Als Regierungschefin der freien Welt gefeiert

  19 Februar 2019    Gelesen: 1115
Als Regierungschefin der freien Welt gefeiert

Angela Merkel legt in München los wie die Weltfeuerwehr. Donald Trumps Vorgänger Barack Obama hätte seine Freude gehabt. Eine Analyse. 

Der Wärmestrom im sowieso schon aufgeheizten Saal zeigt an: Sie kommt. Sie, das ist der "Main Act", der wichtigste Auftritt dieses Samstagmorgens, die Kanzlerin. Angela Merkel kommt zu spät zur Münchner Sicherheitskonferenz, nach den Präsidenten Klaus Johannis aus Rumänien und Abdel Fatah al-Sisi, der Ägypter. Beide sind außerdem auch noch die Regionalpräsidenten, der eine für die Europäische, der andere für die Afrikanische Union.

Und wie sie so geredet haben, war es vielleicht auch ganz gut, dass Merkel ihnen die Bühne überließ. Da passierte quasi Historisches. Denn sie sprachen beide gewissermaßen aufeinander zu, betonten die Notwendigkeit, dass Europa und Afrika bei Problemen wie Terrorismus, Migration und Klimawandel stärker zusammenarbeiten. Und für Johannis ist das auch ein Teil der "Kohäsion", für die er wirbt, nach innen, in die EU hinein, wie dann nach außen, als Antwort und als Mittel, Differenzen mit den USA zu "überdauern". Von denen mit Russland nicht weiter zu reden.

Doch so interessant das ist für die vielen, vielen Fach– und Staatsleute im Saal, alle warten sie vor allem auf Merkel. Und werden nicht enttäuscht. Die Kanzlerin legt los wie die Weltfeuerwehr, und so hat eben diese Welt sie noch nie gehört. Der rote Blazer wirkt als Fanal: frisch voran. Mag die Stimme belegt sein, die Miene angestrengt, sie ist so frei, alle heiklen Punkte direkt und mit kaum mehr verhülltem Witz anzusprechen.

In der relativen Kürze zeigt sich die Würze: Die Kanzlerin setzt auf ein Verhältnis zu Russland, mit dem sich leben lässt. Weil doch niemandem genutzt ist, wenn es immer schlechter wird. Sie ist Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg dankbar, dass er an der Nato-Russland-Akte festhält; Stoltenberg, dessen Amtszeit wahrscheinlich über dieses Jahr hinaus verlängert wird. Sie erklärt den INF-Vertrag über Mittelstreckensysteme als den, der er ist: einen für Europa. Auch den USA erklärt sie das. Die Antwort auf die Kündigung, die "alle mitgetragen haben", könne jetzt aber kein "blindes Aufrüsten" sein – sagt sie und spricht dabei den hochrangigen Vertreter aus dem chinesischen Politbüro direkt an, der sich durchaus auch angesprochen fühlen kann. Er wahrt sein Gesicht. Unbewegt.

Merkel unplugged. Sie verteidigt North-Stream-2, aber wie. Weil es doch nicht so schlimm sei wie im Kalten Krieg, als russisches Gas nicht nur dahin geliefert wurde, wo sie damals noch gesessen habe, in die DDR, sondern auch in den Westen. "Ein russisches Gasmolekül bleibt ein russisches Gasmolekül." Aber die Ukraine soll sich mal keine Sorgen machen, die Kanzlerin will ja, dass sie Transitland für Gas bleibt. Und geht dafür mal eben locker ins Detail.

Eine Lektion in Weltpolitik, aber diesmal mehr im Großen. Und weiter – Iran: Da steht sie in aller Klarheit zu ihrem Satz, dass Israels Sicherheit Staatsräson sei, um so den Nuklearvertrag mit Teheran zu verteidigen. Sie will den "kleinen Anker" nicht lichten, der den Iran bei seinen Umtrieben im Jemen und Syrien von noch Schlimmerem abhält.

tagesspiegel


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