Weniger Straftaten in Deutschland? Was Seehofers neue Statistik verschweigt…

  02 April 2019    Gelesen: 468
Weniger Straftaten in Deutschland? Was Seehofers neue Statistik verschweigt…

Innenminister Horst Seehofer hat am Dienstag die Kriminalstatistik 2018 vorgestellt. Dabei erklärte der CSU-Politiker erfreut, dass die Zahl der Delikte weiter gesunken und auf dem niedrigsten Stand seit 1992 sei. Doch die polizeiliche Statistik zeigt nur die halbe Wahrheit, Kritiker werfen dem Ministerium sogar eine „geschönte Darstellung“ vor.

Eines vorweg: International gesehen ist Deutschland ein recht sicheres Land. Bei der Vorstellung der jährlichen Polizeilichen Kriminalstatistik erklärte Bundesinnenminister Horst Seehofer am Dienstag in Berlin, dass die Zahl der angezeigten Straftaten hierzulande erneut gesunken sei. Demnach registrierten die Behörden 5,4 Millionen Delikte im vergangenen Jahr, das sind rund 3,5 Prozent weniger als noch 2017. Damit setze sich der positive Trend in Deutschland weiter fort.

Objektives Bild nicht möglich…

Doch an dem Zahlenwerk gibt es laute Kritik. Laut Kriminologen sind die bei der Polizei angezeigten Delikte in der Summe immer geringer, als die tatsächlich begangenen Straftaten. Ein objektives Bild der tatsächlichen Kriminalität in Deutschland sei deshalb gar nicht möglich. Das hängt auch mit dem so genannten „Anzeigeverhalten“ der Bürger zusammen. Denn immer mehr Menschen verzichten demnach auf eine Anzeige, Gründe können Angst vor dem Täter, Mitleid oder ein zu hoher Zeitaufwand sein. Auch gibt es Bürger, die die Meinung vertreten, die Polizei helfe ihnen in ihrer misslichen Lage kaum weiter.  

Erstaunliche Befragung…

Besonders auffällig ist hierbei die Dunkelziffer bei Sexualdelikten, Hasskriminalität und Betrug im Internet. Eine Statistik des Landeskriminalamts Niedersachsen von 2017, in der Bürger anonym befragt wurden, brachte Erstaunliches hervor: Demnach gaben über 90 Prozent der Betroffenen von Sexualdelikten an, aus Scham keine Anzeige erstattet zu haben. Bei Hasskriminalität waren es knapp 90 Prozent und Opfer von Betrugsfällen im Internet brachten diese zu über 70 Prozent nicht zur Anzeige. Ähnliches gilt laut der anonymen Befragung für die Opfer von Sachbeschädigung, Körperverletzung oder Raub.

Pfusch bei Leichenschau…

Eine andere massive Diskrepanz lässt sich bei Tötungsdelikten beobachten. Zwar erklärte Minister Seehofer, die Aufklärungsraten von Kriminaldelikten in Deutschland würden weiter steigen, doch was tun, wenn die Straftat erst gar nicht ersichtlich ist? Eine Untersuchung an der Universität Rostock hatte beispielsweise ergeben, dass die Leichenschau nach dem Tod eines Menschen häufig fehlerhaft sei. Experten gehen in Deutschland von rund 1.200 unentdeckten Tötungsdelikten jährlich aus, da Untersuchungen nur oberflächlich durchgeführt und Totenscheine falsch ausgestellt wurden.

Weniger Diebstahl, mehr Gewalt…

Immerhin, die Zahl der gemeldeten Wohnungseinbrüche ist laut Horst Seehofer auf den niedrigsten Stand seit Jahrzehnten gefallen. Diese Angaben gelten als recht plausibel, da Wohnungseinbrüche als Versicherungsfall häufig zur Anzeige gebracht werden. Auch Fahrzeug- und Fahrraddiebstähle hätten dem Bericht zufolge deutlich abgenommen. Ganz anders sieht es hingegen der Kriminalstatistik zufolge bei der Verbreitung pornografischer Schriften und bei Drogendelikten aus. Bei Gewalt gegen Polizisten und Vollstreckungsbeamte habe es sogar eine Zunahme um fast 40 Prozent gegeben.

Eine andere Realität…

Es bleibt also festzuhalten: Die von Bundesinnenminister Seehofer vorgestellte Polizeiliche Kriminalstatistik zeigt alles andere, als die Realität. Das wissen die Verfasser der Erhebung selbst. Allein bei der Schätzung der Dunkelziffer nicht angezeigter Straftaten gehen die Zahlen auseinander. Vielleicht würde eine bundesweite anonyme Befragung Klarheit schaffen, doch diese ist nach aktuellem Stand bundespolitisch nicht geplant. 2015 erklärte der damalige Bundesinnenminister Thomas de Maiziere auf die Frage zur aktuellen Terrorgefahr, ein Teil der Antworten würde „die Bevölkerung verunsichern“. Dies könnte laut einigen Experten bei einer realen Kriminalitätsstatistik tatsächlich der Fall sein.

sputniknews


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