Die Esten haben es endlich begriffen: Für die Amerikaner sterben – nicht umgekehrt

  22 Januar 2019    Gelesen: 935
Die Esten haben es endlich begriffen: Für die Amerikaner sterben – nicht umgekehrt

In den USA wird wieder darüber debattiert, wieso ihre Soldaten sterben müssten, wenn sie die baltischen Länder verteidigen müssten. In den Ländern an der Ostsee finden sich einige Politiker, die sich über diese Einstellung der Amerikaner empören.

Alles begann mit einem Artikel in der "New York Times", in dem geschrieben stand, dass Präsident Donald Trump den Rückzug aus der Nato erwägen würde. Natürlich berief sich die Redaktion, wie gewöhnlich, auf anonyme Quellen, aber das Aufsehen war jedenfalls groß.

Es begann eine heftige Diskussion, und dabei werden durchaus logische Fragen aufgeworfen. So fragte der Moderator Tucker Carlson von Fox News in einem Gespräch mit David Tafuri, dem früheren außenpolitischen Berater des Ex-Präsidenten Barack Obama: „Warum wird in den USA der fünfte Artikel (des Nato-Vertrags) nicht debattiert, dem zufolge wir verpflichtet sind, andere Länder zu verteidigen?“ Es sei verblüffend, dass amerikanische Soldaten „für die territoriale Integrität Estlands“ sterben müssten – oder den Dritten Weltkrieg provozieren, indem sie Lettland verteidigen, betonte der Moderator.

Tafuri war sichtlich überrumpelt und sagte: „Die Nato hat in der Vergangenheit bewiesen, dass sie erfolgreich ist, indem sie die Sowjetunion vernichtet hat.“ Aber Carlson ließ nicht locker und fragte erneut: „Warum müssen amerikanische Kinder für Lettland sterben?“

Ohne die Antwort von Obamas Ex-Berater bekommen zu haben, warf der Mann von Fox News dieses Thema auch in seiner Show auf, indem er fragte: Warum haben sich die USA verpflichtet, Atombomben abzuwerfen, um solche Länder wie Lettland und Estland zu verteidigen? „Warum haben wir das getan? Wer weiß denn das? Die Details sind im Laufe der Geschichte verloren gegangen.“

Carlson zeigte sich überzeugt, dass die Diskussion über Washingtons Verpflichtungen im Rahmen der Nordatlantischen Allianz offen und ohne gegenseitige Vorwürfe geführt werden sollte. Und dass die einfachen Amerikaner dabei „die möglichen Folgen“ ihrer Verpflichtungen zur Verteidigung Estlands und Lettlands begreifen müssten.

Der frühere Präsident Estlands Hendrik Ilves reagierte darauf empört via Twitter: „Waren also alle von mir besuchten Beerdigungen von estnischen Soldaten, die ums Leben gekommen waren, als sie die USA in Afghanistan und im Irak unterstützten, umsonst? Antworten Sie bitte. Ja oder nein?“ Als sich ziemlich viele Follower des Politikers überzeugt zeigten, dass diese Opfer tatsächlich sinnlos gewesen waren, begann er, sie zu blockieren.

Aber eigentlich hätte Ilves, der für die Teilnahme seines Landes an den fraglichen US- bzw. Nato-Militäreinsätzen unmittelbar verantwortlich ist, seine Frage auch selbst beantworten können. Als er die letzten estnischen Soldaten, die vom Hindukusch heimgekehrt waren, empfing, sagte der damalige Staatschef: „Was Afghanistan angeht: Ist dieses Land jetzt besser beschützt, erfolgreicher und sicherer? Ja, natürlich.“ Und erläuterte, dass Estlands Beitrag zum Afghanistan-Krieg sein Beitrag „zu seiner eigenen Sicherheit“ sei.

Vor fünf Jahren mag der estnische Präsident noch solche Illusionen gehabt haben. Jetzt aber hätten sie sich eigentlich schon zerstreut haben müssen: Der Krieg am Hindukusch geht weiter; Terroranschläge sind dort Alltag; die Spaltung des Landes wird nur noch tiefer. Allein 2018 wurden mehr als 10 000 Menschen Opfer der Kriegshandlungen und Luftangriffe. Mehr als 3000 von ihnen waren Kinder. Auch das neue Jahr begann mit mehreren starken Explosionen in Kabul. Und von der Situation um die Freiheit und Demokratie zeugt deutlich die Tatsache, dass die anfangs für April angesetzte Präsidentschaftswahl auf Juli verschoben werden musste. Kennzeichnend ist, dass die Weltgemeinschaft darüber aus Twitter-Beiträgen der US-Botschaft in Kabul erfährt.

Selbst in Amerika hat man schon keine Illusionen mehr hinsichtlich der Effizienz der Kriegskampagne in Afghanistan, wovon beispielsweise der satirische Film „War Machine“ mit Brad Pitt in der Hauptrolle deutlich zeugt. Und nur Ex-Präsident Ilves scheint immer noch zu glauben, dass die neun estnischen Soldaten, die ihr Leben im Interesse dritter Länder in Afghanistan lassen mussten, „gerechtfertigte Opfer“ dieser Kriegsaffäre waren – und wohl dass Amerika jetzt seine Söhne sofort losschicken würde, falls Tallinn entscheiden sollte, dass es von jemandem gefährdet wird.

Das ist längst nicht der erste (und wohl auch nicht der letzte) Fall, wo in Übersee die Frage aufgeworfen wird, ob und inwieweit die Militärhilfe an die baltischen Länder gerechtfertigt ist. 2015 veröffentlichte das "Forbes"-Magazin einen Beitrag, in dem die Meinung zum Ausdruck gebracht wurde, dass die Aufnahme dieser „hilflosen Länder“ in die Nato, die nicht einmal das „restliche“ Europa verteidigen wolle, ein großer Fehler gewesen sei.

Und jetzt gibt Amerika wieder deutlich zu verstehen: Es will nicht seine Militärs im Interesse der winzigen Länder in Osteuropa opfern. Aber diese übersehen diese Signale und schwärmen weiter vom fünften Artikel des Nato-Vertrags.

In Estland erwägt man beispielsweise die Idee, von den USA militärische Hilfe für eine Milliarde Dollar zu verlangen – zwecks Unterstützung seiner Streitkräfte. Warum die Amerikaner das tun sollten? Die Antwort ist ganz einfach: Estland ist doch „ein wichtiger östlicher Vorposten der Nato!“

Allerdings sollte man nicht denken, dass die estnische Elite immer noch nichts verstünde. Aber für sie ist es nun einmal politisch wichtig, eine gemäßigte „Revolte auf den Knien“ zu zeigen – damit ihre Wähler die reale Situation möglichst nicht begreifen.

sputniknews


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