Der ehemalige Finanzchef des Vatikans, der australische Kardinal George Pell, ist wegen des sexuellen Missbrauchs von Kindern schuldig gesprochen worden. Der 77-Jährige wurde von einem Gericht in Melbourne für schuldig befunden, sich in den 1990er Jahren an zwei 13-jährigen Jungen vergangen zu haben. Damals war er Erzbischof der australischen Metropole. Die Höhe der Strafe muss noch festgelegt werden. Pell drohen insgesamt bis zu 50 Jahre Haft. Über seine Anwälte wies er abermals alle Vorwürfe zurück.
Die Entscheidung des Gerichts gegen den Kurienkardinal erging bereits im Dezember, wurde bislang aber unter Verschluss gehalten. Wegen einer Anordnung des Gerichts durfte darüber nicht berichtet werden. Am heutigen Dienstag hob die Justiz diese Nachrichtensperre auf. Zuvor hatte die Staatsanwaltschaft darauf verzichtet, in einem weiteren Prozess andere Vorwürfe zu verfolgen, die noch weiter zurückliegen.
Pell war am Dienstag (Ortszeit) bei dem Gerichtstermin zum möglichen zweiten Strafprozess in Melbourne anwesend. Beim Verlassen des Gerichtsgebäudes riefen einige Demonstranten "Monster" und "verrotte in der Hölle". Ein Mann, der in seiner Kindheit nach eigenen Angaben missbraucht worden war, bezeichnete den Schuldspruch gegen den Kardinal als "Wunder".
Pell ist der Geistliche mit dem höchsten Rang in der Geschichte der katholischen Kirche, der jemals wegen Kindesmissbrauchs verurteilt wird. Als Finanzchef war der Australier praktisch die Nummer drei des Vatikans. Pell gehörte auch zu den engsten Beratern von Papst Franziskus. Wegen der Vorwürfe hatte er sich im Sommer 2017 beurlauben lassen. Seither lebt er wieder in seiner Heimat Australien. Einen Nachfolger hat der Papst noch nicht ernannt.
Ein Opfer starb später an Überdosis
Das Urteil durch ein Geschworenengericht stammt bereits vom 11. Dezember. Es erging einstimmig. Pell nahm die Entscheidung ohne sichtliche Regung zur Kenntnis. Selbst dazu geäußert hat er sich nie. Gegen Kaution ist er weiterhin auf freiem Fuß. Am Mittwoch muss er jedoch zu einem weiteren Termin vor Gericht. Dabei könnte seine Inhaftierung beschlossen werden. Die Verteidigung hat bereits Berufung eingelegt. Sein Anwalt Paul Galbally erklärte: "Kardinal Pell hat immer seine Unschuld beteuert. Das macht er auch weiterhin." Darüber hinaus werde sein Mandat keine weiteren Erklärungen abgeben.
Gegen Pell gibt es bereits seit Jahren verschiedene Missbrauchsvorwürfe. Die Fälle, wegen denen er nun verurteilt wurde, reichen bis in die Jahre 1996/97 zurück. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass er seinerzeit nach einem Sonntagsgottesdienst in der Kathedrale der australischen Stadt einen 13-jährigen Jungen zum Oral-Sex zwang und einen anderen ebenfalls sexuell belästigte. Einige Monate später bedrängte er demnach eines der beiden Kinder dann erneut. Pell wurde nun in einem Fall wegen sexueller Penetration eines Minderjährigen und in vier Fällen wegen sexueller Übergriffe gegen Minderjährige verurteilt.
Die Jungen waren damals Schüler des renommierten St. Kevin's College in Melbourne. Einer der beiden starb 2014 an einer Überdosis Heroin. Der andere ging nach vielen Jahren des Schweigens schließlich 2015 zur Polizei und sagte nun auch im Prozess aus. Zu dem nun ergangen Schuldspruch äußerte er sich schriftlich und erklärte, für ihn sei der Fall "noch nicht vorbei". "Wie viele Überlebende habe ich Scham, Einsamkeit, Depressionen und Kämpfe erlebt. Wie bei vielen Überlebenden hat es Jahre gedauert, bis ich die Auswirkungen auf mein Leben verstanden habe." Er habe jemandem vertraut, den er hätte fürchten müssen - und habe sich später vor Menschen gefürchtet, denen er hätte vertrauen müssen.
Strafmaß wird diese Woche beraten
Ursprünglich hätte sich Kardinal Pell wegen anderer Vorwürfe, die bis in die 1970er-Jahre weiter zurückreichen, einem weiteren Verfahren stellen sollen. Damit wurde bislang auch die Nachrichtensperre begründet. Die Justiz wollte damit verhindern, dass das zweite Verfahren beeinträchtigt wird. Die Beratungen über das genaue Strafmaß werden an diesem Mittwoch beginnen. Pell muss dazu persönlich erscheinen.
Die katholische Kirche steht wegen Missbrauchsvorwürfen in zahlreichen Ländern unter Druck. Zum Abschluss eines "Anti-Missbrauchs-Gipfels" im Vatikan hatte Papst Franziskus am Sonntag versprochen, dass solche Fälle nicht länger vertuscht werden. Konkrete Schritte, wie das erreicht werden soll, nannte er nicht.
Quelle: n-tv.de
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