Wölfe, Katzen, Alphatiere
Dort, in Frankfurt am Main, wo die Firmensitze der Hochfinanz in den Himmel wachsen, lebt Urs Blank. Der Wirtschaftsanwalt und seine Galeristen-Ehefrau bewohnen eines der vollverglasten Aquarien der Macht. Blank fährt Sportwagen, trägt feinen Zwirn, schaukelt jede noch so heikle Fusion. Der Wald ist dem von Moritz Bleibtreu verkörperten Gewinner fremd. Zumindest bis sich ein von ihm abgezockter alter Patriarch in seinem Büro erschießt. Auf dessen Beerdigung erliegt er dem Lockruf der Wildnis, folgt einem geheimnisvollen schwarzen Wolf, verirrt sich und lernt tief im Wald Lucille kennen. Nora von Waldstätten spielt die etwas klischeehaft skizzierte Figur der hippieesken Flohmarktverkäuferin als ausgeflippte sexy Hexy mit verblüffend edler Vintage-Wohnung. Die beiden beginnen eine Affäre, sie kiffen und werfen halluzinogene Pilze ein, was das Tier im Manne endgültig zutage fördert. Lucilles Katze wird Blanks erstes nicht nur im übertragenen Sinne erlegtes Opfer.
Es ist eine klassische Jekyll-und- Hyde-Figur, deren Verwandlung Moritz Bleibtreu überzeugend verkörpert. Blanks Antipode ist der ergraute Hollywood-Heimkehrer Jürgen Prochnow. Er spielt den eiskalten Wirtschaftsboss und Wolfswilderer Pius Ott, der Urs Blank eine weitere Fusion anvertraut. Ein wachsgesichtiger Raubtierkapitalist, der bei Verhandlungen und auf der Jagd kein Wort und keine Patrone mehr als nötig verliert. An den Schauspielern liegt es nicht, dass Die dunkle Seite des Mondes nicht so recht von der Stelle kommt.
Regisseur Stephan Rick hat sich nicht entscheiden mögen, ob er nun einen Wirtschaftskrimi, einen Mystery- oder einen Psychothriller inszenieren will. So ist der Film ein bisschen von allem und nichts so recht – zumal die Frage, ob die mörderischen, akribisch geplanten Deals der Alpha-Tiere im Anzug verglichen mit Mord im Affekt nicht das größere Verbrechen sind, moralisch nicht wirklich überzeugt. Zur schwächelnden Erzählung kommt hinzu, dass auch der Gruselwald immer wieder unerwünschte Lichtungen offenbart. Die harten Hell-Dunkel-Kontraste (Kamera: Felix Cramer und Stefan Ciupek) sind eindrucksvoll, die Nebelmaschine produziert im Dauereinsatz Schwaden, aber trotzdem sieht die in Luxemburg gefundene Wildnis viel zu nett aus – genauso wie der vom Tierfilmtrainer gefügig gemachte Wolf.