Die britische Premierministerin Theresa May hat die Forderung von Oppositionsführer Jeremy Corbyn zurückgewiesen, einen harten Brexit ohne eine Vereinbarung mit der EU auszuschließen. Es sei "unmöglich", ein solches Szenario auszuschließen, ohne den gesamten Austrittsprozess zu stoppen, reagierte May auf ein Schreiben von Labour-Chef Corbyn. Damit wies sie seine Vorbedingung für Gespräche über einen Brexit-Kompromiss zurück.
May muss am Montag im Unterhaus einen neuen Plan zum Austritt aus der EU präsentieren, nachdem ihr erster dort am Dienstag krachend gescheitert war. Die konservative Regierungschefin traf seit einem am Mittwochabend überstandenen Misstrauensvotum im Unterhaus bereits Vertreter mehrerer Oppositionsparteien. Die Grünen-Abgeordnete Caroline Lucas schrieb anschließend bei Twitter, May sei nicht an einem Kompromiss interessiert.
Corbyn forderte May auch auf, "die roten Linien fallenzulassen und ernsthafte Vorschläge für die Zukunft" zu machen. Er warnte die Premierministerin davor, "die Abgeordneten mit einem zweiten Versuch zu erpressen, ihren verpfuschten Deal durchzuwinken". Zu Mays "roten Linien" zählt der Wille, aus der EU-Zollunion auszutreten und die Freizügigkeit von EU-Bürgern einzuschränken. Sie forderte Corbyn dazu auf, "ohne Vorbedingungen" mit ihr zu sprechen.
"Konstruktiv zusammenarbeiten"
Der Labour-Chef schließt nicht aus, ein weiteres Misstrauensvotum gegen May zu beantragen. Corbyns Ziel sind Neuwahlen. In der Labour-Partei fordern viele ein zweites Referendum, was May aber ebenfalls ablehnt. Sollte sich das Parlament in Sachen Brexit nicht einigen können, droht zum 29. März ein ungeregelter Austritt aus der EU.
"Nachdem die Abgeordneten klargemacht haben, was sie nicht wollen, müssen wir alle konstruktiv zusammenarbeiten, um herauszufinden, was das Parlament will", sagte May am Mittwochabend nach einem ersten Treffen mit Oppositionsvertretern. "Es ist jetzt an der Zeit, Eigeninteressen beiseite zu legen." May traf bislang unter anderem Vertreter der Grünen, der pro-europäischen Liberaldemokraten, der Schottischen Nationalpartei (SNP) und der walisischen Partei Plaid Cymru. Medienberichten zufolge hat Labour-Chef Corbyn auch andere Parteimitglieder angewiesen, nicht mit May oder ihren Vertretern zu sprechen.
May selbst hatte am Mittwoch angedeutet, dass eine Verschiebung des für den 29. März geplanten EU-Austritts denkbar wäre. Brüssel würde dem zustimmen, wenn klar sei, "dass es einen Plan hin zu einer Vereinbarung gibt". Ein Sprecher Mays betonte jedoch am Donnerstag, eine Verschiebung sei noch nicht offiziell diskutiert worden, "weil wir dies nicht wollen".
Deutschland bereitet sich auf ungeordneten Brexit vor
Angesichts des nach wie vor drohenden ungeregelten Brexit stimmt die EU-Kommission bereits ihre Notfallvorbereitungen mit den Mitgliedstaaten ab. "Wir nehmen die Möglichkeit eines No-Deal-Brexit sehr ernst und überlassen nichts dem Zufall", sagte ein Kommissionsprecher. Auch Bundesaußenminister Heiko Maas machte deutlich, dass sich die Bundesregierung intensiv auf einen ungeordneten Brexit vorbereite. Auch die französische Regierung setzte am Donnerstag einen Plan für den Fall eines harten Brexit in Gang. Das Parlament in Paris beschloss ein entsprechendes Gesetz. Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn sagte im Radiosender Bayern 2: "Wir müssen einem No Deal in die Augen schauen." Die EU müsse jetzt abwarten, was May am Montag vorschlage.
Wegen ihrer Suche nach einem Weg aus der Brexit-Sackgasse sagte May ihre Teilnahme am Weltwirtschaftsforum in Davos ab. Eine Regierungssprecherin teilte mit, andere Regierungsmitglieder würden aber in die Schweiz reisen. Das Weltwirtschaftsforum beginnt am Montag.
Die Organisation eines zweiten Brexit-Referendums würde nach Informationen aus Regierungskreisen länger als ein Jahr dauern. Dies gehe aus einem offiziellen Regierungspaper hervor, das May am Mittwoch Abgeordneten gezeigt habe, hieß es am Donnerstag in Mays Büro. Zuvor hatte eine Regierungssprecherin erklärt, dass bei dem Treffen ein einseitiges Dokument vorgelegt worden sei. Darauf seien die Umrisse eines möglichen Brexit-Kurses verzeichnet gewesen, einschließlich der Erklärung, dass es keine zweite Volksabstimmung zum Austritt des Vereinigten Königreiches aus der EU geben werde.
Quelle: n-tv.de
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