nach Quoten auf alle EU-Mitgliedsstaaten sorgt seit Anfang 2017 immer noch für Zwiespalt mit der EU. Bei Diskussionen rund um die Flüchtlingskrise kam es sogar zu Aufrufen, aus der EU auszutreten. Im Juni 2017 hatte Tschechiens Ex-Präsident Vaclav Klaus den Austritt seines Landes aus der EU gefordert. „Tschechien dürfe nicht gezwungen werden, eine multikulturelle Gesellschaft zu werden“, kritisierte er. Tschechien brauche und wolle gar keine EU-Fördergelder, behauptete er und verlangte eine radikale Entscheidung: „Aus all dem ergibt sich als einziger möglicher und notwendiger Schluss: Es ist die Zeit gekommen, den Austritt unseres Landes aus der Europäischen Union vorzubereiten.“

An einem wirklichen „Czexit“ schienen aber die Chefs der Republik nicht interessiert zu sein.

Faktisch hat aber Tschechiens Regierungschef Andrej Babiš seine restriktive Flüchtlingspolitik verteidigt, denn die einst von der EU-Kommission geplanten Strafmaßnahmen gegen Tschechien, Polen und Ungarn, die die Quoten ebenso abgelehnt haben, kamen letztendlich nicht zustande.

2018 verteidigten die Tschechen ihren Ruf als die größten EU-Skeptiker. Nur 39 Prozent von ihnen halten die Mitgliedschaft ihres Landes in der Europäischen Union für positiv, geht aus dem aktuellen Eurobarometer hervor.

Italiens Erpressungsmechanismen gegen die EU

Nicht aus der EU, sondern aus der Euro-Zone auszutreten, drohte die neue italienische Regierung im Sommer 2018. Es dürfte diesen Austritt in Aussicht gestellt haben, um Schulden erlassen zu bekommen. Im Oktober 2018 hatten die italienischen Behörden eine Lösung für die Schuldenprobleme durch die Wiedereinführung einer eigenen Währung angekündigt. Claudio Borghi, Chef des Haushaltsausschusses der Camera dei deputati (Abgeordnetenkammer des Parlaments Italiens), sagte, dass die wirtschaftliche Situation im Land günstiger wäre, wenn das Land sich aus der Eurozone zurückziehen würde. Seine Äußerungen über eine mögliche Rückkehr zur Lira erschreckten die Anleger und führten zum Verkauf italienischer Staatsanleihen.

„Was in Italien passiert, ist eine Brandgefahr und könnte das Endergebnis für den Euro sein", kommentierte Wolfgang Steiger, Generalsekretär des Wirtschaftsrats der CDU. „Römische Populisten deuten bewusst die Zukunft einer einheitlichen Währung. Die Bundesregierung sollte sich nicht erpressen lassen.“

Im Budgetstreit mit der EU verzichtete die EU-Kommission Ende Dezember auf die Einleitung eines EU-Defizitverfahrens gegen Italien. Italiens Regierungsparteien feierten die Einigung auf das neue italienische Budget, während EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani diese als ein „Debakel“ bezeichnete. Laut dem neuen Plan rechnet Italien 2019 mit einem Defizit von 2,04 Prozent.

Polens nationalkonservativ-klerikale Identität

Ende 2017 hatte die EU-Kommission ein Sanktionsverfahren gegen Polen wegen Gefährdung von Grundwerten der EU eingeleitet unter dem Vorwurf, das Land würde die Justiz einschränken und die Rechte von Flüchtlingen verletzen. Genauso wie Tschechien hatte das Land sich geweigert, Flüchtlinge aufzunehmen. Dabei entwickelt die Regierungspartei PiS seit Jahren eine Staatsphilosophie, die eine Enteuropäisierung vorsieht und sich auch im Umgang mit dem Heimat- und Nationenbegriff und dem Bedürfnis nach einer nationalkonservativ-klerikalen Identität zeigen soll.

In dieser Hinsicht hatte der Präsident des Europäischen Rates und Ex-Staatschef Polens, Donald Tusk, 2017 gewarnt, für Polen ginge es in Richtung „Polexit“. Der Konflikt der polnischen Justiz mit den EU-Institutionen dürfte ein Versuch sein, schließlich zu erklären, dass Polen die Europäische Union nicht mehr nötig habe. Er befürchtete ebenso, dass der Chef der PiS, Jarosław Kaczyński, mit dem einfachsten Fehler einen EU-Austritt Polens provozieren könnte. Der Wunsch Europas, Polen um jeden Preis in der EU zu halten, sei geringer ist als im Fall Großbritanniens. Gegenüber dem „Cicero“ deutete der polnische EU-Vizepräsident Zdzisław Krasnodębski auf die „Ungleichheit der Souveränität“ sowie auf eine gewisse Überheblichkeit von Westeuropa gegenüber Osteuropa als eines der größten Probleme der EU hin.

Die Umfragen zeigen, dass 65 Prozent der Polen in der EU bleiben möchten. Sollte die EU aber verlangen, etwa 7.000 Flüchtlinge aufzunehmen, würden 68 Prozent gegen die EU stimmen, so die Politologin der Warschauer Universität Renata Mieńkowska. Die Parlamentswahl 2019 soll die Stimmung genauer widerspiegeln.

Geplatzte Träume der Oppositionellen Schwedens

Im Juni 2016 verlangten auch die Mitglieder der Kommunistischen Partei Schwedens ein Referendum zum Austritt aus der EU. Der Parteisprecher Jens Halldin betonte, dass die schwedische Elite sich im Gegensatz zu Großbritannien in der Unterstützung der EU eins sei und alles tun würde, „um die Schweden mundtot zu machen und ihre Interessen durchzusetzen“. Laut dem Sprecher der Moderaten Partei Schwedens habe es keinen Spielraum für einen „Swexit“ sowie für eine Hysterie in der Debatte um Europa gegeben.

Mitte 2018 wollten auch die rechtsgerichteten Schwedendemokraten, momentan die zweitstärkste Partei, für ein „Swexit“ —Referendum werben. „Die EU ist nicht der richtige Weg, in Europa zu kooperieren“, kommentierte der Parteichef Åkesson Sveriges. Man müsse „die Bedingungen einer EU-Mitgliedschaft neu verhandeln und dann sollten die Menschen darüber abstimmen“. Doch teilt keine der anderen Parteien den Wunsch nach einem Referendum und einem EU-Austritt, sodass die Schwedendemokraten dies mit ihrem Vorhaben nicht werden durchsetzen können. Von der EU-Mitgliedschaft profitiert Schweden insbesondere wirtschaftlich.

AfD fordert Reformen für die EU

Auch in Deutschland waren kürzlich Aufrufe zu Reformen der EU zu hören. Bei ihrem Parteitag im sächsischen Riesa am 11. Januar hatte die rechtsgerichtete Partei AfD einen „Dexit“ für unausweichlich erklärt, sollte sich die EU in den kommenden fünf Jahren nicht reformieren lassen. Der Parteivorsitzende Alexander Gauland warnte jedoch davor, einen konkreten Zeitpunkt für einen möglichen EU-Austritt Deutschlands festzulegen. Im Gespräch mit dem Deutschlandfunk betonte AfD-Bundessprecher Jörg Meuthen, seine Partei wolle in Zukunft die EU auf eine supranationale Organisation ökonomischer Kooperation reduzieren und das EU-Parlament als Entscheidungsträger auflösen lassen. Mit diesen Argumenten soll jetzt die AfD in die Europawahl gehen.

sputniknews


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