Auch die deutsche Wirtschaft bekommt die Krise in Russland zu spüren. In den vergangenen zwei Jahren haben sich die Exporte dorthin auf gut 20 Milliarden Euro nahezu halbiert, schätzt der Deutsche Industrie- und Handelskammertag. Verschärft wurde dieser Trend durch die EU-Sanktionen, die im Lichte der aktuellen russischen Wirtschaftszahlen Deutschland mehr geschadet haben als Russland. Denn den Deutschen fehlen die Einnahmen, die Russen haben sich dagegen wenigstens diese Ausgaben gespart oder aber durch inländische Anbieter kompensiert. In diesem Jahr erwartet Deutschland einen erneuten Rückgang, der aber mit fünf Prozent vergleichsweise mild ausfallen soll. Allgemein geht man davon aus, dass die EU die Sanktionen in den kommenden Monaten wegen nachhaltiger Kontraproduktivität wieder aufheben möchte. Ob die US-Regierung dies allerdings zulässt, ist noch unklar.
Durch den Ölpreis-Rutsch droht in Russland eine Haushaltslücke von umgerechnet 36 Milliarden Euro. Diese Schätzung nannte Finanzminister Anton Siluanow am Samstag in einem Fernsehinterview für den Fall, dass der Ölpreis auf dem aktuellen Niveau verharrt und sich nicht wieder erholt. Seinen Worten zufolge könnte sich die Regierung in Moskau dann gezwungen sehen, auf ihre Rücklagen zurückzugreifen. Um das Defizit auszugleichen, sei es möglich, den staatlichen Vermögensfonds NWF anzuzapfen.
Im Haushalt 2016 ging die Regierung von einem Ölpreis von 50 Dollar je Barrel aus. Zuletzt notierte dieser aber bei 27 Dollar. Bleibe es bei dieser Differenz, würde das Land mehr als drei Billionen Rubel weniger einnehmen als geplant, führte der Minister aus.
In Russland machen Energieverkäufe etwa die Hälfte der Staatseinnahmen aus. Der drastische Rückgang der Ölpreise seit Mitte 2014 macht der Wirtschaft daher schwer zu schaffen. Denn auch die Landeswährung Rubel hat seitdem massiv an Außenwert verloren, zum Dollar beträgt das Minus mehr als 50 Prozent. Siluanow sagte, da der Ölpreis nicht mehr so stark fallen dürfte wie bisher, werde auch der Rubel nicht erneut in dem Ausmaß nachgeben.
Auch andere Ölförderländer geraten massiv unter Druck. So rief Venezuela am Freitag den Wirtschaftsnotstand aus. Ein entsprechender Erlass gibt dem sozialistischen Präsidenten Nicolas Maduro nun 60 Tage Zeit, Maßnahmen zur Stützung der Konjunktur einzuleiten. Das Dekret stattet ihn mit Sondervollmachten aus. Laut Zentralbank ist die Wirtschaft des Opec-Landes in den ersten neun Monaten 2015 um 4,5 Prozent geschrumpft. Zugleich beschleunigte sich der Preisauftrieb auf 141,5 Prozent. Das ist höchste Inflationsrate weltweit.
Weil die Rosneft-Einnahmen infolge des Ölpreisverfalls deutlich eingebrochen sind, will die russische Regierung nun einen Teil des Ölkonzerns Rosneft verkaufen. „Wir müssen nun eine Entscheidung treffen, woher wir das Geld nehmen“, sagte Finanzminister Anton Siluanow am Samstag mit Blick auf das Haushaltsminus dem Fernsehsender Rossija-1. Deshalb sollten 19,5 Prozent von Rosneft verkauft werden. Dies hätte eigentlich bereits vor Jahren geschehen sollen, sagte Siluanow.
Die russische Regierung diskutiert seit Jahren darüber, ihren Rosneft-Anteil von 69,5 Prozent zu reduzieren. Eine 2013 getroffene Entscheidung zum Verkauf von 19,5 Prozent wurde später wieder revidiert. Der Finanzminister sagte, der fallende Ölpreis stelle den Staat vor neue Herausforderungen. „Der Ölpreis ist auf ein Viertel seines früheren Werts gefallen“, sagte Siluanow. „Wir müssen den Staatshaushalt mit neuen Realitäten und schrumpfenden Mitteln konstruieren.“
Tatsächlich können sich Beobachter aktuell nicht vorstellen, wie man unter den gegenwärtigen Bedingungen einen fairen Marktwert für Rosneft ermitteln soll. Den meisten erscheint das Vorhaben daher aktuell aussichtslos, wenn Moskau nicht riskieren will, die Anteile deutlich unter Wert zu veräußern.
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